Das Notfallteam eilt mit Herbert auf der Notfalltrage durch die Flure zum OP. Sie wollen Herbert retten, die Aussetzer im Herz machten sich immer dramatischer bemerkbar. Zügig und routiniert bereiteten sie alles vor. Die Infusionen und Narkose wurde gesetzt, um den Eingriff vorzubereiten.
Im Geist von Herbert ließen die Erinnerungen eine wundersame Revue auf seine Freundschaften mit Frauen passieren. Kritiklos nahm er es hin, weil es Freude durch die Adern spülte. "Mit fünfzehn Jahren erregte erstmals ein Mädel mein Herz. Auf einer Kirchenfreizeit lernte ich sie kennen. Mein Gott, was hatte sie für schöne braune Augen und ihre charmanten Blicke erst. An ihre zartrosafarbende Bluse mit Blumenmotiven werde ich mich immer erinnern. Aber sie verriet mir nie ihren Namen. Ich solle sie suchen, trug sie mir auf. Ich wusste nur, auf welche Schule sie ging, aber wenn man auf einer anderen Schule ist, dann kann man nicht gleichzeitig in einer entfernten Schule nach einem Mädel Ausschau halten." Ein Lächeln machte sich an dem narkotisierten Patienten bemerkbar. Der Arzt stutzte kurz. Offenbar kam diese Reaktion bei einer Narkose nur höchst selten vor.
"Kurz darauf Greta, aus der Schweiz. Auf der Klassenfahrt war sie in der Jugendherberge und spielte gegen mich Tischtennis. Sie war ein echt verrücktes Huhn und ungemein Charmant. Sie sagte immer "Na sema". Eine Woche und ein Kuss. Das war es. Ulla folgte, blaue Augen so tief wie ein Bergsee in Norwegen. Und dann folgten die unerfüllten Verliebtheiten." Die Revue ging weiter, die viele Bilder in Erinnerungen riefen. Namen tauchten zu den Bildern auf, aber es waren nur Verliebtheiten. "Dann im Judokurs gab es gleich zwei Mädels, die verzauberten. Ich fand beide Mädels umwerfend, nett und sie prägten sich als positive Erinnerungen in meinen Geist. Eine übernahm das Heft des Handelns. Erstmals wurde ich abgeschleppt. Ulrike hieß sie, braune Augen und bildhübsch, aber ein Geheimnis lag auf ihr. Erst später erfuhr ich von einer Freundin von ihr von Ulrikes Krankheit, nachdem es zu spät war. Sie wäre es gewesen, aber eine unschöne Trennung folgte, weil ich ihr Geheimnis aufdeckte." Tränen sickerten dem Patienten dabei aus den Augen.
"Dann in der Uni blieb ich passiv, weil ich noch an der wüsten Trennung zu knabbern hatte . Eine junge Dame, Eva, fragte mich sogar, ob ich verklemmt oder schwul sei. Ich erklärte ihr alles und sofort begann sie für mich Freundinnen zu finden. Eva gab sich viel Mühe, aber damals mochte ich nichts mit Mädels zu tun haben. Dafür bekam ich Brummi von ihr, einen befreiten Kater, den ich mit zur Uni nahm.Ich musste ihm alle zwei Stunden das Fläschchen geben, was viele Mädels vollkommen verwirrte, weil der große, kräftige Studi mit einer winzigen Katze in der Uni auftauchte. Ja, ich hatte jäh viele Freundinnen bei mir zu Besuch, die das süße Fellknäul begöschen wollten. Aber keine erreichte mein Herz. Zwischendurch wurde ich mal verführt, aber was Festes ergab sich nie. Wunderbare Mädels gab es genug, aber irgendwie gab es keine, die mich berührte und mein Herz gewann. Lag es an mir?"
Ein kurzes Zucken ging durch Herberts Hörper, während eine Sonde zum Herz geschoben wurde . "Heike, ja die Heike war endlich ein Lichtblick, aber sie war vergeben. Und so hielt ich mich zurück. Egal. In den Semesterferien musste ich Praktikum machen. Es war schaurig in Aurich. Zu viele Frauen, die sich zu wichtig nahmen und gegenseitig mit Sticheleien runter machten. Ingenieur Neupert, mein Vorgesetzter, lud mich öfters ein und wir besuchten jedes Volksfest in der Umgebung, damit ich mit Damen schwofen konnte. Immer wieder gab er mir Tipps, welche Dame passen würde. Aber ich dröge Bergziege dachte immer noch an die große Liebe." Die Operation war im vollen Gange, mittels Kontrastmitteln waren die kritischen Bereiche in den Herzmuskeln bestens zu erkennen.
Herbert sinnierte weiter. "Heide, ja, Heide war die richtige, aber sie verlangte Unmögliches. Niemals werde ich ihre wallende Mähne vergessen und ihre zarten Wangen. Dann war sie plötzlich verschwunden. Ihre Freundin trug mir zu, dass sie nun woanders studieren würde. Ich spürte die Kerbe in meinem Herzen. So ging es mit mir weiter. Immer wieder verliebt und jedes Mal ein Fiasko. Mein Herz hat dadurch gelitten, aber es waren auch zauberhafte Momente dabei."
"Dann die Ehe und Kinder, nee es war nicht die große Liebe, aber sie war eine gute Frau, bis der Krebs mir auch das Glück nahm. Ich brauchte Jahre, um das zu verdauen. Die Kinder waren jetzt groß und die Einsicht reifte, dass es keine neue Liebe geben würde. Irgendwie breitete sich Kummer aus und wenn es jetzt zu Ende sein soll, dann ist es so. Die Ärzte haben meinen letzten Willen und die Kontaktanschriften meiner Kinder."
Dr. Schwalbe klopfte der Narkoseärztin auf die Schulter. "Gut gemacht, den haben wir gerettet. Ich verständige die Angehörigen. Ich gebe Schwester Anne alle notwenigen Informationen, dass sie sich um den alten Zausel kümmern soll."
Schläuche hinderten mich und die Nahrung wurde mir eingespritzt. Eine Krankenschwester kam jede Stunde und kontrollierte die Geräte. Sie drückte mir die Hand und in einem Wachen Moment erkannte ich das Gesicht. Es war das sanftmütige Mädel von der Kirchenfreizeit, deren Namen ich jetzt erstmals lesen konnte. Anne! War das Leben so gestrickt, dass man erst im letzten Moment die große Jugendliebe findet? Muss erst das Leben Revue passieren, bis man die Essenz der Liebe erkennt?