Spaziergang
Cookie krauste die Nase und blickte in den grauen Himmel, an dem sich dicke Wolken ballten, die schon seit dem frühen Morgen heftig regneten. Sie strich sich durch die Haare und wandte sich an Pfütze.
„Bei allen Sternen, sieh dir dieses Wetter an, das will ja gar nicht mehr aufhören. Eigentlich wollte ich abwarten, bis der Regen etwas nachgelassen hat. Aber dann sitzen wir heute Abend noch hier. Bringen wir es einfach hinter uns.“
Die Laiktuwolke schien nichts dagegen zu haben und deshalb stieg Cookie gleich auf und sie flogen los. Sofort wurden Wolke und Reiter von dicken Tropfen begrüßt, die ihnen in schnellem Takt auf Kopf und Nebel prasselten. Schwer sogen sie sich in den Stoff und der kalte Wind, der dazu heulte, zerrte an der Kapuze von Cookies Jacke und machte sie damit fast nutzlos. Die Reiterin fröstelte und schauderte.
„Brrr eiskalt, jetzt aber schnell.“
Das hätte sie Pfütze nicht sagen müssen, denn die Wolke hatte auch keine Lust klatschnass zu werden. Kälte konnte sie schon gar nicht ausstehen. Sie war mehr ein mildes Sommerwölkchen. Pfütze kniff mit den Augen und versuchte noch schneller durch Regen und Düsternis zu wehen. Cookie wischte sich immer wieder über die Brille, gegen die ebenfalls dicke Tropfen klatschten und zog den Kopf noch tiefer zwischen die Schultern, die Hände in die Ärmel geschoben. Flink flog die düstere, nasse Welt unter ihr hindurch und deshalb hätte Cookie auch fast übersehen, was sie im nächsten Moment unter einem Baum entdeckte.
Ein Schatten stand an dem Stamm gedrückt, die Schultern gegen Wind und Kälte hochgezogen. Die Gestalt schien nach Luft zu schnappen und war offenbar gerannt. Trotzdem tropfte der Regen aus den braunen Haaren und der klatschnassen, grünen Mütze. Der Atem stieg als weiße Dampfwölkchen auf. Cookie schnappte nach Luft und deutete Pfütze schnell umzukehren und beugte sich vor, als die Wolke unter dem Baum Halt machte.
„Luigi, was machst du denn hier draußen?“, fragte Cookie deutlich verwirrt und mustere den tropfnassen, frierenden kleinen Bruder von oben bis unten.
Der trug die gewohnten Latzhosen mit dem grünen Pullover und einem weißen Paar Handschuhen. Nebst Mütze natürlich. Sonst nichts. Luigis Augen wurde erst groß, als er erkannte wer ihn hier aufgespürt hatte, dann wichen sie jedem Blickkontakt aus und wanderten unruhig hierhin und dahin.
„Ich, ähm...“, stammelte er, „Ich gehe spazieren und vielleicht... vielleicht noch einkaufen.“
Noch immer sah der Held die Freundin nicht an. Sein Fuß scharrte im schlammigen Boden, ein Zeichen von Unsicherheit oder auch Scham. Cookie schob sich die verschmierte Brille höher und blinzelte über diese Worte.
„Jetzt, bei dem Wetter?“, fragte sie erstaunt und ertappte sich dabei, dass sie böse darüber war, dass Mario Luigi überhaupt vor die Tür gelassen hatte. Allerdings war der große Bruder gar nicht Zuhause, sondern heute damit an der Reihe die Toadkinder im Krankenhaus zu besuchen. Luigi erschauerte sichtlich, rieb sich die Oberarme mit den Händen, nickte aber, um Cookie zu überzeugen.
„Nasses Wetter ist manchmal ganz gut für die Lunge. Das hast du selber gesagt“, meinte er ein wenig trotzig und sah sie immer noch nicht an.
„Für alte Leute, und doch nicht bei Platzregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt. Schon gar nicht ohne Jacke und Schirm“, stieß Cookie hervor und griff nach Luigis Hand.
Der war nicht schnell genug, um sie wegzuziehen und presste die Lippen zusammen, als Cookie die Nase krauste, wie immer, wenn sie unzufrieden war.
