Mit glänzenden Augen betrat ich Brians Motorboot im Jachthafen Miamis. Der Wind spielte mit meinen Haaren und meinem beigen Sommerkleid, das einen weiten Rock besaß und mir beinahe einen Marilyn- Monroe-Moment bescherte. Gerade noch rechtzeitig hielt ich den Stoff fest, damit keiner meine Unterwäsche zu Gesicht bekam.
Vielleicht hätte ich eine kurze Hose tragen sollen.
Den Gedanken wischte ich eilig zur Seite, denn die Ausstattung des Bootes interessierte mich mehr. Zu meinem Erstaunen besaß es ein Sonnendeck mit einem Tisch, der von einer gemütlichen Sitzecke umgeben war. So, wie Brian sagte, perfekt für kleine Ausflüge mit Picknick. Genau das hatte er vor, weshalb wir gleich am Morgen Lebensmittel eingekauft hatten, bis der Picknickkorb beinahe überquoll. Dessen Inhalt ließ Brian nun in einem Kühlschrank verschwinden. Wie genau dieser funktionierte, konnte ich nicht herausfinden. Brauchte er dazu einen Generator?
Ich konnte nicht anders und musste meine Neugier stillen.
„Sobald ich den Motor starte, wird der Kühlschrank gekühlt“, erklärte Brian lächelnd und zog mich an sich. „Wir fahren hinaus und picknicken auf dem Wasser. Ich möchte nur nicht zu nah am Hafen sein. Er ist recht belebt und ich möchte die Zweisamkeit mit dir genießen. Da stören andere Schiffe und Segelboote nur.“
Mit einem begeisterten Nicken ließ ich mich auf dem samtenen Sitz nieder. Aufgeregt und neugierig besah ich das Armaturenbrett, auf dem Knöpfe und Schalter, aber auch ein Display zu sehen waren. Ich vermutete, dass es ein Navigationsgerät war, aber bei Brian konnte man sich nie sicher sein. Sicherlich würde ich frühzeitig etwas über dessen Funktionsweise erfahren.
Wie ein Kätzchen schnurrend gab der Motor plötzlich Geräusche von sich und ich sah mich nach Philip um. Er stand am Steg und löste die Leinen, bevor er sie Brian zuwarf und winkte. Lächelnd erwiderte ich das Winken.
Brians Fahrer würde sich einen angenehmen Tag in der Nähe gönnen. Er war, trotz der Tragödie seiner Familie, ein Genussmensch und wollte die Zeit dazu nutzen, einige Museen und Restaurants zu besuchen.
Langsam lenkte Brian das Boot aus dem Hafen. Krampfhaft hielt ich mich am Sitz fest, denn die Wellen und das Schaukeln behagten mir nicht. Hoffentlich ließ das nach, sonst konnte ich nicht garantieren, meinen Mageninhalt für mich zu behalten. Um mich abzulenken, konzentrierte ich mich auf die Umgebung und staunte, wie viele Boote es gab, vorzugsweise große Segel- und Motorboote, aber auch Jachten verschiedener Größen, die den Leuten einen angenehmen Tag auf dem Meer bescheren würden.
Nachdem wir den Hafen verlassen hatten, krallte ich mich noch fester in den Sitz, denn die Wellen blieben bestehen, und ich ging davon aus, dass Brian einen Zahn zulegen würde. Garantiert würde ich im hohen Bogen aus dem Boot fliegen. Zu meiner Überraschung behielt Brian das Tempo bei. „Fährst du meinetwegen langsamer?“, fragte ich vorsichtig.
Lächelnd warf mir Brian einen Seitenblick zu. „Ja. Bei der ersten Fahrt kann es einem schnell schlecht werden, wenn man es nicht gewohnt ist. Ich spreche aus Erfahrung“, kicherte er. Immer, wenn er das tat, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es verpasste ihm einen niedlichen und kindlichen Charme, den ich ihm anfangs nicht zugetraut hatte.
