„Kommen Sie, hier entlang“, bat der leichenblasse Mann Kommissar Sherman von der Mordkommission herein. Dabei zeigte er auf die unscheinbare Tür, die vom Verkaufsraum in die Backstube hinausführte.
Sherman folgte dem Mann. „Sie haben also den Leichnam entdeckt?“, fragte er ihn.
„Ja, das war ich“, antwortete dieser, immer noch blass im Gesicht. „Es war ein Schock, den Verstorbenen im Backofen sehen zu müssen. Der arme Kerl, wer macht denn so was?“ Die Aufregung ließ ihn schneller sprechen als normal, dass der Kommissar seine Not hatte, ihn zu verstehen.
„Beruhigen Sie sich. Sagen Sie mir erst einmal Ihren Namen. Dann reden wir in Ruhe weiter“, versuchte Sherman den ungebremsten Redefluss des Mannes abzublocken.
„Ich bin der Geselle in dieser Bäckerei. Mein Name ist Benson, Steve Benson“, stellte sich dieser nun endlich vor.
„Erzählen Sie mir, wie Sie den Toten entdeckt haben“, forderte Sherman ihn auf.
„Normalerweise ist montags immer der Meister als Erster in der Backstube. An den anderen Tagen komme ich früh zuerst und bereite alles zum Backen vor. Dabei schalte ich natürlich auch den Backofen an, damit dieser die nötige Gradzahl erreicht. Aber da Mister Baker am Wochenende mit seiner Frau wegfahren wollte, dachte ich mir am Sonntagabend, ich nehme ihm die Arbeit mal ab. Daher bin ich früh in die Backstube gegangen, ohne ihn vorher zu benachrichtigen. Ich kam gegen drei Uhr hier an und wunderte mich über die ungewöhnliche Wärme hier drinnen. Dann sah ich das Dilemma.“ Benson schüttelte sich, als er sich an das grausame Bild denken musste.
„… und Sie haben sogleich die Polizei gerufen?“, wollte der Kommissar wissen.
„Natürlich! Was sollte ich denn sonst tun? Da war nichts mehr zu machen. Der Typ war schon mausetot.“
„Haben Sie etwas angefasst oder verändert?“, fragte Sherman.
„Nein, niemals. Ich habe nur die Haustür aufgeschlossen, Licht gemacht, den Backofen ausgestellt und die Ofentür geöffnet. Alles andere ist so, wie ich es vorgefunden habe“, erklärte Mister Benson. „Wie käme ich dazu? Ich sah, dass nichts mehr zu machen war und ließ lieber die Finger davon. Ich wollte keine Spuren verwischen.“
„Gut, sehr gut“, murmelte Kommissar Sherman. „Sie können erst einmal gehen“, sagte er noch, nachdem er sich Namen und Wohnadresse des Zeugen, sowie dessen Aussage in seinem Notizblock vermerkt hatte.
Nachdem der Bäckergeselle gegangen war, wandte sich Kommissar Sherman dem Gerichtsmediziner zu, der schon seit einiger Zeit dabei war, die Leiche und den Tatort zu untersuchen.
„Der Mann ist definitiv tot gewesen, bevor er in den Backofen verbracht wurde“, erklärte Dr. Malcom Friday von Scotland Yard dem diensthabenden Kommissar. Der Pathologe hatte erste Untersuchungen vorgenommen, konnte aber vorerst nichts Ungewöhnliches entdecken.
Sherman schaute den Gerichtsmediziner nachdenklich an. „Sind Sie sich da sicher?“, fragte er dann.
