CN Verletzung
Lian sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als die erste Schraube des Fixateurs aus seinem Unterarm gezogen wurde.
„Mehr Schmerzmittel?“
Er schüttelte den Kopf und lächelte seine Ärztin gequält an. „Geht schon, danke. Das Gefühl kam nur sehr überraschend.“
Sie nickte und strich orangefarbene Desinfektion auf das Loch, das die Schraube in der Haut zurückließ.
Endlich hatte Lian etwas gefunden, das ihn ein wenig von dem unangenehmen Ziehen in seinem Arm ablenkte. „Warum die Farbe?“, erkundigte er sich.
„So kann man sicher sein, wo schon desinfiziert und wo es noch nötig ist“, erklärte die Ärztin. Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Sie wollen immer alles ganz genau wissen, nicht wahr?“
„Auf jeden Fall. Man weiß nie, wann welche Fakten weiterhelfen.“ Kurz biss er die Zähne zusammen, als die nächste Schraube aus seinem Knochen geholt wurde. „Mika findet meine Neugier immer recht amüsant.“
Die Ärztin legte die Schraube in eine Schale und griff zum Desinfektionsmittel. „Captain Sawirnal war schon eine Weile nicht mehr hier. Wo ist ... Ich meine, gab es einen Auftrag, zu dem das Schiff gerufen wurde?“
Lian schmunzelte. Es fiel nicht allen Menschen leicht, ohne Pronomen von jemandem zu sprechen. Doch Mika verwendete keine. Der Gedanke an die Antwort ließ ihn jedoch rasch wieder ernst werden. „Ich glaube, Mika hat sich freiwillig für irgendeine Mission gemeldet, um mir aus dem Weg zu gehen. Wir haben uns beim letzten Besuch ziemlich gestritten. Die Nachricht, dass das Schiff aufbricht, kam dann recht plötzlich.“
Die Ärztin ließ den Schraubenzieher, den sie schon wieder in der Hand hatte, sinken. „Bitte glauben Sie das nicht. Militärische Aufträge kommen oft völlig unverhofft. Ich würde an Ihrer Stelle keinen Zusammenhang herstellen, ohne zuvor darüber zu sprechen. Die nötige Spontaneität ist leider ein Nebeneffekt der Arbeit für die Konzernexekutive. Darum habe ich die Raumfahrt weitgehend aufgegeben und diene nun hier im Stationskrankenhaus.“
„Hm.“ Lian schwieg und beobachtete, wie sein Arm von einer weiteren Schraube befreit wurde. Langsam gewöhnte er sich an das seltsame Gefühl, dass etwas Fremdes aus seinem Körper gezogen wurde. Wie sehr es wohl ohne die Medikamente schmerzen würde? Vermutlich tat es ziemlich weh. So wie der Gedanke, dass Mika ihn vielleicht mied. Oder vielleicht doch nicht ...?
Mit einem Seufzen entließ er die Frustration über die eigene Unsicherheit. Er würde nachher eine Nachricht verfassen und Mika fragen, was der Streit zwischen ihnen verändert hatte. Meist war der direkte Weg der beste.