„Wieso denn?“, wollte ich wissen und schirmte meine Hände vor der gleißenden Sonne ab. Meine Sonnenbrille lag natürlich dort, wo sie nicht gebraucht wurde: in Brians Villa in Florida.
Brian zeigte auf eine kleine Tasche, die Phillip ihm gegeben hatte, ehe er die Leinen gelöst hatte. Neugierig öffnete ich diese und fand meine, aber auch Brians Sonnenbrille sowie Sonnenmilch vor.
Wenigstens denkt einer von uns mit.
In meiner Aufregung hatte ich diese Dinge vergessen und war froh, dass ich meine Augen vor den Sonnenstrahlen schützen konnte. Ich reichte Brian seine und seufzte innerlich, als er sie aufsetzte. Musste er so verdammt sexy damit aussehen?
„Mein Vater hat meine Geschwister und mich mitgenommen, als wir noch klein waren. Glaub mir, du wärst achtkantig aus dem Boot geflogen“, erzählte Brian, während wir immer weiter dem Horizont entgegensteuerten. Er klang wehmütig und auch irgendwie amüsiert. „Mein Bruder ist zwei Jahre älter und hatte die erste Bootsfahrt mit fünf Jahren hinter sich“, fuhr er fort, während er konzentriert auf das Display starrte, das tatsächlich ein Navigationsgerät mit moderner Technik besaß. „Er hatte mich vorgewarnt, aber ich wusste nicht, was genau er meinte, bis ich im Boot war. Mein Vater liebt schnelle Fahrzeuge und das hat auf meinen Bruder abgefärbt. Daher ist Sebastian im Motorsport als Sponsor tätig. Er hat den gleichen Hang zu schnellen Autos wie mein Vater.“
Interessiert hörte ich Brians Erzählung zu. Es war das erste Mal, dass er von sich aus so viel über seine Familie sprach. Bisher hatte er lediglich erzählt, wie er zum Sadomaso gekommen war und was mit seiner Noch–Ehefrau ablief. Doreen, eine Schreckschraube in einer wunderschönen Hülle. Ein Charakter, den ich locker und leicht mit Damon vergleichen konnte, narzisstisch und widerlich.
Ein Boot überholte uns und die Besitzer winkten fröhlich hinüber. Wir beide erwiderten den Gruß und mussten dann lachen. „Erzähl weiter“, drängte ich Brian und hielt mich erneut krampfhaft fest. Das Vorbeiziehen des anderen Boots hinterließ eine Reihe an höheren Wellen, die unseres meiner Meinung nach gefährlich zum Schwanken brachten. Brian allerdings stand lässig hinter dem Steuer.
Als das Schaukeln nachließ und die Wellen wieder flacher wurden, gab Brian Gas. Der Fahrtwind trieb mir Tränen in die Augen und wirbelte mein Haar hin und her. Solange, bis ich genug hatte, und den Haargummi, den ich mir bereits ahnungsvoll um mein Handgelenk gelegt hatte, nahm und meine Mähne zusammenband. So konnte ich die rasante Fahrt ohne Haare im Mund genießen.
„Erzähl endlich!“, bat ich eindringlich. Musste ich ihm alles aus der Nase ziehen?
„Na ja, stell dir vor, schlechtes Wetter, hoher Wellengang und ein irres Tempo …“, begann Brian, ließ den Rest aber offen.
Die Vorstellung überließ er mir und schlagartig bekam ich ein flaues Gefühl im Magen. Das einem Kind anzutun, grenzte an Folter, aber Brian schien sich gerne daran zurückzuerinnern. Schon komisch, dass ich mit solchen Gedanken andere Gefühle assoziierte als er.
„Damals habe ich mir vor Angst in die Hosen gemacht und wäre beinahe über Bord gegangen. Zum Glück ist das nicht passiert, aber seitdem verzichte ich auf Fahrten bei schlechtem Wetter und bei hohem Wellengang.“
Nachdenklich musterte ich ihn. Er schien sich von seinem Bruder stark zu unterscheiden. „Und was ist mit deiner Schwester?“, fragte ich gespannt.
