Stille im Zimmer, unheimliche Stille, die fast schon Angst machen könnte. Die beiden Personen, ein Mann und eine Frau, die sich da gegenübersitzen und sich mit finsteren Mienen anschauen, sprechen kein Wort miteinander. Sie starren sich nur an. Aus ihren Augen blitzt purer Hass auf den jeweils anderen.
Beide versuchten immerhin, sich zusammenzureißen, sich ja nichts anmerken zu lassen, was in einem vor sich geht. Es war beinahe so, als würde es niemand wagen, etwas zu sagen. Keiner wollte freiwillig diese unheimliche Ruhe unterbrechen. Doch es brodelte unter der Oberfläche des Mannes, unter der der Frau sogar noch weitaus mehr. Man meinte es regelrecht zu spüren, wie scheinbar kleine Eruptionen in ihnen stattfinden und wie Vulkane versuchen auszubrechen. Doch noch war die heiße Lava des Hasses nicht bereit, den Krater aufzubrechen und herauszuschießen. Sie war aber kurz davor, es zu tun.
Angely konnte es immer noch nicht fassen, was sie eben von ihrem Freund Mark erfahren hatte. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, so als würde sie die gehörten Worte wie lästigen, unnützen Ballast abschütteln wollen. Dabei dachte sie stets, sie wäre doch Marks große Liebe. Er schwor ihr, sie auf Händen zu tragen und sie zu seiner Frau zu machen. Und nun das! Krampfhaft versuchte Angely, die Fassung zu wahren. Es fiel ihr schwer, ruhig zu bleiben. Doch nach solch einer grausamen Eröffnung wollte sie sich nicht die Blöße geben, die Nerven zu verlieren und ihm eine Szene zu machen. Nein, diesen Triumph wollte die verstört wirkende Frau ihm nicht gönnen. Ein wenig Stolz in ihr war doch zurückgeblieben. Noch war sie nicht gebrochen.
Sie wollte ihm so viele Fragen stellen, nach dem Warum und Wieso. Allerdings war ihre Kehle wie zugeschnürt, ihr Mund war trocken, so als hätte sie schon tagelang nichts getrunken. Angely griff nach dem Glas mit Wasser, das auf dem Tisch stand und trank gierig dessen Inhalt. Sie trank so hastig, dass ihr die Flüssigkeit aus dem Mundwinkel tropfte und in winzigen Bächen am Hals hinunter rann. Eine feuchte Spur blieb auf ihrer Haut zurück, das Wasser sammelte sich auf an seinen Weg zwischen ihren Brüsten hindurch.
„Scheiße“, schrie Angely für Mark unverhofft auf. Sie schleuderte das geleerte Glas mit voller Wucht und Wut in seine Richtung. „Weshalb machst du das mit mir? Es ist so ungerecht! Wieso bist du so grausam mit mir? Ich dachte immer, du liebst mich, so wie ich dich liebe!“
„Bist du verrückt geworden, was wirfst du hier mit dem Glas“, brüllte Mark zurück und sprang erschrocken auf. Er konnte dem fliegenden Gefäß gerade noch ausweichen, sonst wäre er getroffen worden. „Nein, ich liebe dich nicht! Ich habe dich nie geliebt! So, nun weißt du es!“
„Warum!“, stieß Angely gepresst heraus. „Warum? Warum? Warum?“, immer wieder wiederholte sie die Frage. Nun kamen doch die Tränen, die sie eigentlich unterdrücken wollte. Wie Sturzbäche flossen sie über ihre Wangen.
Mark allerdings reagierte nicht auf Angelys Ausbruch. Er wirkte wie ein Eisblock, schien sich überdies sehr sicher zu sein, sie nicht mehr zu wollen, sie zu verlassen. Nochmals eröffnete er ihr, sie nie geliebt zu haben. Ja, er hätte sie nur benutzt, um mit ihr Spaß zu haben. Er hätte dabei nur an sich gedacht, ihre Liebe zu ihm sei ihm egal gewesen. Und nun habe er vor, sich einer anderen zuzuwenden, da er ihrer überdrüssig geworden wäre und ganz einfach ein anderes Spielzeug bräuchte. Ist er wirklich so ein Monster, das er angab, zu sein?
Marks Worte drangen wie spitze Pfeile auf sie ein und verletzten sie, seelisch, aber auch moralisch. War Angely wirklich zu blind vor Liebe, um Marks Verrat an ihr nicht gespürt zu haben. Vor gar nicht allzu langer Zeit verliebte sie sich Hals über Kopf in Mark, den smarten Gentleman, der ihr den Hof machte und sie mit seinem Charme überrollte. Sie wollte ihm gehören, sie begehrte ihn, mit Haut und Haaren. Dabei achtete sie nicht auf die vielen kleinen Dinge, die sie hätte wahrnehmen müssen. Sie hätte es bemerken müssen, dass er es nicht ernst mit ihr meinte, sondern nur mit ihr und ihren Gefühlen spielte. Bei Angelys blindem Vertrauen hatte er leichtes Spiel mit ihr.
Auch das Getuschel der Leute, ihrer Freunde, er wäre ein unverbesserlicher Schürzenjäger, hielt sie für unwahr. Dabei liebte sie ihn doch so sehr, ihn, die Liebe ihres Lebens, wie sie innerlich dachte. Und nun? Nun war alles zerbrochen, aus und vorbei. Schluchzend warf Angely sich in die Sofaecke.
„Wie kann er nur?“, stammelte sie leise vor sich hin, in der Hoffnung, Mark würde sie erhören und sagen, er hätte alles nicht so gemeint, alles wäre gut.