„Ganz und gar“, erwiderte Friday. „Ich glaube kaum, dass sich der Tote freiwillig in den Backofen gelegt hat. Er ist mindestens betäubt, wenn nicht sogar schon vorher getötet worden. Letzteres ziehe ich als Prognose allerdings vor.“ Er drehte sich zum Leichnam und zeigte darauf. „Schauen Sie sich seine Statur an, jedenfalls von dem, was davon übrig ist. Ich habe nur eine Eindellung am hinteren Schädel entdeckt, die dort nicht hingehört. Das könnte von einem Sturz oder einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand herrühren. Die genaue Ursache muss ich noch erkunden. Außerdem…“, Friday schaute den Kommissar an. „Laut erster Aussage des Bäckers kann dieser Backofen bis 300 Grad erreichen. Der Geselle bestätigte mir dies bereits. Das genügt bei Weitem nicht, um einem Menschen innerhalb kurzer Zeit solche Verbrennungen zuzufügen. Er muss also lange Zeit der Hitze ausgesetzt worden sein. Beinahe alles Fleisch am Leib ist verbrannt. Einige kleine Knöchelchen und Knorpel sind gänzlich zerstört, aber ansonsten ist das Skelett noch vollständig. Es wurde bisher in der Backstube auch kein Blut gefunden. Was ich damit sagen will, ich bin mir sicher, der Mann wurde höchstwahrscheinlich nicht hier an Ort und Stelle getötet.“
„Mich wundert es nur, dass der Bäcker angeblich von allem nichts bemerkt hat. Seine Wohnung befindet sich gleich über der Backstube“, sinnierte Sherman. „Oder er lügt wie gedruckt und versucht, etwas zu vertuschen“, stellte er nach kurzer Überlegung fest. „Angeblich sei er über das Wochenende mit seiner Frau verreist gewesen. Der Geselle wusste davon. Ob Baker und seine Frau wirklich verreist waren, entzog sich seiner Kenntnis. Ich habe die Angaben der Zeugen noch nicht überprüfen können.“
„Sehen Sie, das sind nur meine ersten Feststellungen über die mögliche Todesursache“, sagte Friday. „Genauere Angaben kann ich erst nach der Autopsie machen. Die Körpertemperatur bringt mich hier nicht weiter. Fakt ist, der Gefundene ist tot, wann er zu Tode kam und wer ihn ums Leben gebracht hat, müssen wir herausfinden.“
„Ich hoffe, Sie können bei der Obduktion noch etwas mehr aufklären. Bei dem Wenigen, was von der Leiche übrig ist, sehe ich schwarz.“
„Lassen Sie das mal meine Sorge sein. Auch Skelette haben viel zu erzählen“, meinte Friday dazu.
„Wo ist eigentlich der Bäcker?“, fragte Sherman einen jungen Officer, der die ganze Zeit lang an der Tür gestanden hat. Der Mann war grün im Gesicht. Sherman grinste nur darüber.
„Sir, der Hausherr ist in seiner Wohnung“, erwiderte der Officer, bemüht, nicht auf den Leichnam zu starren. Das Grauen über die Tat stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben.
„Ich hoffe, er bleibt auch dort. Immerhin ist er ein Tatverdächtiger“, sagte Sherman.
„Officer Corns ist bei ihm“, bekam er als Antwort.
„Das ist gut“, entgegnete Sherman. Dann wandte er sich dem Gerichtsmediziner zu. „Die Leiche kann dann abtransportiert werden.“
Während die Spurensicherung ihre Arbeit in der Backstube beendete, begab sich Kommissar Sherman in die Wohnung des Bäckers. Der Mann saß zusammengesunken auf dem Sofa und schaute dem Kommissar mit glasig wirkenden Blick entgegen. Er wirkte eher ruhig als aufgeregt, oder er gab sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.
„Ich bin Kommissar Sherman und der leitende Ermittler in dieser Sache “, stellte sich der Kommissar vor. „Mister Baker, nehme ich an. Sie sind der Inhaber dieser Bäckerei?“
„Mein Name sagt wohl alles“, versuchte der Bäcker die Situation etwas aufzulockern. Sollte er aufgeregt sein, war ihm dies nicht anzumerken.
„Würden Sie mir bitte einige Fragen beantworten?“, wollte Sherman wissen. „Ich weiß, es ist etwas viel verlangt, nachdem Ihr Geselle die Leiche in Ihrem Backofen entdeckt hat. Aber je eher wir alles ermitteln können, desto besser.“
„Ja, warum nicht“, erwiderte Baker vollkommen emotionslos.
Sherman setzte sich an den Tisch, der mitten im Raum stand und zog sein Notizbuch hervor. „Officer Corns, Sie können gehen. Bleiben Sie aber in der Nähe“, sagte er noch zu dem an der Tür wartenden Beamten, ehe er die Befragung begann.