„Sie ist erfolgreiche Professorin für Geologie in Norwegen. Ihr Herzensland, wie sie immer sagt. Zu den Festen findet sie aber stets den Weg zurück nach Amerika“, antwortete Brian und ich nahm einen liebevollen Ausdruck in seinen Augen wahr, als er seine Sonnenbrille anhob und mich ansah. „Sie liebt das Land, die Leute und die Fjorde. Sobald es an der Zeit ist, würde ich gerne mit dir dorthin. Nur, wenn du das willst.“
Begeistert quietschte ich und krallte mich an Brians Arm fest. „Du willst mit mir nach Norwegen?“, fragte ich ganz außer Atem. Bisher konnte ich mir nicht vorstellen, wie es in Skandinavien war, hatte aber durch Zufall eine Unterhaltung eines Gastes in Liams und Ambers Restaurant mitangehört, in der die junge Frau erzählt hatte, wie toll der Wechsel von Bergen und Seen in Norwegen war. Damals hatte ich den Worten keine Beachtung geschenkt, doch jetzt kamen sie mir wieder in den Sinn und ich konnte es kaum erwarten, eines Tages mit eigenen Augen das Land zu sehen.
„Na klar. Warum auch nicht? Zwei oder drei Wochen Urlaub schaden niemandem“, meinte er schulterzuckend.
Urlaub, … das erinnerte mich daran, dass meine Arbeit im Restaurant bald beendet war. Die Sommersaison war in wenigen Wochen vorbei. Amber und Liam würden keine weitere Aushilfe brauchen. Das hieß, ich musste schleunigst einen neuen Job finden. Da ich viel bei Brian war und großzügig bezahlt wurde, hatte ich mir keine großen Gedanken mehr darum gemacht. Auch die Inhaber hatten sich bisher dazu nicht geäußert, wann genau mein Vertrag auslief.
In der Luft zu hängen, mochte ich nicht, aber ich nahm mir vor, sofort nach unserem Kurzurlaub mit der Jobsuche zu beginnen. Nur, wie stellte ich es an, einen guten Arbeitsplatz zu bekommen, ohne dass Damon ihn ruinierte? Er musste nicht in der Nähe sein, um sein böses Spiel zu treiben. Seine weitreichenden Kontakte hatten dazu geführt, dass ich bei einigen Stellen relativ zeitnah entlassen worden war, weil er mich madig gemacht hatte, und ich die Arbeitgeber nicht davon überzeugen konnte, nichts getan zu haben. Dafür hasste ich meinen Ex–Freund.
„Was ist los?“, fragte Brian, als hätte er etwas von meinem Stimmungswechsel mitbekommen.
„Ach, … nur das mit dem Urlaub“, druckste ich herum. Ich wollte nicht jammern. „Ich bin nur noch ein paar Wochen bei Amber und Liam. Es war nur ein Aushilfsjob in der Sommersaison. Wenigstens muss ich mich dann nicht mehr mit den widerlichen Geschäftsmännern herumärgern, aber … es hat mir trotzdem Spaß gemacht“, gab ich seufzend zu.
„Hast du dir denn bisher noch nicht überlegt, in meiner Firma zu arbeiten?“
Ich horchte auf. „Bei Thrilling Festive? Wie kommst du darauf?“, wollte ich wissen.
Erneut zuckte Brian mit der Schulter und drehte sich um. Ich tat es ihm gleich und bemerkte, wie winzig der Hafen geworden war. Die Menschen konnte ich gar nicht mehr erkennen und es sah aus, als wäre Florida eine Stadt aus einem Bilderbuch und keine, in der gerade reges Treiben herrschte. „Du hättest einen sicheren Arbeitsplatz. Geld bekommst du neben meiner extra Vergütung ebenfalls und …“, er hielt die Luft für einen Moment an, „wir wären nicht so viel getrennt und könnten unsere Pausen miteinander verbringen.“
Sein schelmisches Zwinkern verriet mir, was er meinte.
