„Oh, die Reservierung wäre nicht für mich.“
Der Mann vor Olivia schenkte ihr ein charmantes Lächeln, doch ihr war klar, dass sie auf der Hut bleiben musste. Die Takosan Corporation war dafür bekannt, dass ihre Angestellten stets das eine Ziel angaben, aber etwas vollkommen anderes im Schilde führten.
„Für wen möchten Sie denn reservieren?“, erkundigte sie sich höflich.
Die Frage wurde mit einem unverbindlichen Lächeln beantwortet. Erst, als sie weiter auf eine Erklärung wartete, sprach der Konzernangestellte wieder. „Weswegen sind die Namen für Sie relevant?“
Immer möglichst locker bleiben. Mit einer wegwerfenden Geste versuchte Olivia, die Bedenken ihres Gegenübers zu zerstreuen. „Namen sind nicht so wichtig. Mich interessiert vor allem die Anzahl der zu bewirtenden Gäste, deren Vorlieben sowie die Anzahl der benötigten Andockplätze. Was erhoffen sich die Personen von den Speisen? Suchen sie vorwiegend etwas Seltenes oder sind sie auf der Suche nach einem bestimmten Geschmackserlebnis?“
Der Konzerner nickte. „Fünf, sechs Leute in genauso vielen Raumjägern. Die Truppe ist so gut wie alles. Es wäre wahrscheinlich am einfachsten, für alle dasselbe zuzubereiten.“ Er hob eine Augenbraue. „Vielleicht senkt das auch die Kosten ein wenig?“
In Olivias Kopf erklangen sämtliche Alarmsignale. Doch sie ließ ihre Bedenken nicht nach außen dringen, gab vor, nachzudenken und einige Kalkulationen durchzuführen. Ihr Geiste jedoch erwog die eine wichtige Frage: Wenn es bei dieser Reservierungsanfrage nicht ums Essen ging, worauf war der Konzern dann in Wirklichkeit aus? Wie konnte sie das herausfinden?
„Ich könnte ihnen in der Tat ein Gericht anbieten, das den Preis vergleichsweise moderat hielte. Es war auf der Erde ein schnelles Mittag- oder Abendessen: Nudeln mit einer Tomaten-Gemüsesoße, dazu Salat und ein Rotwein. Zur Vorspeise eine Suppe und als Dessert ein Apfelkuchen.“ Äpfel hatte sie im letzten Zyklus in Unmengen geerntet und konserviert – es täte dem Lager gut, ihre Menge ein wenig zu reduzieren.
Der Konzerner runzelte die Stirn. „Nun gut.“ Er wirkte nachdenklich, dann sah er Olivia an, als sei ihm soeben etwas eingefallen. „Was geschieht eigentlich, wenn Ihre Gäste zu viel Alkohol zu sich nehmen, um noch zu fliegen? Ist es möglich, dass sie hier übernachten?“
Darauf also lief das alles hinaus. „Wir sind keine Herberge“, wandte sie ein. „Es steht jedoch für außergewöhnliche Situationen eine begrenzte Anzahl an Betten zur Verfügung.“ Das stimmte. „Nichts Luxuriöses“, fügte sie hinzu. Das war gelogen. Für einen gewissen Aufpreis bot Olivias Station einige weitere Vergnügungsmöglichkeiten, jedoch nur für Personen, bei denen sie ein gutes Gefühl hatte. Das war bei diesem Konzernmitarbeiter nicht der Fall.
„Oh, das macht nichts.“ Er lächelte. „Es klingt alles sehr gut. Was kostet mich diese Reservierung? Und wäre es möglich, sie übernächste Woche zu bekommen?“
Übernächste Woche. Jetzt war Olivia klar, worauf das Ganze hinauslaufen sollte. In diesem Zeitraum würden in der Nähe ihrer Station zahlreiche Frachter von Ansyllable Vision Inc. vorbeikommen, von denen einer ihrer Kontakte behauptet hatte, sie würden einzigartige neue Prototypen interstellarer Kommunikationsgeräte transportieren. Dieser Umstand kombiniert mit einer ungefähr fünf Personen zählenden Truppe mit ebenso vielen Raumjägern, quantenverschränkter Kommunikation als heimlichem Forschungsschwerpunkt der Takosan Corporation und dem Ruf absoluter Neutralität, den ihre Station genoss, ließ nur einen Schluss zu: Man wollte sie und ihr Restaurant als Versteck nach einem Überfall missbrauchen.
Doch wieder ließ Olivias Miene ihre Erkenntnis nicht nach außen dringen. Aufmerksam studierte sie ihren Terminkalender. Sie würde sich auch diesmal nicht zu einer Figur im Spiel der Konzerne machen lassen. Um auf so etwas hereinzufallen, war sie schon zu lange im Geschäft.
Mit einem professionellen Lächeln wandte sie sich wieder an den Konzernmitarbeiter und erteilte ihm die Auskunft, die seine Pläne zunichtemachte. „Übernächste Woche sind wir leider ausgebucht. Wie wäre es in zwei Monaten?“