„Mister Baker“, fing Sherman an. „Wissen Sie, wann die Leiche entdeckt wurde und wer sie ist?“
„Heute Morgen, als ich in die Backstube kam, war mein Geselle bereits anwesend. Er hat den Toten entdeckt und die Polizei gerufen. Mein Geselle war gegen drei Uhr hier, sagte er mir.“ Baker sah den Kommissar an und sagte dann noch: „Ich dachte, mein Geselle sagte Ihnen das bereits.“
Sherman erkannte, die Aussage deckte sich mit der Bensons. „Ich muss Sie das trotzdem fragen“, erwiderte er dann. „Aber sprechen Sie weiter.“
„Normalerweise bin ich am Montag immer zuerst in der Backstube“, setzte Baker seine Rede fort. „Aber da meine Frau und ich verreist waren, wollte Mister Benson früh die Arbeit übernehmen. Er sagte mir vorher nicht Bescheid, sondern handelte einfach. Daher war ich ganz erstaunt, ihn bereits am Arbeitsplatz vorzufinden. Ich selbst war ein wenig spät dran, da ich den Wecker nicht gehört hatte. Es war schon nach halb vier, als ich eintraf. Mister Benson war ganz aufgelöst und stammelte etwas von einer Leiche im Backofen. Ich wusste erst gar nicht, was er meinte. Dann aber sah ich den Toten. Mir wurde speiübel von dem grauslichen Anblick.“
„Kennen Sie das Opfer?“ Der Bäcker verneinte die Frage.
„Haben Sie am Wochenende in der Backstube und im Laden nach dem Rechten geschaut?“
Mister Baker schüttelte den Kopf. „Nein, dieses Wochenende nicht“, sagte er dann. „Sonst tue ich das immer. Aber dieses Mal war ich am Wochenende mit meiner Frau in der Sommerfrische. Das Haus stand während dieser Zeit leer.“
„Eine Zugehfrau haben Sie nicht?“
„So etwas können wir uns nicht leisten. Meine Frau macht den Haushalt allein, ich kümmere mich um Hof und Garten“, gab Baker bekannt. „Nur in der Bäckerei haben wir eine Aushilfe, die zwei Tage in der Woche kommt und im Laden mit verkauft. Das ist meist dienstags und mittwochs.“ Der Mann nannte noch den Namen und die Wohnadresse der Frau, was Sherman sogleich mit vermerkte.
„War das Haus am Wochenende abgeschlossen?“
„Ich schließe immer alles ab, wenn ich außer Haus gehe“, antwortete Baker. „Wir sind diesbezüglich sehr eigen, seit hier einmal eingebrochen und der Laden verwüstet wurde. Wir kontrollieren sogar noch einmal genau, ob auch alles ordentlich verriegelt ist, wenn wir über einen längeren Zeitraum nicht zu Hause sind.“
„Wann haben Sie das Haus verlassen?“
Baker überlegte kurz. „Am Samstagmittag, gleich, nachdem wir den Laden geschlossen hatten. Meine Frau hatte bereits am Vortag die Koffer gepackt, sodass wir gleich losfahren konnten.“ Er zeigte auf ein paar Koffer, die neben dem Sofa standen.
„Sie sind wo gewesen?“
„Wir waren in Cornwall, in dem Hotel, in dem wir damals unsere Hochzeitsreise verbracht hatten. Sie müssen wissen, meine Frau und ich sind jetzt 20 Jahre verheiratet. Wir fanden es romantisch, uns auf diese Weise an den Beginn unserer Ehe zu erinnern.“
Sherman schaute den Mann an. Er bemerkte, irgendetwas stimmte hier nicht. Baker sah ihn beim Sprechen nicht direkt an. Jedes Mal wich er seinem Blick aus, so als hätte er etwas zu verbergen. „Gut, Mister Baker. Das war es erst einmal“, sagte Sherman nach einer Weile. „Bitte halten Sie sich zur Verfügung, falls es noch mehr Fragen geben sollte.“
Baker nickte nur. Sein Gesicht war noch blasser geworden, die Augen waren gerötet. Er wirkte übernächtigt. Der Kommissar sagte nichts dazu. Er machte sich nur noch einige Notizen, ehe er den Bäcker allein ließ.
„Ich weiß nicht. Baker versucht uns etwas zu verheimlichen“, sagte Sherman zu Malcom Friday, der in der Backstube eben seine letzten Utensilien zusammenpackte.
„Meinen Sie? Mir gegenüber machte er einen passablen Eindruck“, erwiderte der Gerichtsmediziner. „Mir fiel auch nichts Besonderes an diesem Mann auf. Ich will Ihnen da nicht zuvorkommen, Sie sind der Experte bei Verhören. Ich halte mich diesbezüglich an Ihre Erfahrungen. Fragen sie mich nach Obduktionen, da bin ich Ihr Mann. Aber so…“ Er zog die Schultern hoch und wackelte mit dem Kopf.
