Ankunft am Flughafen Palma de Mallorca am nächsten Tag gegen Mittag. Als Leander das gut temperierte Flughafengebäude verließ, schlug ihm heiße, flimmernde Luft entgegen. Um die Mittagszeit stand die Sonne hoch am Zenit und brannte unbarmherzig auf den Ankömmling nieder. Leander begann sofort zu schwitzen. Wie Wasserfälle lief ihm der Schweiß ins Gesicht. Er freute sich schon auf den klimatisierten Wagen, den er bei der Autovermietung per Internet gebucht hatte. Eigentlich war jetzt Siesta-Zeit, doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Er musste unbedingt seine Pläne verfolgen, an den Besitzer der Finca heranzukommen.
In einer Hand sein weniges Gepäck, in der anderen eine Landkarte, wartete Leander vor dem Ausgang auf die Ankunft des Fahrers der Autovermietung. Gleich bei der Buchung hatte er mit dem Vermieter ausgemacht, dass die Übergabe des Wagens vor dem Flughafengebäude stattfinden sollte. Trotz des recht ruhigen Fluges war Leander angespannt und müde. Er wollte erst nur sein Quartier aufsuchen und seine nächsten Schritte überlegen. Dass der Fahrer der Autovermietung nicht wie vereinbart vor Ort war, ärgerte ihn mächtig.
„Dass die Spanier immer zu spät kommen müssen“, grollte Leander und blickte sich um. Er wusste vom freizügigen Zeitgefühl der Südländer, regte sich deswegen aber trotzdem immer wieder auf. Für ihn als Geschäftsmann war Pünktlichkeit das A und O. Nicht auszumachen, wenn er zu Besichtigungsterminen ständig zu spät kommen würde. Sein Name als Immobilienmakler wäre gleich geschädigt und die Kunden würden ausbleiben.
Leander sah sich wieder um. Doch noch kein Fahrzeug mit der Aufschrift „Rent a car de Mallorque“ war in Sicht. So suchte er sich ein halbwegs schattiges Plätzchen, um dort die Wartezeit zu überbrücken.
Endlich, nach gefühlter unendlicher Wartezeit, fuhr der Wagen vor und parkte direkt vor ihm. Ein braun gebrannter junger Mann stieg aus.
„Herr Leander Sinclair?“, sprach ihn der Mann auf spanisch an.
„Ja, der bin ich. Sie sind von der Autovermietung?“, antwortete Leander gefrustet, ebenfalls in einem akzentfreien spanisch. „Sie sind viel zu spät. Ich hatte um 13 Uhr ausgemacht, jetzt ist es 13 Uhr 42“, schimpfte er noch und nahm den Schlüssel des Autos in Empfang. „Ich hoffe, am Wagen ist alles in Ordnung. Nicht, dass mir hier eine Schrottkarre aufgehalst wird, wie das hierzulande immer wieder versucht wird. Ich zahle nicht für Schrottkarren.“ Leander wusste nur zu gut Bescheid über die Machenschaften von Autovermietungen an stark frequentierten Urlaubsorten. Autos, die mehr Schrott als fahrtüchtig waren, wurden an Touristen vermietet. Den allzu naiven Mietern wurde bei der Rückgabe zudem noch jeder Kratzer an der halb durchgerosteten Karosserie zusätzlich in Rechnung gestellt.
„Nein, nein, wo denken sie hin. Der Wagen ist tipptopp in Ordnung. Er war erst in der Werkstatt und wurde auf Herz und Nieren geprüft“, entgegnete der Fahrer. „Ich muss nun weiter, der nächste Kunde wartet. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt“, ging er einer weiteren Diskussion aus dem Weg. „Ach, hier noch eine Visitenkarte der Autovermietung, falls doch was sein sollte“, sagte der Fahrer, drückte Leander ein unscheinbares Kärtchen in die Hand und verschwand in der Menge der ankommenden Urlauber. Leander blickte ihm hinterher und konnte noch beobachten, wie der junge Mann in einen Bus einstieg und davon fuhr.
Mürrisch warf Leander sein Gepäck auf den Rücksitz des Autos und die Landkarte auf den Beifahrersitz. Dann klemmte er sich hinter das Lenkrad und startete den Wagen. Langsam reihte er sich in die Schlange der ausfahrenden Taxis ein. Schnell war die Innenstadt erreicht. Leander sah sich erst einmal um. Laut Landkarte musste er erst ins Landesinnere fahren. Nach kurzer Orientierung fuhr er weiter und erreichte binnen kurzer Zeit die Autobahn. Er hätte auch das eingebaute Navigationsgerät zur Orientierung benutzen können, doch wer weiß, ob dieses neumodische Ding richtig funktionierte.
