Ohne eine Antwort brachte er mich geradewegs zum Pool und ehe ich ihm entkommen konnte, landete ich mit einem Schrei im Wasser.
Prustend kam ich wieder an die Oberfläche und schüttelte mich wie ein begossener Pudel. Gerade wollte ich zu einer Fluchtirade ansetzen, als ich gepackt und fest an einen nassen Körper gezogen wurde.
„Na, abgekühlt?“, fragte Brian frech. Je mehr ich mit ihm zu tun hatte, desto mehr kristallisierte sich heraus, dass er ein ausgeklügelter Lausbub war!
Um uns herum lachten die Anwesenden und ich strich, rot geworden, mein Haar hustend aus dem Gesicht. Durch die Vergangenheit, in der Damon mich wegen jeder Kleinigkeit gehässig verspottet hatte, fiel es mir schwer, über mich selbst zu lachen, doch ich verstand, dass die Szene sie erheiterte.
Langsam wandte ich meinen Kopf zum Übeltäter, der mich noch immer festhielt, und warf ihm einen missbilligenden Blick über die Schulter zu. „Du bist echt fies“, bemerkte ich anklagend. Um mich zu rächen und ihn zu ärgern, tauchte ich ab und zog ihn mit.
Zu meiner Überraschung ließ er mich nicht los. Da ich gelernt hatte, die Augen unter Wasser offenzuhalten, konnte ich Brians Lächeln erkennen. Um mich zu befreien, stieß ich mich von ihm ab, ohne, dass er mich erneut zu fassen bekam.
Eine wilde Unterwasserjagd brach aus, bei der er mit Sicherheit Abstand hielt, denn ich konnte nicht glauben, dass ausgerechnet er, der regelmäßig Sport betrieb, langsamer war als ich.
Zweifellos hatte Brian die bessere Puste, da ich mehrmals auftauchen und nach Luft schnappen musste. Die Zeit gewährte er mir, anstatt mich zu fangen. Nach einiger Zeit legte er einen Zahn zu und fasste nach mir. Willig ließ ich mich fangen und ehe wir auftauchten, beschlagnahmte er meine Lippen. Da ich kaum noch Luft hatte, wurde ich panisch, doch das Gefühl ließ plötzlich nach, als ein angenehmes, warmes Gefühl durch meinen Körper rieselte. Ich hielt still und gab mich Brian hin, der mich kurz darauf wieder losließ, und wir auftauchten.
Nicht wie zuvor hörte ich alles kristallklar, sondern gedämpft. „Ich habe Wasser in den Ohren“, seufzte ich und schüttelte meinen Kopf. Ich hasste es, wenn ich kaum etwas hören konnte. Allerdings erging es nicht nur mir so.
Brian schüttelte sich, hielt sich dann die Nase zu und blähte seine Wangen auf. Ich tat es ihm nach, um die Stimmen um uns herum wieder klar hören zu können, hatte jedoch nur mäßigen Erfolg. Dennoch war das besser als nichts und ich schwamm zum Rand des Pools und ruhte mich von der Jagd aus. Einerseits war ich abgekühlt, andererseits war mir noch wärmer als zuvor.
Brian gesellte sich zu mir und winkte einem Bartender zu, der sich mit einem Nicken wegdrehte. Was genau er tat, erfuhr ich wenig später, als er neben uns ein Tablett mit Getränken abstellte. Nachdenklich betrachtete ich die Auswahl, die aus Saft, Mineralwasser und Mojitos bestand. Kannte er Brian so gut, um zu wissen, was dieser bevorzugte?
„Nimm dir etwas“, bat Brian lächelnd.
Da ich gesehen hatte, dass der Orangensaft frisch gepresst wurde, fiel mir die Auswahl nicht schwer. Genüsslich nahm ich einen großen Schluck davon und legte das Glas, das in der Sonne aussah, als würde es schwitzen, an meine erhitzte Wange.
Sobald ich genug getrunken hatte, drehte ich mich um, legte meine Arme auf den Rand des Pools und stellte das Glas neben mir ab. „Das hat Spaß gemacht“, gestand ich mit geschlossenen Augen. „Es ist Ewigkeiten her, dass ich so ausgelassen geschwommen bin.“
Brian lehnte sich mit dem Rücken an den Rand und musterte mich aus halb geschlossenen Augen. „Du bist gut darin – flink, wendig und geschickt“, meinte er lobend.
„Danke, du aber auch. Du hättest dich aber nicht zurückhalten müssen“, erwiderte ich schläfrig an meinem Strohhalm nuckelnd. Die plötzlich einsetzende Müdigkeit machte es mir schwer, die Augen offenzuhalten.
„Sonst hätte es weitaus weniger Spaß gemacht“, erklärte er amüsiert.
Seine gute Laune bewegte mich dazu, meinen Kopf zu heben und ihn zu mustern. „Du sagst also, dass du schneller bist als ich?“, wollte ich neugierig, aber auch herausfordernd wissen.
