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Nach dem Prompt „Waschbär/Invasion“ der Gruppe „Crikey!“
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Der alte Fallensteller wurde misstrauisch beäugt. Die zumeist elfischen Bewohner von Hanghoch mochten Zwerge nicht sonderlich. Dass der Trapper eingeladen worden war, bewies die Verzweiflung der Weinbauern.
Fröhlich summend bastelte der Zwerg die Käfige zusammen und testete die Auslöser, während die Elfen ihn umringten. Ihre Kleidung raschelte leicht, wenn sie sich bewegten. Wer weiter hinten stand, reckte ab und zu den Kopf, um einen Blick auf den kleinen, kräftig gebauten Fallensteller zu werfen.
Schließlich stand der Zwerg auf. "Gut. Zeigt mir die Stelle."
"Hier entlang, bitte, werter Herr." Der hochgewachsene, blonde Bürgermeister neigte förmlich den Kopf und setzte sich auf die Fährte des Zwergs, der krummbeinig losstapfte. Mit gleitenden Bewegungen folgten die restlichen Elfen und Elben dem merkwürdigen Paar, jeder von ihnen hob eine Falle auf.
Es ging auf einen Hang voller Weintrauben zu, wo der Bürgermeister schließlich langsamer wurde. "Hier haben sie gewütet. Dort kann man die Spuren noch sehen. Nach und nach fressen sie sich durch die ganze Ernte."
"Melerische Trauben!", rief der Zwerg begeistert aus. "Ja, die mögen se besonders!" Er begann, zwischen den Reben umherzulaufen und wies die Elfen ab, wo sie die Fallen platzieren sollten. "Habt ihr ein paar Trauben für mich?"
"Eure Bezahlung gibt es, wenn die Plage beendet ist, wie besprochen", erwiderte der Bürgermeister stolz.
"Nein, ich meinte das nicht als Bezahlung. Aber die Viecher sin' intelligent, aye? Damit se in die Falle gehen, müssen wa ihnen was vor die Nase setzen."
"Ah. Also ein Köder."
Der Zwerg nickte. "Sach ich doch."
Nachdem die Fallen zur Zufriedenheit des Trappers aufgestellt und bestückt waren, ging er mit den Elfen zurück zum Dorf und ließ sich im Gasthaus bewirten. Er war enttäuscht, dass es kein Bier gab.
"Am nächsten Tag sollten einige von ihnen in den Fallen sein", erklärte der bärtige Zwerg über dem dritten Glas Wein. "Dann isset jetzt an der Zeit, über meine Bezahlung zu sprechen."
"Wir haben Gold, teure Weine, Edelsteine ...", begann der Bürgermeister.
"Ich nehm' die Diebe."
"Was?"
Der Trapper stieß auf und stellte das Glas ab. "Was soll ich mit Gold oder Steinen? Die krieg' ich nirgendwo verkauft. Ich nehm' die Diebe mit, die wir gefangen haben. Ein paar nehm' ich für die Pelze, die sin' viel wert. Aber daheim sin' sie fast ausgerottet. Ein paar neue Erwachsene könn' da nicht schaden."
"Aber dafür, dass du unser Dorf von dieser Plage befreit hast, verdienst du es, königlich zu leben!", erwiderte der Elf erstaunt, der sich nicht erklären konnte, warum ein Sterblicher diesen unvorstellbaren Reichtum ausschlug. Zwerge hatten doch nichts ihrer kurzen Lebenszeit zu verschwenden!
"Ich hab' euch nich' befreit", offenbarte der Trapper ihm jedoch. "Diese Tiere sin' schlau, wie ich schon sagte. Viele gehen in die Falle, aber nich' alle. Se lernen schnell."
"Aber wir haben dich gerufen, um unsere Weinhänge von dieser Plage zu befreien!" Der Bürgermeister wurde ärgerlich.
"Das is' ne unmögliche Aufgabe, Herr Spitzohr. Un' das wisst ihr auch, selbst wenn ihr's noch nicht zugeben wollt. Die Diebe fühl'n sich hier pudelwohl. Die geh'n nich' mehr. Irgendso ein feiner Pinkel wollt' sich 'ne Pelzfarm machen und hat seine Tiere verloren, und jetzt wohnen die überall in eurem schönen Land, und se werd'n sich weiter verbreiten."
Der Bürgermeister seufzte. "Also werden sie sich so oder so hier ansiedeln. Wir werden immer um unsere Ernte fürchten müssen."
Der Zwerg nickte. "Ihr lernt besser bald, eigene Fallen zu machen. Ich kann euch die Blaupausen für ein paar Goldstücke überlassen. Und dann will ich noch einen Karren."
Am nächsten Morgen versammelten sich die Elfen erneut und beobachteten, wie der Trapper die Eisenkäfige mit den gefangenen Dieben auf einen Karren lud, vor den ein Maultier gespannt war.
In den Käfigen saßen kleine, graue Pelztiere mit einer dunklen Zeichnung, die an Masken erinnerte. Mit kleinen, dunklen Händen klammerten sie sich an das Gitter und betrachteten die großen Spitzohren aus kleinen Knopfaugen. Staunend betrachteten die Elfen die fremdartigen Wesen, die ihre Traubenernte bedroht hatten.
Der Trapper stellte einige an die Seite und zückte ein langes Messer, um die Pelze abzuschneiden. In diesem Moment trat der Bürgermeister vor.
"Wartet, bitte."
"Was denn?" Der Zwerg verbarg sein Missfallen nicht.
"Ich habe mit dem hohen Rat gesprochen", erklärte der Elf. "Wir haben beschlossen, dass wir die Diebe hierbehalten."
"Wie jetzt?" Verdutzt steckte der Zwerg die Messer weg.
"Seht sie Euch doch an!", sagte der Elf. "Könnt Ihr solch niedliche Kreaturen wirklich töten?"
"Ja. Weil die Mistviecher mich schon oft genug gebissen haben."
"Jedoch nur aus Furcht. Bitte, lasst die Käfige hier. Ihr könnt so viele Exemplare mitnehmen, wie Ihr für Eure Heimat braucht, doch den Rest behalten wir hier. Wir werden die Diebe erforschen. Wenn sie nun ohnehin zu unserer Welt gehören, wollen wir keinen Krieg gegen sie beginnen. Wir müssen Wege zum friedlichen Zusammenleben finden, und genau das haben wir vor."
Der Zwerg sah die Elfen lange schweigend und mit finsterem Blick an.
"Ihr könnt Eure Blaupausen zurückhaben", sagte der Bürgermeister. "Und für den Preis der Pelze, die Euch entgehen, werden wir Euch dreifach entschädigen."
"In Ordnung", brummte der Zwerg schließlich. "Vermutlich habt Ihr recht." Er trat von den Käfigen zurück. "Gebt mir einen Tag, um die richtigen Tiere auszuwählen, ihr Spitzohren." Das letzte klang schon mehr humorvoll.
Der Elf verstand den Wink. "Macht das Zimmer im Gasthaus für eine weitere Nacht fertig."
"Und des Badezimmer!", rief der Zwerg.
"Und das Bad", bestätigte der Bürgermeister lächelnd.