„Er verheimlicht uns etwas“, beharrte Sherman weiterhin auf seiner Meinung. „Ich habe ein Gespür dafür, wenn mich ein Verdächtiger anlügt. In Baker sehe ich den Hauptverdächtigen. Der Geselle dagegen ist eher harmlos.“
„Wenn Sie es meinen“, entgegnete Friday. „Ach ja, ehe ich es vergesse. Haben Sie Bakers Frau gesehen? Es wundert mich, dass wir sie bisher noch nicht zu Gesicht bekommen haben.“
Sherman drehte sich zu Friday um. Er wollte eben die Backstube verlassen, als Friday diese Frage stellte. „Gute Frage. Wie konnte ich nur vergessen, Baker nach seiner Ehefrau zu fragen. Oben habe ich sie nicht gesehen. Der Trubel im Haus kann ihr garantiert nicht verborgen geblieben sein. Ich werde gleich noch einmal nach oben gehen und nachschauen. Baker müsste noch in der Wohnung sein. Ich sagte ihm, er solle sich für weitere Ermittlungen bereithalten.“
„Ich fahre derweil in die Pathologie voraus und beginne mit der Autopsie. Der Leichnam müsste inzwischen dort angekommen sein“, sagte Friday und verließ den Laden.
Während der Gerichtsmediziner nach draußen ging, stieg Sherman nochmals die Treppen zur Wohnung des Bäckers hinauf. Vor der Tür zum Wohnzimmer blieb er stehen. Vorsichtig horchte er. Doch von drinnen war kein Laut zu hören. So klopfte er an die Tür und trat kurzerhand ein, ohne auf ein Herein zu warten. Falls der Mann doch etwas zu verbergen hatte, würde er ihn damit am ehesten ertappen können.
Die Wohnstube war leer. „Mister Baker“, rief der Kommissar, um sich bemerkbar zu machen. „Mister Baker, wo sind Sie?“ Er bekam jedoch keine Antwort. Aber dann hörte er ein Rascheln aus dem Nebenzimmer. Daher begab er sich zu der Tür zum Schlafraum und riss diese auf.
Erschrocken fuhr der Bäcker hoch und versuchte, eine große Decke über das Bett zu werfen. Am Boden lagen Unmengen von Plastiksäcken und ein Päckchen Kabelbinder. Gerade wollte der Kommissar den Mann fragen, wo seine Frau wäre, da entdeckte er die Konturen einer unbeweglichen Gestalt unter der Decke.
„Gehen Sie da weg!“, fuhr er Baker an und riss die Decke vom Bett. Jetzt bekam er eine Frau zu sehen. „Ist das Ihre Gattin?“, fragte er erstaunt. „Gerade wollte ich fragen, wo sie wäre. Das hat sich nun ja erledigt.“ Sherman trat noch näher heran. Die Frau auf dem Bett lag immer noch starr da. Die Augen hatte sie geöffnet und auch die Lippen waren leicht offen. Er fühlte den Puls am Hals, dann am Handgelenk. Doch es war nichts mehr zu spüren. Die Frau war tot.
„Antworten Sie endlich“, schrie Sherman den Bäcker an. „Wer ist diese Frau?“
„Das ist meine Ehefrau“, bekannte Baker schlotternd.
„Was haben Sie mit ihr getan? Sie ist tot!“
„Sie musste weg. Diese Hure! Jahrelang hat sie mich belogen und betrogen! Sie dachte wohl, das könne sie ewig tun. Aber nicht mit mir. Ich lasse mir doch keine Hörner aufsetzen!“, schrie Baker aufgebracht. Sein Gesicht rötete sich vor Wut.
„Wie meinen Sie das?“, wollte der Kommissar wissen.
„So, wie ich es sage!“, schrie Baker erneut. „Jahrelang hat sie mich mit diesem Typen da unten betrogen. Die Leute lachten schon über mich.“
„Der Tote war der Liebhaber Ihrer Frau?“, erkannte Sherman.
„Das war er! Sie hatten nichts anderes verdient als den Tod!“, gab der Bäckermeister zu. „Erst habe ich ihn um die Ecke gebracht. Eigentlich wollte ich es vertuschen und ihn über das Wochenende in meinem Backofen so weit verbrennen, dass nur noch Asche übrig war. Aber das hat nicht funktioniert. Meine Frau geht am Wochenende nie herunter in den Laden. Trotzdem bin ich vorsichtshalber mit ihr weggefahren. Daher war ich mir sicher, dass sie meine Tat nicht entdecken würde. Als ich aber gestern Abend nachschauen wollte, war er immer noch nicht gänzlich verbrannt. Nur mächtig angekokelt. Ich hatte die Temperatur wohl nicht hoch genug gestellt. Meine Alte hat es bemerkt, als sie mir unverhofft in die Backstube folgte. Sie machte mir Vorwürfe und drohte, mich der Polizei zu melden. Ich konnte nicht anders, als auch sie zu beseitigen.“ Schluchzend schlug er die Hände vor sein Gesicht.
