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Nach dem Prompt „Fleischmanns Glasfrosch“ der Gruppe „Crikey!“
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Sandro zitterte. Geschockt beugte er sich über das Bündel in seinen Händen. Das dunkle Haar verbarg sein Gesicht, aber Dantae hörte ihn schluchzen.
Dantae sollte sich nicht darum kümmern. Wenn Sandro die Übung nicht geglückt war, war das sein Problem. Er konnte den Emporkömmling ja auch nicht leiden. Sandro war wie ein verschrecktes Tier im Unterholz. Er hatte absolut kein Selbstbewusstsein. Deshalb war ihm der gefährliche Balanceakt, bei dem man den Frosch mittels Magie in der Schwebe halten musste, wohl auch nicht gelungen.
Magie war eben nichts für Leute niederer Geburt! Und Dantae wäre den Narren los, wenn ihr Mentor zurückkäme und den ungelehrigen Schüler ausschließen würde.
Aber, verdammt, das Schluchzen störte ihn ja in seiner Konzentration. Dantae stöhnte genervt und ließ seinen Frosch zurück in das Glas gleiten. Dann stapfte er zwischen den Reihen der Trainierenden hindurch.
Sandro zuckte zusammen, als Dantae vor ihm in die Hocke ging, und sah verständnislos auf. Der schlanke Dunkelhaarige spannte sich an und seine braunen Augen flackerten furchtvoll, als erwartete er neuen Spott.
"Zeig her." Dantae deutete auf den Frosch. "Dreh ihn um."
Die grünen Frösche waren auf der Bauchseite nahezu durchsichtig. Man konnte die Organe erkennen und das wild schlagende Herz dieses Exemplars, genauso die Blutwolke, die sich in der linken Seite ausgebreitet hatte.
"Ich habe ihn verletzt", wisperte Sandro ungläubig.
"Du warst zu zaghaft", wies Dantae ihn zurecht. "Du hast den Körper nicht schnell genug bewegt. Du musst den Frosch genau zwischen den Magielinien halten." Aber das spielte jetzt ja auch keine Rolle. Fakt war, dass die Wunde nicht besonders schlimm war, auch wenn sie einer Behandlung bedurfte. "Aber noch musst du nicht aufgeben. Die Glasfrösche sind ein gutes Übungsobjekt, es ist leicht, sie zu heilen. Sieh zu!" Er fuhr mit den Fingern über den Bauch des Frosches und ertastete das zuckende, kleine Herz unter der Haut. Sanft lenkte er Energie in den Körper, streckte die unsichtbaren Fühler aus, um das Blut zurückzuholen.
Dann sah er Sandro streng an. "Nicht nur mit deinen Augen, du Idiot! Na los!"
"Oh!" Sandro zuckte zusammen und legte die Finger vorsichtig neben Dantaes.
"Wie willst du es denn sonst lernen?" Kopfschüttelnd machte Dantae weiter. "Spürst du es?"
Als er aufsah, stellte er fest, dass Sandro ihn dümmlich anstarrte, mit diesen braunen Schafsaugen. "Sandro! Willst du das Tier verbluten lassen? Das passiert nämlich, wenn wir hier noch ein paar Stunden sitzen."
Rasch schloss der andere die Augen. Dantae konnte die magische Energie des anderen spüren, die sich zaghaft in den Froschkörper hinein bewegte. Dantae leitete die Energielinien stumm in die Tiefe und zeigte Sandro die Bewegungen, mit denen man das Blut einholte, als hätte man kleine Hakenstäbe in der Hand.
"Und jetzt heilen wir das Herz", sagte er leise an, als der größte Teil des Lebenssaftes in der Schutzblase war, die er in die Herzwand gelegt hatte. Er merkte, dass Sandro instinktiv das Richtige tat und beschränkte sich darauf, die Blase und damit das Blut im Herzen zu halten, während der andere sanft die Herzwand flickte, ohne dass der Frosch auch nur zuckte.
Vorsichtig öffnete Dantae die Augen. Das Gesicht seines Gegenübers war vollkommen ruhig und entspannt. Da war nichts von der Angst, die Sandro sonst zeigte, nur ein tiefer, emphatischer Ausdruck um die Augenbrauen. Die Tränen glänzten noch auf den weichen Wangen, einzelne Tropfen hingen in den dichten Wimpern. Und, verdammt, er hatte noch niemanden erlebt, der so sanft nähen konnte. Sandros Arbeit dauerte wohl etwas länger, aber der Frosch ließ kein einziges Schmerzzeichen erkennen. Das war unglaublich!
Sandro blinzelte und Dantae stellte fest, dass der andere fertig und ihre Finger immer noch über dem kleinen, nun geheilten Frosch verschränkt waren. Rasch stand er auf und überließ es Sandro, den Frosch festzuhalten, bevor das Tier flüchten konnte. "Und lass ihn nicht erneut ausrutschen!", brummte er unfreundlich und wollte an seinen Platz zurückkehren.
Als er sich umdrehte, sah er jedoch Amado Suarez vor sich stehen. "M-Meister!" Er merkte, wie es ihn kalt überlief. Seit wann war der Magier zurück? Und er hatte Sandro soeben verraten!
"Interessant." Der alte Magier strich sich über das Kinn. "Sehr interessant."
Mit eingezogenem Kopf trat Sandro neben Dantae. "Ich hole dann meine Sachen."
"Wo denkst du hin, Junge?" Amado Suarez schüttelte entschieden den Kopf. "Ein solches Talent habe ich noch nie zuvor gesehen! Du wirst nirgendwo hin gehen. Von nun an bleibst du an meiner Seite. Als mein persönlicher Schüler!"
Schock und Verwirrung spülten durch Dantaes Gedanken. Ein solcher Emporkömmling? Suarez' Schüler? Das war unerhört!
Aber so wäre er ihn ja endlich los. Er müsste ihn kaum noch sehen.
"Und Dantae ... wie mir scheint, hast du auch ein Talent außer Ehrgeiz vorzuweisen. Das war gutes Lehren. Du wirst ebenfalls mit uns kommen."
"Ich ... ebenfalls ..."
Hatte er sich verhört? Er würde ebenfalls ein persönlicher Schüler sein? Das wäre alles, was er je geträumt hatte!
Dann sah er zur Seite auf Sandro, der ebenso verwirrt aussah, wie Dantae sich fühlte.
Und er wäre ... die ganze Zeit mit diesem Emporkömmling zusammen.
"Auf, auf, kommt. Der Rest, weiterüben!" Amado Suarez drehte sich um, während die beiden Jungen einander noch beäugten. Der Frosch in Sandros Hand stimmte ein kehliges Lied an.