„Vielleicht?“
„Hast du Lust, es herauszufinden?“ Seine indirekte Behauptung ließ ich nicht auf mir sitzen und ich wollte ihm beweisen, dass mir die Sportart, in der ich eine der Besten der Schule gewesen war, lag. Doch reichte es aus, um ihn zu schlagen? Seine athletische Figur verschaffte ihm einige Vorteile und ich ahnte, dass er mich ohne Schwierigkeit besiegen konnte. Aber was machte das schon aus? Wir waren hier, um Spaß zu haben.
Bevor unser kleines Wettrennen begann, bat Brian die Gäste, den Pool zumindest auf einer Seite freizulassen, oder diesen zu verlassen. Sebastian gesellte sich dazu, und war der – hoffentlich – unparteiische Schiedsrichter.
Wir begaben uns in Position und warteten auf sein Zeichen. Kaum gab er das Startsignal, schwammen wir los und ich stellte keuchend auf halbem Wege fest, dass Brian mich um ein gutes Stück überholt hatte. Noch bevor ich das Ende der Bahn erreichte, sah ich, wie er mir entgegenschwamm und ich legte einen Zahn zu, um ihn auf der zweiten Hälfte zumindest ein wenig einholen zu können.
All meine Versuche waren zwecklos. Mit großer Verspätung erreichte ich das Ziel und schnappte keuchend nach Luft, als Brian elegant auf dem Rand saß und mir frech entgegensah.
„Auch schon da?“, fragte er mit verschmitztem Gesichtsausdruck.
Völlig außer Atem wischte ich mir die klebenden Haare aus dem Gesicht. „Ja“, keuchte ich wie ein übergewichtiger Mops nach einem Marathon. Brian hatte meine Erwartung weitaus übertroffen.
Ächzend zog ich mich aus dem Wasser und griff nach einem weiteren Orangensaft. Nicht zu schnell nahm ich einige Schlucke, bis sich mein kitzelnder Hals beruhigt hatte. „Bist du sicher, dass du doch kein Meerestier bist?“, wollte ich wissen.
Nachdenklich legte Brian einen Finger an sein Kinn und sah in den Himmel. „Wenn du mich so fragst, … ich bin ein Hai“, bemerkte er.
Stirnrunzelnd nuckelte ich an meinem Getränk. „Wie kommst du darauf?“
Brians Grinsen von einem Ohr zum anderen sagte alles aus. Er würde seine Beute — in dem Fall mich — jagen und fressen, oder eher vernaschen. Außer es handelte sich um Doreen und Damon, die er ohne zu zögern zerfleischen würde.
Grübelnd spielte ich mit meinem Strohhalm und nickte. „Ich gebe zu, das Bild eines Hais passt zu dir. Allerdings sehe ich weder spitze Zähne, noch die für Haie berüchtigte Schwanzflosse“, bemerkte ich nuschelnd.
Näher an mich rückend, beugte sich Brian zu meinem Ohr. „Schau mich genau an und sag mir, wo meine stehende Flosse sein könnte.“
Noch zweideutiger hätte er das nicht formulieren können, da er genau in dem Moment auf seine Mitte sah. Ich folgte seinem Blick und lachte. Das Bild von Brian, wie er mit dem Rücken auf dem Wasser schwamm, und seine Flosse zeigte, war göttlich. „Du bist pervers“, flüsterte ich kopfschüttelnd. Auf solche Gedanken kam nur er.
„Nur bei dir, meine Liebe“, schnurrte Brian und klimperte unschuldig mit seinen für Männer untypisch langen Wimpern. „Inzwischen solltest du mich kennen.“
Das sollte ich, und doch hatte ich das Gefühl, dass er voller Überraschungen steckte, von denen ich in meinen kühnsten Träumen nichts wusste. „Du bist unmöglich“, klagte ich belustigt.
„Nein. Ich bin Brian Davis-Taylor“, korrigierte er, mit der Nase in die Luft gestreckt, erhaben.
Ich verdrehte die Augen und beobachtete Sebastian, der die Gäste wieder ermunterte, den Pool zu nutzen. Nach und nach füllte sich dieser wieder und unser Wettschwimmen gehörte der Vergangenheit an.
Nach einem kurzen Gespräch gesellte sich Brians Bruder zu uns und ging in die Hocke.
„Du bist die Richtige“, meinte Sebastian mit anerkennendem Blick. „So viel Spaß hatte Brian schon lange nicht mehr. Ihr zwei seid füreinander bestimmt.“ Das sagte er so ernst, dass ich meine Augenbrauen nach oben zog. Wie konnte Sebastian solch eine Behauptung aufstellen, obwohl er mich nur ein paar Stunden kannte?
Im Gegensatz zu mir, die ständig Zweifel hatte, ob ich die Richtige für Brian war, waren die beiden Männer scheinbar davon überzeugt.