Doch Mark konnte es nicht mehr hören. „Sieh dich doch an“, sagte er nur giftig zu ihr. „Meine Sachen hole ich in den nächsten Tagen ab. Den Wohnungsschlüssel lege ich dir dann her, wenn ich alles abgeholt habe. Danach sehen wir uns nie wieder. Am besten wird es wohl sein, ich rufe vorher an. Da kannst du weggehen, bevor ich komme. So müssen wir uns nicht noch einmal begegnen“, sprach er monoton weiter zu Angely, so als wäre sie nur ein Stück totes Holz und keine Frau mit Gefühlen.
Wortlos schaute Angely ihm hinterher, als er aus ihrer Wohnung ging und die Tür hinter sich ins Schloss warf. Er sagte nicht einmal Auf Wiedersehen oder Leb wohl zu ihr. Zu sicher war er sich, endgültig einen Schlussstrich unter dieser Beziehung gezogen zu haben.
Wie geschockt blieb Angely allein zurück. Außer sich vor Zorn, aber auch todtraurig saß sie auf der Couch und weinte bittere Tränen. „Das hättest du wohl gerne, du Scheusal. Mich belügen und betrügen und dann mir aus dem Wege gehen wollen! Feigling, elendiger!“, rief sie zur Tür hinüber, die sich eben hinter Mark geschlossen hatte. Angely war sich sicher, sie würde ihm noch ein einziges Mal gegenüber treten und ihm sagen, was für ein Arschloch er ist.
Sie kuschelte sich in die Ecke, nahm das Kissen, das sie so liebte und drückte es an sich. Es roch noch nach Marks Aftershave. Sie schnupperte daran. Gierig sog sie den männlich, herben Duft ein. Erinnerungen kamen in ihr hoch. Erinnerungen, wie sie zusammen hier auf dem Sofa lagen, wie sie sich liebten, Spaß miteinander hatten. Ein wohliger Schauer durchzog die junge Frau. Es war ihr, als wäre es eben erst gewesen, dass sie sich hier vereinigten und die körperliche Liebe genossen. Mark war so ein guter Liebhaber, der es verstand, auf die Wünsche der Frauen einzugehen und diese zu erfüllen. Dabei kam er selbst nie zu kurz.
Ihr kam in den Sinn, welch sinnliche Wünsche sie oft hatte. Angely mochte es, zärtlich geliebt zu werden. Sie genoss es, wenn Mark mit seiner Liebeswurzel langsam in sie eindrang, sie nach und nach in Besitz nahm, dann stetig schneller und heftiger werdend, bis sie vor Lust stöhnte und schrie. Oft kam es vor, dass sie auf solchen Trips vollkommen die Beherrschung über sich verlor und nur noch ein zuckendes Bündel war, bestehend aus purer Lust und Begierde. Solche Momente kamen oft vor, so oft, dass sie sie schon gar nicht mehr zählen konnte. Und genau da liebte sie Mark mit jeder Faser ihres Körpers.
Der Sex mit Mark war wie eine Droge für Angely, nach der sie süchtig war, auf Gedeihen und Verderb ausgeliefert. Wie sie es ohne diese Genüsse aushalten sollte, konnte und wollte sie sich lieber gar nicht vorstellen. Es würde sicher die Hölle werden, das war ihr klar. Sie fühlte sich jetzt schon, kaum nachdem Mark gegangen war, einsam und verlassen.
Als Angely so in Erinnerungen schwelgte, kamen Gefühle in ihr hoch, die sie nicht unterdrücken konnte. Sie wünschte sich Mark herbei, damit er sie glücklich macht. Doch so sehr sie es sich auch danach sehnte und hoffte, er kam nicht zurück. Schon wollte sie zum Telefon greifen und ihn anrufen. Aber dann besann sie sich.
Nein, schimpfte sich Angely selbst aus. Ich werde nicht zu Kreuze kriechen und um ihn betteln. Ja, ich liebe ihn. Doch ich werde mich nicht zu seinem Spielzeug machen lassen, mit dem er machen kann, was er will.
So saß Angely allein mit ihren überschäumenden Gefühlen auf der Couch und überlegte, was sie nun tun sollte, um sich über diesen Kerl, der sie einfach verließ, hinweg zu trösten. Ausgehen und sich ablenken wäre jetzt wohl das Beste. Eventuell auch den einen oder anderen Drink zu sich nehmen und die Trauer betäuben. Wenn ein paar Drinks nicht ausreichten den Kummer zu verdrängen, ihn sogar im harten Alkohol ersäufen. So würde sie vielleicht auf andere Gedanken kommen.
Sie beschloss, erst einmal ins Bad zu gehen und die Spuren der Tränen zu beseitigen. Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihre Befürchtungen. Sie sah einfach grauslig aus mit ihren verheulten Augen. Außerdem waren sie vom Weinen geschwollen und rot unterlaufen,. Da half auch keine Schminke, kein Puder und auch keine dunkle Sonnenbrille. Ihre Frisur sah zudem aus, als hätte sie seit vielen Tagen keinen Kamm und keine Pflege mehr gesehen. Wirr und strubbelig standen die Haare von ihrem Kopf ab. Nein, so konnte sie auf keinen Fall das Haus verlassen. Angely entschied, sich als Erstes zu entspannen und zur Ruhe zu kommen. Was half da am besten? Ein heißes Bad mit viel duftenden Ölen, dabei bei Kerzenschein ein Glas Champager trinken – einfach so, damit sie sich wieder wohlfühlen und locker werden konnte. Ausgehen konnte man danach immer noch, die Nacht war ja noch lang.