Fünfzehn
„Also, wohin führt uns der Weg denn dann?“, will Felix von mir wissen.
Schweigend grinse ich.
Eine Antwort darauf gebe ich ihm darauf jedoch nicht.
Dennoch finden wir beide den Antrieb nicht, vom Klettergerüst herunterzuklettern, uns in Bewegung zu setzen. Einfach weil dieser Moment zu schön ist.
Und weil ich es mag, ihn ein bisschen ärgern zu können.
„Sag schon“, fordert er neugierig und drückt dabei ungeduldig meine Hand.
Ich grinse nur noch weiter.
„Ist geheim, bis wir da sind.“
Und diesmal bin ich mir zu hundert Prozent sicher, dass er es nicht vorher herausfinden wird, wie bei dem Spielplatz zuvor.
Seine hellen Augen sehen mir entgegen und sie sind unheimlich schön. Wie kann er auch nur eine Sekunde lang denken, dass er nicht attraktiv ist?
Ich presse die Lippen zusammen, dann wende ich den Blick ab.
Die Stimmung zwischen uns kann ich nicht wirklich beschreiben, aber sie ist geladen, aufregend und gleichzeitig irgendwie entspannt. Es ist fast komisch – auf eine gute Art und Weise.
Also verharren wir noch eine Weile so nebeneinander: Mein Kopf auf seiner Schulter und seinem Kopf auf meinen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, aber mit Felix fühlt es sich jede Sekunde länger an, als sie ist.
Und das ist keineswegs furchtbar. Ganz im Gegenteil.
Wir rauchen noch eine weitere Zigarette, bis ich schließlich entschlossen und auffordernd in die Hände klatsche.
„Auf geht’s.“
Felix und ich beginnen beide von der Kletterspinne herunterzuklettern. Den letzten Meter loslassend, springe ich herunter und lande glücklicherweise mit beiden Füßen fest im Sand und nicht auf meinem Hintern.
Ich stehe da und schaue nach oben und mit einem galanten Sprung landet Felix neben mir. Breit grinst er mir entgegen.
„Diesmal rennen wir nicht“, entwarne ich grinsend. „Keine Sorge.“
Etwas funkelt in seinem Blick: Kurz befürchte ich, dass er losstürmen könnte, aber das tut er nicht. Er grinst nur breit.
Mittlerweile sind wir beide ordentlich angeheitert. Ich bin gut dabei.
In meinem Kopf ist alles etwas vernebelt, doch den nächsten Ort, zu dem wir gehen, habe ich genau vor Augen. Ich dränge Felix mit meiner Hüfte und meinem Körpergewicht in eine andere Richtung, als er instinktiv woanders abbiegen will, obwohl er den Weg gar nicht weiß. Leise lache ich.
„Ups“, meint der Blonde. „Wohin?“
Ich schüttle nur mit dem Kopf, ohne darauf einzugehen. Ich verrate nichts.
Nach ein paar Minuten des Laufens kommen wir an eine Kreuzung, zurück an die Hauptstraße. Erwartungsvoll sieht er mich an.
„Wohin?“, wiederholt er, mittlerweile fast quengelnd.
„Wirst du dann sehen“, ärgere ich ihn weiter, mit meiner Geheimnistuerei.
Ich kann gar nicht anders, als zu lächeln, zu lachen: Es macht mir viel zu viel Spaß.
Da Felix dauerhaft versucht, die falsche Richtung einzuschlagen – zu seiner Verteidigung weiß er auch nicht, wohin wir überhaupt wollen- nehme ich ihn irgendwann amüsiert, von seiner Ungeduld, an die Hand.
Unsere Finger verschränken sich ineinander, als hätten sie das zuvor schon tausend Mal getan. Nun gar etwas zufrieden grinst er seitlich zu mir herunter.
Ich steuere die nächste U-Bahnstation an, die höchstens noch fünf Minuten von uns entfernt ist.
„Fahren wir Bahn?“, fragt Felix das Offensichtliche.
Ohne viel preiszugeben, außer einem breiten Grinsen, nicke ich. Zwar habe ich kein Ticket, aber mittlerweile ist es so spät, dass es ohnehin niemanden mehr interessieren sollte.
„Jup“, ist alles, was ich antworte.
„Interessant.“
Während wir nebeneinander herlaufen, schaut er mich immer mal wieder nachdenklich an, als wüsste er gern, wohin der Weg führt. Felix legt den Arm um mich, als wir am Bahnsteig stehen und darauf warten, dass die U-Bahn der Linie 3 einfährt.
Auf dem Schild steht, dass es nur noch fünf Minuten dauern wird.
„Jetzt verrate mir bitte endlich, wohin wir fahren!“, stichelt der blonde Felix mich an.
„Nö“, antworte ich, kurz angebunden.
„Komm schon, Mia!“
Mich mit einem Arm haltend, beginnt er mich mit der anderen Hand zu kitzeln, was ein hysterisches Lachen aus mir herauslockt. Lautstark lachend, ringe ich nach Luft. Mein Herz schlägt schnell. Ich fühle mich warm und geborgen.
„Immer noch nö.“
Gerade als ich mich mit schnell klopfendem Herzen von ihm losmachen will, weil das Kitzeln mich so sehr zum Lachen bringt, fährt die U-Bahn zischend in den Bahnhof ein. Felix lacht mit.
„Du Arschloch“, grinse ich breit.
„Selber Arschloch.“
Er streckt mir die Zunge raus, ehe er mich lächelt. Frech, aber zufrieden. Bevor sich die Türen schließen und die Bahn uns vor der Nase wegfahren kann, eilen wir hinein. Der Wagon ist fast leer.
Felix drückt mich sanft gegen die geschlossene, durch die Fahrt vibrierende Tür. In dem Moment, in dem er sich zu mir herunterbeugt und mich küssen will, ertönt plötzlich eine laute Stimme. Mein Herz scheint einen Satz auszusetzen, nur um doppelt so schnell weiterzurasen.
„Die Fahrkarten, bitte!“
Fuck.