Sie erschrak wieder bis auf die Knochen, als er aus der dunklen Ecke und in den Lichtkegel ihrer Lampe trat. Warum sollte sie wieder hier herkommen? Ach ja, ihr Herr hatte sie verliehen, weil sie einem alten Freund von ihm helfen sollte. Nur über das wie alt hatte er sich nicht ausgelassen. Die Igorine hätte sich eigentlich denken können, dass es sehr alt war.
")(/%(&%$(", kam von dem Mann, der in seiner Sprache für sie nicht nur vollkommen unverständlich, sondern auch noch eher raschelnd klang.
"Mann, eh, nochmal. Ich verstehe kein altägyptisch", sagte die junge Frau genervt. "Und bevor du es versuchst, neuägyptisch ist auch nix, was ich verstehe. Und ich weiß, dass du mit meinem Boss deutsch redest. Ihr seid beide lang genug hier, um es zu sprechen."
"Ich kann es doch mal versuchen, Tochter der Nofretete. Vielleicht erinnert ihr euch wieder."
Die Igorine seufzte. Für andere mochte es ein Lob sein, einer alten fast göttlichen Herrscherin ähnlich zu sein. Aber sie ging davon aus, dass dem Besitzer der Stimme auch einige Erinnerungen abhanden gekommen waren. Nicht nur das, was der Gegenstand ihres Aufenthaltes im dunklen Völkerkundemuseum war. Es war ihre dritte Nacht, wo sie im Auftrag des Grafen dem Mediziner von Pharao Echnaton bei seiner Suche half.
"Sie sagen mir noch immer nicht, wonach wir eigentlich suchen?", fragte sie genervt.
Das Wesen im dunklen Mantel blieb unter dem Schatten seiner Kapuze weiter unbestimmt.
"Echt toll", schimpfte die junge Frau. "Ich werde es erkennen, wenn ich es sehe. Das ist etwa so hilfreich wie nachts mit einer Taschenlampe in einem Museum herum zu leuchten. Warum nehmen sie sich keinen Anwalt. Das machen doch mittlerweile alle von ihrer Sorte."
"Meiner Sorte?"
"Mehr oder weniger humanoide mystische Wesen."
"Und was macht so ein Anwalt?"
"Ihre Rechte vertreten, zum Beispiel das ihr Besitz in ihrer Nähe aufbewahrt wird. Dann geht auch nichts mehr verloren, was immer auch ihnen verloren gegangen sein mag."
Die Frustration quoll aus jeder ihrer Worte. Das bemerkte nun auch endlich der Mann im dunklen bodenlangen Mantel.
"Es ist mir peinlich", sagte er.
"Was kann schon peinlicher sein, als nachts in weißen Laken durch ein Museum zu geistern?", schimpfte die Igorine und zerrte ein solches aus ihrem Rucksack.
"Wenn man Teile von sich verliert. Sie wissen doch, was sich in unseren Kanopen befindet."
Die Dienerin des Grafen ließ die Arme mit dem weißen Tuch sinken, bevor es sich dieses wie die Nächte zuvor über den Kopf zog. Sie wollte nicht unbedingt in jeder Kamera deutlich zu sehen sein, auch wenn ihr Anwalt sagte, dass er den Einbruch schon irgendwie erklärt bekommen würde.
"Wir suchen aber nicht ihr Hirn."
Der Mediziner sah sie fragend an.
"Das was normalerweise hinter ihren Augen sich befinden sollte und soviel ich weiß, während der Einbalsamierung zu Suppe verrührt, rausgesaugt und durch Erdpech und Bienenwachs ersetzt wurde."
Die junge Frau sah nun genauer unter die Kapuze und fragte sich einmal mehr, womit ihr Gegenüber eigentlich noch denken konnte. Vielleicht hatten sie ein paar kleine Insekten mit im Bienenwachs vergossen. Das würde erklären, warum der Auftraggeber so schwer von Begriff war.
"Ich habe für mich andere Anweisungen gegeben", erklärte der Mann abweisend und hob unbestimmt seinen in Bänder eingewickelten Arm. "Können wir jetzt suchen gehen?"
"Also, wir suchen Teile ihrer Eingeweide. Welche Herz? Lunge? Leber? Magen?"
Wieder druckste der Mann herum. Er trat dabei von einem Fuß auf den anderen. Die Frau sah das und erinnerte sich an ihre kleinen Neffen. Die machten das auch, wenn sie verlegen waren oder zu mindestens dann, wenn sie mal dringend mussten und das Klo zu weit weg war.
'Wir suchen doch nicht etwa diese', dachte sie und konnte sich dann aber genau vorstellen, wo sich diese nun befand.
"Kommen sie mit", sagte sie bestimmt und schritt ohne sich zu verdecken aus der Ausstellung. In den Räumen des Institutes gab es keine Überwachung. Hier kam eigentlich auch niemand rein, der keinen Schlüssel hatte. Oder sagen wir, der niemanden hatte, der durch Wände gehen konnte, wie der Typ im schwarzen Mantel, der ihr dabei half. Zielstrebig eilte sie mit ihm zum Restaurationslabor und als sie die Lichter entzündeten, sah er sofort das gewünschte auf einem der Tische.
"Da ist sie ja", rief er und hob das tropfende Ding von der Platte.
"Soll ich ihnen jetzt noch zeigen, wo das Klo ist?", fragte die junge Frau pikiert. "Oder entleeren sie jetzt ihre Blase einfach in der Ecke des Raumes?"