Er wollte die Pausen mit expliziten Dingen verbringen und der Gedanke daran ließ meine feinen Härchen am Arm aufstellen. Sex im Büro? Dafür war Brian sicherlich zu haben. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er alles tun würde. „So ist das also …“, murmelte ich und rieb meine Nase. Sicher war diese genauso rot wie meine Wangen. Durch die Sonne fiel das hoffentlich nicht auf.
„Was dagegen?“, fragte Brian noch breiter grinsend.
„Nein, im Gegenteil. Solange … wir nicht erwischt werden“, meinte ich unschlüssig.
Daraufhin brach Brian in dunkles Gelächter aus und sorgte dafür, dass ich leicht zitterte. „Ich bin der Chef. Ohne Anmeldung kommt bei mir niemand rein“, versicherte er süffisant. Selbst seine Sekretärin meldete sich telefonisch an.
„Aber … in welcher Abteilung soll ich denn arbeiten?“, fragte ich unsicher, da ich nicht einmal wusste, was für eine Art von Leuten er überhaupt suchte. Mussten alle studiert haben und Erfahrung vorweisen können? Garantiert konnte ich bei so etwas nicht mithalten.
„Wie wäre es, wenn Anna dich in ihre Tätigkeit einweist? Sie erwartet ein Kind und wird in einigen Monaten in Mutterschutz gehen. Ich brauche aber eine Sekretärin, der ich vertrauen kann“, schlug Brian vor.
Die junge Frau hatte ich als nett, humorvoll und ausgelassen kennengelernt und sie erledigte ihre Arbeit hervorragend. Ich hatte mich schon gefragt, warum Brian kein Verhältnis mit Anna angefangen hatte. Seine Antwort war kurz und bündig gewesen: „Sie ist verheiratet.“ Wenigstens machte er sich nicht an Frauen ran, die bereits vergeben waren. Andere Chefs hatten keine Skrupel, ein Verhältnis mit der Sekretärin anzufangen, selbst, wenn diese verheiratet war.
Und jetzt hörte es sich nach einem klassischen Filmsetting an. Chef und Sekretärin. Typischer hätte es nicht sein können. Amüsiert über den Gedanken, der mir ein Prickeln auf der Haut bescherte, aber auch gleichzeitig Sorgen bereitete, lachte ich und konnte nicht mehr aufhören.
„Was lachst du?“, fragte Brian mit hochgezogenen Augenbrauen, die er auf eine komische Art und Weise bewegte.
Nach Luft schnappend wischte ich mir die Tränen weg. „Das, was du gerade gesagt hast, ist sowas von typisch in Filmen“, bemerkte ich nüchtern.
„Macht doch nichts. Lieber oben bei mir als bei den Männern unten“, erwiderte Brian salopp.
„Wieso? Sind die alle genauso auf Sex aus wie du?“, wollte ich wissen und boxte ihm leicht in die Seite.
Brian schüttelte den Kopf. „Nein, aber nicht alle kommen damit zurecht, wenn eine Frau etwas besser kann als sie. Deshalb gibt es in manchen Abteilungen nur Männer“, meinte er ernst.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass Brian nicht nur auf mich aufpasste, sondern auch seinen Mitarbeiterinnen Schutz bot. Laut ihm gab es regelmäßige Gespräche, in denen die Mitarbeiter ehrlich sagen konnten, wie sie sich bei der Arbeit fühlten und ob es Probleme gab. So konnte er überlegen, ob ein Wechsel der Abteilungen sinnvoll war oder nicht. Natürlich dienten die Gespräche auch dem Austausch über zukünftige Ziele.
„Ich überlege es mir“, versprach ich, nicht ganz abgeneigt von dem Gedanken, mit Anna zusammenzuarbeiten. „Und jetzt gib mir bitte etwas zu trinken, bevor du mir weitere Flausen in den Kopf setzt“, verlangte ich mit einem süffisanten Grinsen, das normalerweise er gerne an den Tag legte.