Eigentlich war der knapp fünfzigjährige Leander nicht der Typ, der auf Mallorca als Urlaubsdomizil abfuhr. Für ihn bedeutete die Insel Stress und Unmengen von Touristen, die sich grölend am Ballermann amüsieren und Sangria aus Eimern saufen. Auch die für ihn unpassend angezogenen Menschen waren ihm ein Dorn im Auge. Bermudashorts und Füße in Sandalen und weißen Socken, womöglich auch noch ohne Shirt, waren nichts für ihn, auch nicht im Urlaub. Da liebte er seinen sich selbst auferlegten Dresscode viel zu sehr. Leger und locker, aber edel und doch nicht zu protzig.
Früher, als er noch jünger war, da war Remmidemmi was für ihn, aber nicht mehr jetzt, wo er schon in einem etwas gesetzterem Alter war. Mit knapp fünfzig gehörte man noch nicht zum alten Eisen. Er wollte in der schönsten Zeit des Jahres doch lieber seine Ruhe haben, die Seele baumeln lassen und möglichst abgeschieden die paar Urlaubswochen genießen, um sich vom beruflichen Stress als Immobilienmakler zu erholen.
Leander war auch nie die Person, die sich über Frauen einen besonderen Kopf machte. Klar, Frauen gehörten für ihn zum Leben genau so dazu wie Arbeit, mehr aber auch nicht. Der Sex mit einer Frau war eher eine Nebensache, die schön war und die er am liebsten jeden Tag hätte. Nur fest binden wollte er sich nicht. Welche Frau mochte es schon, wenn ihr Liebster mehr mit dem Job verheiratet war als mit ihr. Ja, er war ein Workaholic, das gab er gerne zu. Nichts ging ihm über seine Arbeit, die für ihn an vorderster Stelle stand. Da störte eine Frau nur. Einige seiner Freunde tuschelten schon hinter vorgehaltener Hand, er wäre schwul. Doch das war Leander nicht, er war der Hetero in Person.
Vor kurzem trat ein Kunde mit einem Auftrag an ihn heran. Er suchte in Mallorca eine kleine Finca. Nicht in direkter Nähe der Touristenhochburgen, eher ein wenig abgelegen, in ruhiger Lage sozusagen. Geld spielte keine Rolle. So hatte Leander freie Hand bei der Suche. Er machte sich mit Feuereifer an die Arbeit und sah schon die Euros klingeln, die sein Bankkonto füllten. Nach einiger Zeit der Suche fand er ein Anwesen, das ihn nicht zur Ruhe kommen lassen wollte.
Seit Leander vor ein paar Tagen im Internet das Foto der kleinen Finca entdeckt hatte, war er wie ausgewechselt. Die Insel zog ihn wie magisch an, natürlich inclusive des Anwesens am Meer. Er musste die Finca unbedingt für sich haben. Sie lag ein wenig abgelegen, trotzdem direkt am Meer mit einem wunderbaren Blick über eine kleine Bucht, die vom offenen Meer her befahrbar war. Sandstrand sah er keinen, doch das interessierte ihn weniger. Das Haus selbst und die Lage faszinierten ihn ungemein.
Vom Gedanken wie verhext, machte sich Leander auf die Suche. Stundenlang surfte er im Internet, um die derzeitigen Besitzer des Anwesens ausfindig zu machen. Doch leider, kein Erfolg. Jede seiner Suchen lief ins Nichts. Es war, als würde eine Art unsichtbar machende Glocke über dem Anwesen hängen, um es vor den Augen neugieriger Betrachter zu verbergen. Unbedingt musste er erfahren, wer der Besitzer des Grundstückes war. Eher würde er keine Ruhe geben.
„Das kann es doch nicht geben!“, schimpfte Leander lauthals. Am liebsten würde er vor Wut sein Notebook an die Wand werfen. „Was ist da nur dran, dass man rein gar nichts darüber findet. Irgendwem muss das verflixte Anwesen doch gehören.“
Unruhig wie ein eingesperrtes Tier lief er in seinem Wohnzimmer, das man eigentlich schon als Saal bezeichnen konnte, hin und her. Genervt dachte er nach, wie er am besten an die Daten käme, ohne jemanden auf den Schlips zu treten. Sollte er seine Kontakte, die er hatte, nutzen? Doch dann besann er sich und versuchte, seinen Zorn in ruhigere Bahnen zu lenken. So cholerisch, wie er seit dem Fund des Bildes war, war er noch niemals. Das konnte nicht so weitergehen.
