Drei
Irgendwie fühle ich mich schwerelos, während wir zusammen die langen, leeren Straßen herunterrennen. Ich fühle kaum noch den Asphalt unter meinen Stiefeln. Als würde ich gleich abheben, nein, als würden wir gemeinsam, mit verschränkten Händen, abheben und davon fliegen.
Zuvor war mein Kopf regelrecht leergefegt, doch nun stapeln sich zahlreiche Fragen in meinem Kopf, dessen Antworten mir eigentlich egal sind.
Sind die Straßen immer so ausgestorben?
So menschenleer?
Wie spät ist es überhaupt?
All das spielt keinerlei Rolle. Es ist irrelevant.
Mein Herz schlägt schnell und heftig und meine Atmung stockt.
Egal, was vor ein paar Stunden los war: Es ist vergessen. Zumindest in diesem Moment.
Denn gerade fühle ich mich gut.
Ich fühle mich so gut.
Ein lautes, atemloses Lachen verlässt meine Lippen.
Ich fühle mich nicht nur schwerelos. Ich bin es.
Mein Atem geht schnell, doch ich grinse übers ganze Gesicht, stoße ab und an ein Kichern aus. Es mag vielleicht nur wie ein kleiner Moment erscheinen, aber für mich fühlt es sich an, wie etwas ganz Großes, Erleichterung, irgendwie besonders. Zwar kann ich nicht beschreiben, was es ausmacht, aber es ist so.
Felix neben mir geht es genauso: Ich höre ihn lachen und als ich ihn kurz von der Seite betrachte – nur kurz, um nicht zu stolpern – strahlt er übers ganze Gesicht,
Das Adrenalin in meinen Adern lässt es mir, trotz der Kälte, ganz warm werden. Es schüttet eine ganze Menge Glücksgefühle in mir aus.
Schon jetzt bin ich froh, dass ich etwas riskiert habe, als ich aufgestanden bin und ihm die Hand hingehalten habe.
Denn wahrscheinlich war das eine gute Entscheidung.
Wir rennen einige Minuten lang zusammen die Straße herunter, bis wir beide, reichlich atemlos zum Stehen kommen.
Breit grinse ich zu Felix hoch. Die blonden Haare fallen ihm in die Stirn. Sofort streicht er sie weg. Seine schlanken Wangen leuchten in einem rosigen Ton und er zeigt beim Grinsen zwei Reihen weißer Zähne. Sie sind nicht perfekt: Hier und da sind sie schief, doch sie passen zu ihm und zu seinem Lächeln.
Er sieht sehr gut aus. Auf seine ganz eigene Art und Weise.
Die Arme in die Hüften stemmend, stoße ich ein keuchendes Lachen aus.
„Das hat gut getan“, sagt er, „Krass.“
Die Röte steht ihm gut. Er sieht nicht länger so blass und kränklich aus, wie zuvor.
„Stimmt“, meine ich eifrig nickend.
Wir stehen genau unter einer Straßenlaterne, weswegen ich zum ersten Mal in den wenigen Minuten einen richtigen Blick in seine Augen erhaschen kann.
Sie leuchten in einem hellen Blau, das in diesem Licht so stählern wirken, dass es fast in Grau übergeht. Hier und da erkenne ich sogar ein paar grüne Flecken, die sich um die Pupille aufweisen. Sie sind sehr schön.
Gott ist das klischeehaft, denke ich über mich selbst, aber es ist die Wahrheit.
Ich bemerke selbst, dass ich ihn anstarre, überspiele es jedoch mit einem breiten grinsen.
„Wer zuerst an der Ampel ist!“, fordere ich ihn laut heraus und sprinte lachend los.
An seinen Schritten höre ich, das Felix mir sofort dicht auf den Fersen ist, was mich anspornt, nur noch schneller zu rennen, damit er mich nicht überholt.
Und ganz egal, was diese Nacht noch zu bieten hat, egal, was noch geschehen wird: Das hier ist eine dieser Nächste, die etwas Besonderes wird. Das spüre ich.
Sie wird unvergesslich.