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Nach dem Prompt „Rote Regenbogenboa [Regenbogen/Pride Month]“ der Gruppe „Crikey!“
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Julietta versuchte, das Kribbeln in ihrem Bauch zu ignorieren. Ihre Wangen fühlten sich heiß an und ihr Herz schlug viel zu schnell vor Panik.
Sie war schon viel zu lange still, saß einfach nur neben Adara und spielte an den Fransen ihres Ponchos herum. Sie sollte etwas sagen. Sie sollte es sagen. Es einfach aussprechen. Dann wäre diese schreckliche Unsicherheit vorbei.
Vielleicht empfand Adara ja genauso wie sie. Vielleicht ...
Oder vielleicht nicht. Juliettas Herz wurde schwer, wenn sie die Möglichkeit nur in Betracht zog. Dann wäre es zwar ausgesprochen, aber die bloße Vorstellung, wie schmerzhaft und traurig alles danach wäre, schnürte ihr den Atem ab.
Adara bewegte sich unruhig. Sie saßen im Schatten eines der trockenen Bäumchens und überblickten die Steppe mit ihren kleinen, runden Grasbüscheln, bevor das Land in einen Wald und Gebirge überging. Das Dorf lag in einem Tal unter ihnen, weit entfernt.
Julietta schluckte. Sie hatte es sich vorgenommen. Nun musste sie es auch aussprechen. Sie hatte Adara hierhergebracht, hatte sich vergewissert, dass sie allein sein würden ... nun war der Moment gekommen.
"Adara, ich ..." ... liebe dich. Sie konnte es schon wieder nicht aussprechen. Angst lähmte ihre Zunge. Angst, ihre Freundin vollkommen zu verlieren. Sie war so glücklich in Adaras Nähe, selbst mit all ihren widerstreitenden Gefühlen. Sie wollte dieses Gefühl nicht riskieren.
Und ja, sie wollte auch mehr, aber ... war es nicht besser, nur Freunde zu sein, als gar nichts mehr zu sein?
"Ich muss mal kurz weg", murmelte Adara und sprang auf. Juliettas halben Satz hatte sie offenbar nicht einmal gehört.
Oder wusste sie es? Hatte sie es erraten? Wie gelähmt vor Angst sah Julietta ihrer Freundin nach, die eilig in ein kleines, nahes Tal lief, eine Art Schlucht, die sich im gelblichen Boden auftat und in die sich der schmale Bach stürzte, dessen Wasser auch ihre Tiere und die wenigen Pflanzen dieses kargen Landstrichs nährte.
Langsam stand Julietta auf. Hatte Adara erraten, was sie sagen wollte? Sie wusste, dass sie sich schon seit einigen Jahren in Adaras Gegenwart komisch verhielt, kaum redete oder viel zu viel. Vielleicht hatte sie es erraten.
Zögerlich setzte sich Julietta in Bewegung. Sie konnte die Sache jetzt auch nicht so unausgesprochen zwischen ihnen stehen lassen. Sie musste Adara wenigstens sagen, dass es in Ordnung war, wenn sie anders empfand. Sie musste versuchen, die Freundschaft zu retten.
Ihr Herz schlug schwer und schnell, verwirrt und hilflos. Benommen taumelte sie Adara nach in das Tal.
Erst viel zu spät sah sie, dass Adara nichts mehr trug. Ihre Kleider hatte sie abgelegt und auf einem großen Stein gelassen. Nun stand sie unter dem dünnen Tröpfeln des Wasserfalls und rieb über ihre Arme, als juckten sie.
Julietta riss die Augen auf, als Schuppen unter der Haut ihrer Freundin auftauchten. Stück für Stück rieb sich die Haut ab wie eine Schlammkruste, und die bräunlichen, mit großen, gelben Flecken besetzten Schuppen schillerten im Wasser wie ein Regenbogen.
"Adara ...?"
Die andere fuhr zusammen. "Julietta! Was ... was machst du ...? Ich ... ich kann das erklären, bitte ..."