„Bei allen Sternen, du bist ja klatschnass und eiskalt.“ Pfütze ging ein Stückchen tiefer und die Reiterin rutschte ein wenig auf, um den kleinen Bruder neben sich zu ziehen. „Komm schon, bringen wir dich erst einmal ins Trockene.“
Ohne eine Erwiderung abzuwarten, flog Pfütze los und hielt auf den Palast zu wo sie und Cookie ein Zimmer bewohnten. Wie immer stand dort das kleine Fenster einen Spalt offen und die Wolke stieß es einfach ganz auf und wartete, bis beide Reiter abgestiegen waren. Dann kuschelte sie sich in einen einfachen Sessel vor dem kleinen Eisenofen, in dem ein fröhliches Feuer flackerte. Auch Cookie schüttelte sich die Tropfen aus den Haaren und zog die Jacke aus. Suchend kramte sie in ihrem kleinen Kleiderschrank herum, förderte ein Paar trockener Socken, ein Handtuch, ein langes Nachthemd und alte Schlabberhosen zu Tage. Eine ziemlich wilde Mischung, aber andere Sachen würden Luigi unmöglich passen. Cookie drückte ihm alles in die Hand.
„Geh ins Bad, trockne dich ab und zieh die frischen Sachen an. Ich kümmere mich derweil um einen heißen Tee und um Eintopf aus der Küche.“
Der kleine Bruder sah noch immer verlegen zu Boden, trollte sich aber gehorsam.
„O... Okay“, gab er nach. Bevor er jedoch die Tür hinter sich schließen konnte, fischte Cookie ihm die tropfende Mütze vom Kopf.
Die wollte sie über den Ofen hängen. Zögernd drehte sie Luigis Markenzeichen in der Hand, irgendwie war sie merkwürdig schwer. Es dauerte nicht lange, bis der Held wieder aus dem Badezimmer kam. Seine Haare waren gründlich zerzaust, aber immerhin trocken. Das Shirt schmeichelte ihm nicht sonderlich und die dazugehörigen Hosen waren viel zu kurz. Aber immerhin die weichen Socken passten einigermaßen. Trotzdem rieb sich Luigi verlegen den Nacken und lächelte scheu.
Cookie hockte schon selbst mit Kuschelsocken und warmer Decke auf dem Sofa, nippte an einer dampfenden Tasse und nickte Luigi auffordernd zu. Auch für ihn lag schon eine Decke bereit und in einer Schüssel dampfte ein deftiger Eintopf. In einer grünen Schüssel.
Luigi setzte sich neben den Lockenkopf, wickelte sich schaudernd in die schön warme Decke und griff hungrig nach der Mahlzeit. Die Palastköche waren Künstler und hatten noch nie etwas zubereitet, das nicht mindestens wunderbar schmeckte. Bald fühlte der kleine Bruder sich sehr viel besser. Der Eintopf wärmte von Innen, die Decke von außen und das Feuer im Ofen knisterte freundlich. Und er war in einer Gesellschaft, in der er sich immer wohl fühlte. Zufrieden streckte der Held sich etwas mehr aus, spielte aber doch nervös mit den eigenen Fingern, als er Cookies Blick auffing. Sie hatte die ganze Zeit nichts gesagt.
„W... weißt du, Cookie“, begann er zögernd und schluckte, „Ich wollte gar nicht spazieren gehen, ich habe nur den Haustürschlüssel verlegt und komm nicht mehr rein.“
Endlich war es heraus und er konnte jetzt nur noch hoffen, dass Cookie nicht böse darüber war, so angeschwindelt worden zu sein. Schließlich wollte der kleine Bruder viel lieber hier drin, als draußen im Regen warten, bis Mario nach Hause kam. Der Lockenkopf lachte nicht, das tat sie nie, sondern sah Luigi nur über ihre Tasse hinweg an.
„Ich weiß“, meinte sie sanft und überraschte Luigi damit mehr als mit allem, was sie sonst hätte sagen können.
„Woher das denn?“, platzte er heraus.
Cookie schob ihm über den Tisch hinweg einen kleinen Schlüsselring mit grünem Anhänger und einem Satz Schlüssel zu.
„Die habe ich in deiner Mütze gefunden, du stopfst da ja mal ganz gerne was drunter, wenn du in Eile bist.“
Der kleine Bruder klappte sprachlos den Mund auf und zu, seine Augen brannten und das Blut rauschte ihm durch die Ohren. Dann barg er das brennend rote Gesicht in den Händen, um es zu verstecken.
„Sag‘s nicht Mario“, wisperte er bittend.
Der Lockenkopf lachte sanft, legte ihm einen Arm um die Schultern und lehnte ihren Kopf an seinen.
„Versprochen.“ Dabei war Cookie sich sicher, dass Mario diese schusselige Seite von Luigi ebenso liebte, wie seine heldenhafte.