Verlegen lächelte ich und meinte, dass es mir nicht leicht fiele, sich in die Gesellschaft einzufügen, den Hintergrund verriet ich allerdings nicht. Dank Brian, der in einer fast schon beschützenden Geste seinen Arm um mich legte, lernte ich es allmählich wieder. „Ich bin ehrlich: Ohne Brian hätte ich es nicht geschafft, aufzustehen und mich gegen meinen Ex zu wehren“, sagte ich zu Sebastian und lehnte meinen Kopf an Brians Schulter.
Sebastian ließ sich neben seinem Bruder nieder, zog seine Schlappen aus und baumelte mit seinen Füßen im Wasser. „Brian hat das Talent, hinter fast jede Fassade eines Menschen zu sehen, und aus ihnen das Beste, oder auch das Schlechteste, herauszuholen. Er mag es nicht, wenn sich Menschen verstellen“, meinte Sebastian.
„Ich weiß“, murmelte ich und rieb mir verlegen die Nase. Mit der Zeit hatte ich bemerkt, wie geschickt Brian darin war, Dinge und Worte richtig zu interpretieren, und dass er das nötige Feingefühl besaß, hinter Geheimnisse zu kommen. Mittlerweile tat es mir leid, dass ich ihn anfangs angelogen hatte, aber ich hatte mir nicht anders zu helfen gewusst. Meine wohnliche Situation und die Sache mit meiner verstümmelten Brust waren mir peinlich gewesen.
„Brian hat am Telefon einiges von dir erzählt“, bemerkte Sebastian, der seinem Bruder den Mojito aus der Hand schnappte und davon trank.
Ich hatte erwartet, dass Brian um seinen Drink kämpfen würde, doch das geschah nicht. „Du hast von mir erzählt?“, fragte ich zurückhaltend. So interessant war ich doch gar nicht, oder?
„Natürlich. Du bist ein Teil meines Lebens, den ich anderen nicht vorenthalten werde. Schon gar nicht vor meiner Familie. Sie wissen sozusagen alles“, erklärte er mit einem Kuss auf meine Stirn, als wollte er sich entschuldigen.
Aus den Augenwinkeln erkannte ich, dass Sebastian spitzbübisch lächelte. Mit seinen kinnlangen Haaren und seinem schlanken Körper – der weniger Muskeln als Brians besaß – sah er attraktiv aus und ich überlegte, ob Ruby sein Typ wäre. Mit ihrer humorvollen Art konnte sie auch über sich selbst lachen und sorgte so generell für gute Stimmung.
In dem Moment fiel mir ein, dass ich Tatjana und ihr Urlaubsgrüße zukommen lassen wollte. Sobald wir uns zurückzögen, würde ich ihnen schreiben und Bericht erstatten.
„Unsere Familie ist eng verbunden, Jade“, sagte Sebastian. „Wir haben keine Geheimnisse voreinander, so peinlich sie auch sind. Sobald du uns kennenlernst, wirst du wissen, was ich meine. Alles, was uns erzählt wird, bleibt bei uns. Nichts dringt an die Außenwelt. Auch die hier Anwesenden behalten Dinge für sich", fuhr er versichernd mit einer weit ausholenden Handbewegung zu seinen Gästen fort.
Vielleicht war ich naiv, doch ich schenkte Sebastians Ausführung Glauben, und seufzte. Sollte ich die Frage, die mich am meisten belastete, stellen? Wenn ich nicht fragte, würde ich weiterhin in der Ungewissheit leben, weshalb ich all meinen Mut zusammennahm. „Kennt einer von euch Damon Berrets?“ Der Name reichte aus, mich trotz der Wärme zittern zu lassen.
Brians Umarmung wurde fester und ich nutzte den Moment, mich an ihn zu schmiegen.
„Ja“, antwortete Sebastian und warf seinem Bruder einen Blick zu. „Wir kennen ihn, können ihn aber nicht leiden. Seine Art, wie er mit anderen umgeht, ist uns zuwider. Er ist genauso ein Arsch wie Doreen. Die beiden würden ein teuflisches Paar abgeben.“
Wie recht er mit seiner Aussage hatte …
„Er ist mein Ex“, nuschelte ich niedergeschlagen. Ob Brian seiner Familie wirklich alles erzählt hatte? Ich hoffte es nicht.
Sein Bruder nickte. „Davon hat Brian gesprochen und auch, wie er sich auf Amelias und Henrys Veranstaltung aufgeführt hat. Das, was er getan hat, wird er noch bitter bereuen. Im wahrsten Sinne des Wortes“, murrte Sebastian mit fest entschlossener Stimme. „Wir stehen hinter dir, Jade. Wenn du etwas brauchst, lass es uns wissen.“
Fassungslos riss ich meine Augen auf und die Geräusche um mich herum nahmen ab, dafür hörte ich mein eigenes Herz laut pochen. Konnte es wahr sein, dass ich plötzlich eine ganze, mir noch unbekannte, Familie hinter mir stehen hatte, die mir helfen würde, mit der Vergangenheit zurechtzukommen?
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Das hier ist das Ende der Leseprobe!
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