"Du bist eine Schlange?" Julietta konnte nicht glauben, was sie sah. Ihr Herzschlag rauschte in ihren Ohren. Die Luft schien zu warm, zu feucht zu sein. Sie machte einen Schritt zurück, als Adaras Haar von ihren Schultern fiel und sich mit der alten Haut zu ihren Füßen sammelten. Das neue Wesen darunter sah wie ein Reptil aus. Es streckte eine Hand nach ihr und wankte auf sie zu. Julietta presste die Hände vor den Mund.
"Bitte, nicht schreien", flehte die Kreatur.
"Adara ..." Die Stimme ihrer Freundin drang irgendwie zu Julietta vor. Sie nahm die Hände wieder herunter, taumelte zurück und setzte sich unbeholfen auf den Boden. Ihre Beine hatten sie nicht mehr tragen wollen. Ungläubig sah sie zu Adara hoch.
"Es ... ich wollte das nicht", flüsterte Adara panisch. "Das ist einfach passiert, ich ... eigentlich hätte ich noch ein paar Tage bis zur Häutung gehabt. Ich ..."
"Wie lange?", brachte Julietta hervor.
"Was?"
"Wie lange bist du schon ...?"
"Ich ..." Adara senkte den Kopf und seufzte. "Seit meiner Geburt, Juli. Ich wurde so geboren. Meine Urgroßeltern stammen aus einem weit entfernten Land, Alactora. Sie mussten hierher fliehen und ... wir sind alle Schlangenmenschen."
Juliettas Blick folgte dem Schimmer der Schuppen. Adaras Augen waren leicht gräulich und ihre Freundin schien sie nicht gut zu sehen, obwohl sich der milchige Schimmer langsam auflöste. Die Musterung der Schuppen war Julietta ebenfalls vertraut.
Eine Regenbogenboa. Es gab einige davon im nahen Wald. Dort, wo auch Adara früher gewohnt hatte, bevor sie in dieses Dorf gezogen war. Juliettas Gedanken waren zäh wie alter Brei.
"Eigentlich trage ich auch einen anderen Namen. Ainoa, ein Name meines Volkes. Aber den kennen nur meine Eltern und ... und du jetzt. Du bist meine beste Freundin, Juli, und glaub mir, es war nicht leicht, dich immer anzulügen. Ich wollte auch gar nicht, dass du es so erfährst. Ich wusste nur nie, wie ich es dir sagen soll."
Adara streckte eine Hand aus, wagte es jedoch nicht, Julietta zu berühren. Sie kniete inzwischen vor ihr, und beide Mädchen bebten.
"Das ändert nichts daran, wer ich bin", fuhr Adara leise fort. "Ich muss mich nur einmal im Monat häuten, und dafür verstecke ich mich für ein paar Stunden. Bitte, Juli ... bitte sag etwas! Hasst du mich jetzt?"
Adara sah sie verzweifelt an.
Julietta musterte ihre Freundin. Die Schuppen glänzten, doch stellenweise nahmen sie bereits die Farbe gewöhnlicher Haut an und auch erste Haare waren auf dem Kopf zu erkennen. Nicht mehr lange, und Adara ... nein, Ainoa ... würde wieder wie sie selbst aussehen.
"Sag etwas", flehte Adara mit leiser Stimme. "Irgendwas." Ihr Gesicht, wenn auch schuppig, ließ die Angst erkennen, die sie fühlte.
"Ainoa ...", brachte Julietta krächzend hervor. "Ich liebe dich."
"W-was?"
"Ich liebe dich ... schon so lange ... und ich ... kann es nicht ..." Jedes Wort war ein Kampf. Juliettas Stimme brach. Sie schluchzte auf. "Ich mag keine Jungen, ich mag ... dich." Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Was hatte sie nur getan?
Nach eine Weile fühlte sie Ainoas Finger auf ihrem Handgelenk, die ihre Arme sacht nach unten zogen. Julietta sah auf. Das Gesicht des Schlangenmädchens war direkt vor ihr. Noch leicht gräulich schimmerten die Augen ihrer Freundin. Die Pupille war geschlitzt, schien sich jedoch zusehends zu runden.
Dann berührten die Lippen, kühl vom kleinen Wasserfall, die ihren.