Sprache: Deutsch
Titel: Die Zecke des Zaren (Untertitel: ... ein ganz anderer Vampirroman für Menschen von 6 - 666 Jahren)
Genre: Kurzgeschichte (eventuell) mit Wissensvermittlung
Autorin: Gudrun Opladen, illustriert von Roland Prillwitz
Umfang: 87 Seiten, teilweise illustriert.
(Meine) Altersempfehlung:: offiziell ab 6, dann aber mit Begleitung und Umformulierungen durch die vorlesende Person. Einige Themen müssten runtergebrochen und eventuell aufgearbeitet werden, falls beim Lesen Fragen in der Richtung entstehen.
Erschienen: 2012, Einzelband
CNs: Zecken, ableistische Sprache, Übergewicht (als Trope?), überspitzte geschlechterstereotype Rollen, Antislawismus
Zwischendurchlektüre. Mit den knapp 90 Seiten schnell zu lesen. Auch der Stil ist relativ leicht, aber mit Ausdrücken gespickt, die Kindern und Jugendlichen weniger geläufig sein könnten. Auch die unterschwelligen Themen sind breiter gefächert als der Titel und die grobe Handlung (Zar hat Zecke, Zar will Zecke loswerden) vermuten ließe. Die Charaktere sind wenige, recht eindimensional und stark überzeichnet, was dem Genre und dem Ziel der Geschichte geschuldet sein mag. Fand ich nicht weiter dramatisch. Es passte insgesamt zur Geschichte. Sobald es um die Zecke geht, gibt es kurze Abhandlungen über deren Eigenarten. Daher vermute ich, dass es diesbezüglich einen Bildungshintergrund gibt.
Würde sich anbieten, um über den Umgang mit Zecken und dem Umgang mit der Natur (Nahrungskette, Lebensweise) zu reden. Aktuell leider auch, obwohl sich einige Kapitel dafür wirklich gut anbieten, um über FakeNews/Propaganda und Großmächte zu reden, die kleinere Länder bedrohen und ihnen ihren Status aberkennen wollen. Das mag 2012 vielleicht für Schmunzeln gesorgt haben, aber beim Lesen musste ich mehrfach Schlucken und dachte mir: Krass, dass es so akkurat zusammengefasst ist und krass, dass das so widerspruchslos hingenommen wird.
Lieblingsfiguren habe ich nicht, da mir keiner besonders sympathisch erschien. Die Charaktermodelle sind klischeehaft besetzt. Die Rollenverteilung gefällt mir nicht. Die Kinder werden hauptsächlich zurechtgewiesen, obwohl sie auch ihre "glänzenden Momente" haben. Dis Frau des Zaren ist hauptsächlich als besorgte, leicht überreagierende Frau eingearbeitet, die vor Schreck ein Riechfläschchen braucht, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Hauptaspekt der ganzen innenfamiliären Handlung: Fehlende/Scheiternde Kommunikation untereinander, aber mit perfekter/idealer Kommunikation würden vermutlich die meisten Romane nicht funktionieren. Sowas ärgert mich, wenn der Konflikt dadurch dramatisiert wird, dass die Figuren bei Kleinigkeiten nicht miteinander reden. Die Mutter des Zaren war die schweigende, misstrauische Ehefrau, die die Seitensprünge ihres Mannes zwangsweise toleriert hat, einfach, weil das ihre Aufgabe ist.
Zwischen den Zeilen werden ernste Themen angeschnitten und größtenteils konsequenzenlos behandelt, die Bewertung muss (und sollte!) selbst geschehen. Das gefällt mir wiederum, die Herausforderung, selbst zu werten und Verhaltensweisen einzuordnen und die Gefahr in Geschehnissen zu finden, die so lapidar verpackt daherkommen.
Mir gefielen die Wortspiele/Referenzen wie Dr. van Pelsing aus Transpalavien. Pope als Titel eines kirchlichen Vertreters, der sofort mit Teufels-Gerede anrückt.
"Hussland" mit dem antagonistischen Zaren Iwan Petrusski (ja, genau- ) jagte mir eher einen Schauer über den Rücken.
Die Geschichte lässt mich zwiegespalten zurück. Viele Elemente fand ich schrecklich und es gruselt mich, wenn sie unreflektiert konsumiert werden würden. Andere erschreckend real, die mir gezeigt haben, dass ich mit anderem Hintergrund selbst drüber gelacht hätte, obwohl es nichts zu lachen gibt. Entlarvt ein bisschen die eigenen Vorurteile und wenn man sich damit beschäftigt und diese Vorurteile und problematischen Stereotypen kontextualisiert und davon abrückt, ist die Geschichte ok, gerade so. Sonst nicht.
Erster Satz:
Erkennst du den kleinen Punkt auf dem Globus?
Abschließend ein Zitat, aus einem Dialog entnommen und meine Probleme und Schwierigkeiten mit der Geschichte repräsentiert:
,,Mit Verlaub, Dr. van Pelsing, aber Ihr sprecht von völlig neuen, noch unbewiesenen Dingen. Picknickplatz, das ist doch lachhaft, wissenschaftlicher Hokuspokus! Dass ausgerechnet Ihr Euch über diesen Blutsauger lustig macht, befremdet mich doch sehr. Richten die Vampire in Eurem Land nicht schon genug Unheil an? Und ist diese Zecke wirklich harmloser als einer Eurer Vampire? Es ist das kostbare Blut unseres Zaren, das hier fließt!"