Sein Laptop lag immer noch, zum Glück heil und betriebsbereit, auf dem Tisch und wartete darauf, benutzt zu werden. Leander klappte ihn wieder auf und suchte sich das Bild mit der Finca erneut heraus. Wie gebannt starrte er darauf. Er erblickte ein zweistöckiges weißes Haus, mit einem Spitzdach überdachten Balkon, der von großen viereckigen Säulen gestützt, den Zugang zur Terrasse des Hauses vor dem Unbill des Wetters schützte. Auf der großen Terrasse standen Liegen, die zum Verweilen einluden und sogar eine riesige Liegewiese war vorhanden. Leanders Gedanken schlugen Purzelbäume bei dem Gedanken, was man darauf alles anstellen könnte. Er sah vor seinem geistigen Auge, wie sich dort eine nackte Schönheit rekelte und nicht mit ihren Reizen geizte. Die Reize waren nur für ihn alleine bestimmt. Leander spürte bereits, wie sich sein Schwanz bemerkbar machte. Leicht klopfte er gegen seine Hose und beulte sie aus. Leander aber ignorierte es einfach, er hatte etwas anderes zu tun, als sich um sein aufmüpfiges Anhängsel zu kümmern.
Der größte Clou des Anwesens war der riesige, fast dreieckige Pool mit himmelblauem Wasser. Eine leichte Brise ließ das Wasser kleine Wellen schlagen. Für was man direkt am Meer einen Pool brauchte, konnte sich Leander nicht vorstellen. Das Meer glitzerte genau so einladend wie das Wasser im Pool selbst. Er sah sich schon darinnen schwimmen, an seiner Seite eine sexy Frau, die er gleich im Pool nahm und mit seinem Freudenbringer beglückte.
„Schon wieder“, schimpfte Leander mit sich selbst. „Immer wenn ich an das Haus denke, schwirrt mir Sex im Kopf herum.“ Er konnte es nicht verstehen, warum er so reagierte. Bisher war er immer ein kühler Typ, der sich zwar aus Frauen etwas machte, aber nicht unbedingt darauf aus war, eine auf die Laken zu ziehen und mit ihr geile Dinge zu tun. Wenn sich was ergab, dann war das gut, wenn nicht, dann auch. Er hatte zwar schon Freundinnen, auch längere Beziehungen, doch die meisten waren nur auf sein Geld aus, das er als Immobilienmakler verdiente. Darauf konnte er gut verzichten. Was für´s Herz, ja das wäre etwas, aber nicht so. Da blieb er lieber allein und genoss sein Leben als Single.
Das Haus, das Leander in den Bann gezogen hatte, lag etwas erhöht an einer Bucht. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht drängten sich Häuser in die engen Klippen. Jeder wollte wohl einen Platz an der Sonne haben, so wie Leander. Er suchte weiter. Doch außer dem Ort, an dem die Finca stand, fand er nichts.
„Bin ich dumm“, sagte Leander zu sich selbst und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Warum fliege ich nicht gleich dorthin und suche vor Ort. Das wird bestimmt einfacher als die Internetrecherche. Vor Ort wäre die Lage garantiert leichter auszukundschaften. Cala Mesquida hieß der Ort, an dem er suchen musste. Laut Karte nicht sehr weit entfernt von Palma, irgendwo im Hinterland der Insel, aber direkt am Meer. Es gab dort zwar auch Touristen, aber nicht so viele wie in den Hochburgen der Insel.
Gesagt, getan. Schon für den nächsten Tag fand Leander einen Flug nach Palma de Mallorca, First Class, versteht sich. Man gönnt sich ja sonst nichts. Über Geld redete er nicht, man hatte es, oder hatte es nicht. Er zählte zu denjenigen, die es hatten…