Einen Tag vor der heiligen Nacht hatte sich der Mantel einer frostigen Winterkälte über ganz Belletristica gelegt, die Nacht war von silbernen Wolken verhangen und diese entsendeten eine Heerschar kleiner Flocken, welche, wie durch Magie, die Welt in Weiß eindeckte. So war es auch im Biotopenreservat, jenem Zufluchtsort aller Lebewesen, im Süden von Origin. Hier hauste der Meisterbellologe, den man auch Felix nannte, und studierte die verschiedenen Lebewesen des Kontinents Belletristicas. Er war ein absonderlicher Kerl, von flauschigem Charakter, der wohl, mit einem gutmütigen Bären, am ehesten zu vergleichen war, auch wenn sein tiefster Kern der eines Drachen war.
Über die Jahre hatte der Meisterbellologe viel Zeit damit verwand, sein Biotopenhaus auszubauen. Ein Holzbau mit großen Fenstern, welche viel Licht nach innen ließen. Es besaß ein Giebeldach und war mit dunkelblauen Schieferziegeln gedeckt. Aus dem ein Schornstein und ein Erker ragte, welcher als Sternenwarte genutzt wurde. Umringt war das Haus von Grün, diverse Büsche, Bäume und ein ausufernder Kräutergarten hatte der Meisterbellologe angelegt. Ein kleiner Teich rundete das Gesamtbild des Gartens ab.
Das Haus war im Zentrum des, ebenfalls vom Meisterbellologen errichten Biotopenparks, einem weitläufigen Tierpark, der allen Tieren, Pflanzen, Pilzen, Fabelwesen, ... kurzum dem Leben, eine Heimat bot, gelegen. Hier studierte der Meister die Arten, pflegte sie, zog sie nach und wilderte sie in ihren natürlichen Lebensräumen wieder aus. Als Meisterbellologe, war er aber nicht nur ein Artenschützer, er war die Feder hinter der Systema Natura Belletristica. Dieses lebendige Buch, welches die endemischen Arten Belletristicas erfasste, war ein Lebenswerk und noch dazu ein sprichwörtliches Lebendiges Buch. Um dieses mit Kapiteln zu füllen, verbrachte der Meisterbellologe viel Zeit in seiner Bibliothek, welche mit wissenschaftlichen Journalen, Berichten und Unmengen Notizzetteln bis an die Decke zu gestapelt war. Wobei Bibliothek eine bevorzugte Bezeichnung des Hausbesitzers für das Wohnzimmer mit Kamin war. Es geschah nicht selten, dass der Meisterbellologe hier seine Stunden vom frühen Morgen über den Tag bis in die späte Nacht verbrachte.
Seit geraumer Zeit hatte sich der Hausstand im Biotopenhaus erweitert. Ursprünglich lebte der Meisterbellologe allein und war von lebenden Büchern und Forschungsergebnissen umringt. Eine kreative Assistentin namens B.e.l.l.a., ein neugieriges Schülerwesen und sein liebster Bro, welcher stets alle Brotchips fand, waren seither eingezogen, immer wieder besuchte ihn auch eine Katzenliebende Hexe. Diese Konstellation des Lebens hatte sich über viele Monate, nein; Jahre, im Biotopenhaus etabliert.
Doch im Jahr 2022, einem Jahr der Obsidian-Schildkröte, hatte der Meisterbellologe seine wohl bedeutsamste Entdeckung gemacht, keine neue Spezies, aber einen Zustand, den er bisher nur aus der Beobachtung kannte. Er fand die Liebe. Diese, in Gestalt einer Schönheit mit großem Herz, hatte sein Leben ganz schön auf den Kopf gestellt - aber nur im allerbesten Sinne. So verwundert es nicht, dass die quirlige Schönheit nicht nur sein Herz erobert hatte und dort Quartier bezog, sie bezog auch Quartier im Biotopenhaus. Ihr folgten ein kleiner Roter Panda namens Giggles und ein Sternenbeerendrache namens Kobacht, welche von Leegween und dem Felix, wie ihre Kinder behütet und aufgezogen wurden.
Wie üblich hatte der Meisterbellologe sich hinter seinem Schreibtisch geparkt und was vertieft in seine Studien. Die Arbeit an der Systema und den anderen lebendigen Büchern spannte ihn voll ein und da waren ja auch noch die anderen Projekte, wie ein Drachenbuch, eine Ausarbeitung über die Wiederansiedelung des Spix-Aras und so viele Projekte mehr, welche den Weg des Blauwals bedeuteten. Die Feder kratzte in fliehender Schrift über das Pergament. Auch in der Weihnachtszeit, nein gerade in der Weihnachtszeit, schien der Meisterbellologe noch viel mehr zu tun, als er es eh schon tat. Marv war über die Weihnachtsfeiertage zum Grauen berg aufgebrochen, das Schülerwesen verbrachte dort die besinnliche Zeit bei seinem Bro. Bella war mit all ihren Kostümen ebenfalls auf weihnachtlichen Besuchen und so war es dieser besinnlichen Tage ungemein ruhig im Hause Meisterbellologe.
Nina hatte im Wohnzimmer ebenfalls Platz genommen und beobachtete ihren Freund mit einer heißen Ingwer-Zitrone. Er hatte sich bereits vor Stunden aus dem Bett gestohlen und war zum Arbeiten heruntergekommen. Sie seufzte und nahm noch einen Schluck von ihrem Tee. Ihre Augen wanderten durch den Raum. Sie hatte gestern mit Giggles und Kobacht die Dekoration des Wohnzimmers erweitert. Überall fanden sich nun Lichterketten, Kränze und kleine Mini-Weihnachtsbäume. Aber etwas fehlte noch zu ihrem Glück.
"Du hast ganz recht, wir sollten uns noch einen richtigen Weihnachtsbaum besorgen."
"Ja, das wäre schön.", Nina stockte der Atem, "Moment mal, woher weißt du was ich gerade gedacht habe?!"
"Guten morgen.", grinste der Meisterbellologe.
"SCHAAAAAATZ.", Nina schaute streng
"Du hast geseufzt und meine Aufmerksamkeit erweckt, dann wanderte dein Blick durch den Raum und machte bei jedem Deko-Element halt, dass wir gestern platziert haben.
"Wir?"
"Ich habe den Weihnachtsstern an der Außenwand angebracht."
"Ach ja, das kann jetzt jeder behaupten", erwiderte Nina mit ausgestreckter Zunge.
"Jedenfalls verfolgte ich deinen Blick immer weiter, bis du am Fenster haltmachtest. Dir wird die Stelle aufgefallen sein, die ich bereits freigeräumt habe."
"Stimmt, da lagen einige Unterlagen."
"Alle eingearbeitet!", sagte der Meisterbellologe stolz, "Jedenfalls dachte ich mir, dass da ein richtiger Baum dir, ähm uns, viel Freude machen würde. Daher habe ich alles frei gemacht und ich freue mich, dass die Gehirnzelle, die wir uns teilen, denselben Gedankengang hatte."
"Du süßer Doofi.", Nina ging zu ihrem Schatz, um ihm einen Kuss zu geben.
Giggles und Kobacht kamen die Treppe herunter getapst.
"Hallo Mama und Papa!"
"Guten Morgen, ihr zwei! Lust, morgen einen Baum im Wald zu holen?"
"AU JA!", riefen die beiden.
"Dann ist es entschieden.", mit Feuereifer in der Stimme rief der Meisterbellologe aus: "Morgen holen wir uns einen Baum!"
Nina, Giggles und Kobacht freuten sich auf den Spaziergang im Wald.