„Wie haben Sie es getan?“, wollte Sherman wissen.
„Ha“, Baker lachte schallend. „Nichts leichter als das! Ich gab am Samstagvormittag vor, im Keller ein Leck an der Abwasserleitung zu haben. Der Kerl war Klempner, müssen Sie wissen und kannte sich mit so etwas aus. Ich habe ihn in eine Falle gelockt und ihm einfach mit einem Hammer den Schädel eingeschlagen. Das war vielleicht ein Kraftakt. Er wog eine gefühlte Tonne. Zum Glück spritzte nicht viel Blut umher. Unten im Keller habe ich dem Typen den Rest gegeben. Solange er bewusstlos war, habe ich ihn ausbluten lassen, ehe ich ihn in den Backofen geschoben habe. Der ist erst gar nicht wieder wach geworden.“ Bakers Gesicht verzog sich zu einer Fratze. „Das Blut konnte ich durch den Ausguss wegspülen. Nach Ladenschluss habe ich ihn den Backofen gehievt, während meine Frau sich im Bad für die Fahrt frisch machte. Danach sind wir losgefahren.“
Baker atmete schwer, als hätte er einen Marathon hinter sich. Dann sprach er weiter. Er war wohl froh, endlich seinen Frust loszuwerden.
„Wie ich bereits sagte, ist meine Frau dazu gekommen, als ich gestern Abend hier nachschaute, ob alles so funktioniert hat, wie ich es mir vorgestellt hatte. Sie schrie Zeter und Mordio, als sie ihren Liebhaber mausetot und angekokelt im Backofen liegen sah. So habe ich einfach kurzen Prozess gemacht und habe sie gewürgt, bis sie sich nicht mehr rührte. Sie hat sich anfangs ein wenig gewehrt, gegen mich hatte sie aber keine Chance. Dann schleppte ich sie hoch ins Schlafzimmer. Fragen sie mich nicht, warum ich sie gerade hierherbrachte. Es war mächtig dumm von mir. Der Keller wäre besser gewesen, um sie verschwinden zu lassen. Irgendwann hätte ich sie als vermisst gemeldet, wenn mein Geselle nicht dazwischengekommen und ich durch Sie nicht in Zeitnot geraten wäre.“ Der Bäckermeister sprach, als wäre es das normalste, zwei Menschen umzubringen.
„Ich nehme an, das Ganze ist am Samstagnachmittag geschehen“, fragte Sherman. „Sie sagten ja, am Samstagvormittag hätte ihre Gattin noch im Laden bedient.“
„Das ist nur halb richtig. Den Liebhaber habe ich am Samstagvormittag um die Ecke gebracht, während meine Frau nichtsahnend im Laden Kunden bedient hat. Meine Frau musste gestern Abend dran glauben“, gab Baker zu. „Es durfte ja kein Verdacht aufkommen. Die Leute hier im Ort sind es gewohnt, dass wir samstags am Vormittag noch offen haben. Wenn ich gewusst hätte, dass sie mir auf die Schliche kommt, hätte ich sie gleich am Samstag um die Ecke gebracht und hätte dann getan als ob…“ Er wollte weitererzählen, doch Sherman wehrte ab. Der Kommissar hatte genug gehört. „Heben Sie sich die Details für die weitere Vernehmung und den Richter auf. Kommen Sie, Sie sind verhaftet.“ Sherman nahm die Handschellen aus der Tasche und fesselte den Verdächtigen. Dann führte er den Mörder nach unten zum Polizeifahrzeug.
Das Polizeiaufgebot hatte bereits die ganze Nachbarschaft herbeigelockt. Staunend standen die Leute auf dem Gehsteig und beobachteten, wie der Bäckermeister abgeführt und in ein Polizeiauto verfrachtet wurde. Dabei tuschelten sie, was wohl geschehen sein könnte.
„Der Mörder ist nicht immer der Gärtner, sondern dieses Mal der Bäcker“, hörte Sherman den Gesellen zu den anderen Schaulustigen sagen. Er jedoch sagte nichts dazu, sondern nahm neben dem Hauptverdächtigen im Auto Platz, um ihn ins Kommissariat zu begleiten.
© Milly B. / 05.05.2020