Zügig fuhr Leander weiter. Die Landschaft interessierte ihn nicht besonders. Er kannte Mallorca und interessierte sich eher für das Landesinnere. Hier an der Küste war nichts, was sein Auge erfreuen könnte. Nicht mal auf die heißblütigen Spanierinnen war er scharf. Sich mit Spanierinnen einzulassen oder sogar noch zu heiraten, bedeutete, man musste die gesamte Familie mit heiraten. Auf so etwas konnte er gerne verzichten.
Vor Leander lagen noch etwa einhundert Kilometer bis Cala Mesquida. Der Weg über Manacona war zwar kürzer, aber viel befahrener. Daher entschied er sich, die Route über Santa Maria del Cami , Inca, Petra und Artá zu nehmen. Dass er genau in der Haupturlaubszeit der Deutschen nach Mallorca kam, hatte Leander total übersehen. Daher war auch auf dieser Strecke mehr Verkehr als normal. Trotzdem kam er recht zügig voran.
Aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h auf der Autobahn erreichte Leander die kleine Stadt am anderen Ende Mallorcas am späten Nachmittag. Die Sonne brannte nicht mehr so gnadenlos wie um die Mittagszeit, doch sehr warm war es trotzdem immer noch. Spanien war nun mal ein Land, in dem es im Sommer sehr heiß werden konnte.
Cala Mesquida war keine Touristenhochburg, aber dennoch bei Insidern recht beliebt. Das die Stadt umgebende Naturschutzgebiet zog viele Besucher an, die natürlich auch eine Übernachtung benötigten. Gerade in der Saison war es schwierig, ohne vorherige Buchung, ein freies Zimmer zu ergattern. Doch Leander hatte Glück bei seiner Suche. Von Deutschland aus konnte er ein kleines, recht spartanisch eingerichtetes Zimmer ergattern. Das störte ihn wenig, denn die meiste Zeit des Tages würde er unterwegs sein.
Die Wirtin der Pension zeigte ihm die Örtlichkeit und schwatzte ohne Punkt und Komma auf ihn ein. Leander hatte zwar keinen Nerv, ihr zuzuhören, doch die Höflichkeit gebot es ihm, sie ausreden zu lassen. Ihm wurde der Frühstücksraum gezeigt. Danach ging es endlich auf sein Zimmer. Die Wirtin wollte sein Gepäck hinauftragen, doch Leander wehrte ab. Er könne doch eine Dame nicht seinen Koffer tragen lassen, raspelte er Süßholz, worauf die Frau zart errötete. Es sah ganz niedlich aus, wie ihre Wangen begannen, zu glühen. Leander tat so, als würde er nichts bemerken.
Sofort nachdem die Wirtin ihn verlassen hatte, betrat Leander den kleinen Balkon und schaute über die Bucht. Er holte sein Fernglas, das er mitgebracht hatte und suchte das gegenüberliegende Ufer ab.
„Das gibt es doch nicht! Was für ein Glück“, rief Leander erfreut aus, als er erkannte, was er im Fernglas erblickte. Ihm bot sich freie Sicht über die Bucht, auf die Finca, deren Eigentümer er suchte. Am liebsten hätte er einen Freudentanz gemacht, doch er ließ es lieber, um die Wirtin nicht wieder anzulocken.
Neugierig wie Leander war, nahm er erneut sein Fernglas zur Hand und blickte hinüber zum Ziel seiner Begierde. Die Finca schien leer zu stehen. Die Fenster waren alle geschlossen, die Rollläden unten. Gerade wollte er sich enttäuscht abwenden, da sah er, dass er sich wohl getäuscht hatte.
Was war das? War doch jemand im Haus? Leander stellte sein Fernglas noch ein wenig schärfer ein und schaute genauer hin. Ja, genau… da trat eine Frau in einem knappen Bikini aus dem Haus auf die Terrasse. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass die Tür unten offen gestanden hatte.
Gebannt starrte Leander durchs Fernglas. Er kam sich vor wie ein Spanner, fand es aber sehr aufregend.
Die Frau ging zu einer der Liegen und nahm dort Platz. Es schien so, als wäre sie sich recht sicher, nicht beobachtet werden zu können. Dass sie es doch wurde, konnte sie ja nicht ahnen, woher auch. Um Personen am gegenüberliegenden Ufer erkennen zu können, benötigte man ein Fernglas oder Adleraugen. Und beides hatte sie nicht zur Hand.
Flugs entledigte sich die Frau ihres Oberteils und des Höschens. Leander mochte gar nicht mehr hinschauen, so regte dies seine Fantasie an. So riss er sich von diesem Anblick los, um seine weiteren Schritte zu überlegen, für die er einen klaren Kopf benötigte…