Crazy Mama hatte Susi mit zu einer Hochzeit genommen, die in der Nähe der Lodge stattfand. Endlich bekam sie Gelegenheit genug Informationen für ihren Bericht zu sammeln.
Jörg, der in der Lodge geblieben war, erwartete Susi schon gespannt von dieser Hochzeit zurück.
„Na, wie war es“, war seine erste Begrüßung, als sie spät am Abend in ihr Zimmer kam.
„Es war recht beeindruckend“, musste Susi schon zugeben. „Wenn Crazy Mama mich auch ein wenig zum Nachdenken brachte“, plapperte sie weiter. Irgendwie war sie zu aufgeregt von dem Erlebten, als es ihrem Jörg verheimlichen zu können.
„Sag schon und lass mich nicht dumm sterben“, frotzelte Jörg. Er kannte Susi halt gut genug, um zu wissen, wie sehr sie neue Erlebnisse in Aufruhr bringen können.
„Sie meinte, ich wäre nicht alleine, wenn ich die Lodge wieder verlasse“, gab Susi dann aber das preis, was sie erfuhr, mit dieser Hochzeit aber nichts zu tun hatte. „Nun ja, sicher bin ich nicht alleine, ich habe ja dich.“
„Hm“, sagte Jörg nur. „Wer weiß, was diese Hexe wirklich meinte.“
„Sie sagte noch, es hätte nichts mit dir zu tun. Es wäre etwas, was mich alleine betrifft. Ich wäre, wenn es zurück nach Hause geht, mit mir nicht mehr alleine“, fuhr sie fort, „irgendwie sehr mysteriös und rätselhaft.“
„Das könnte doch bedeuten, dass du schwanger sein könntest, wenn wir nach Hause fliegen“, deutete Jörg Crazy Mamas Worte. „Aber rein rechnerisch wäre das nicht möglich. Du bist heute am dritten Tag deines Zyklus. Dann wärst du in etwa 10 Tagen empfängnisbereit. Doch da sind wir bereits wieder im Fotopark in Italien.“
„Hm“, sagte nun auch Susi nachdenklich. „Du hast recht, rein rechnerisch wäre es nicht möglich.“
Sie überlegten noch einige Zeit hin und her, ohne auf ein akzeptables Ergebnis zu kommen.
„Gehen wir ins Bett“, schlug Susi etwas später vor. „Ich bin echt kaputt heute.“
„Auch keine Lust auf was Bestimmtes?“, fragte Jörg.
Sie verdrehte die Augen. „Dass ihr Männer immer nur an das eine denken müssen! Nun ab in die Koje mit uns, ich bin müde“, drängelte sie.
***
Am nächsten Morgen saßen sie unten in der Lounge beim Frühstück. Einige andere Gäste, die in der letzten Nacht von einer Safari zurückgekommen waren, saßen mit am Tisch. Sie unterhielten sich angeregt. Unter anderem erzählte Susi auch von ihrem gestrigen Erlebnis.
Sie waren fast am Ende des Frühstücks, als Ismael dazu kam. „Pele, da war ein Anruf von Mikel für dich“, sagte er zu Susi.
„Warum hast du mich nicht geholt? Vielleicht war es wichtig“, meckerte sie mit ihrem Bruder.
„Er wird gleich noch einmal anrufen“, beruhigte er sie. „Kommst du bitte gleich mit ins Büro, damit dein Boss nicht warten muss.“
Sie gingen beide dorthin. Kaum waren sie im Raum, da klingelte auch schon das Telefon.
„Marula Treetop Lodge, Ismael Radama am Apparat“, meldete sich Ismael, als er den Hörer abgenommen hatte. „Ach, Mikel, du schon wieder. Ja, Pele ist hier. Ich habe ihr eben gesagt, du hättest schon einmal angerufen und gleich einen Anranzer abbekommen, weil ich sie nicht geholt habe. Dabei hat sie noch so tief geschlafen.“
Gespannt hörte Susi dem Wortgeplänkel zu.
„Nun gib mir schon den Hörer“, drängelte sie Ismael, der ihr diesen auch gleich überließ.
„Ich gehe da mal nach draußen, da könnt ihr euch in Ruhe unterhalten“, hörte sie ihn noch sagen, ehe er die Tür von draußen zumachte.
„Hey, Mikel, schön, dass du anrufst“, sagte Susi in den Hörer. „Was gibt es Neues?“
„Neues wollte ich eigentlich von dir hören“, erwiderte er etwas atemlos. „Hast du schon Recherchen gemacht?“
„Ja, natürlich habe ich das. Ich werde hier ja nicht faul hier herumsitzen, sondern pflichtgemäß meinen Auftrag erledigen. Ich habe sogar etwas sehr Interessantes herausbekommen. Crazy Mama war mir da sehr behilflich“, antwortete sie.
„Crazy Mama? Was ist das denn für ein verrückter Name“, hörte sie Mikel am anderen Ende lachen. „Wer ist das überhaupt.“
„Ach, das ist eine lange Geschichte“, erklärte sie. „Crazy Mama wird auf alle Fälle in meiner Reportage aus Afrika vorkommen. Damit weißt du dann automatisch Bescheid.“
„Wie weit bist du mit dem Schreiben?“, wollte Mikel wissen.
„Ich will nachher meine Notizen durchgehen und mich dann an die Arbeit machen, die Reportage zu schreiben. Vielleicht kommt auch noch eine geile kleine Geschichte zusammen.“
„Okay, dann mach das mal. Wenn du fertig bist, schicke mir das bitte per E-Mail“, sagt Mikel. „Da kann ich das alles schon in der nächsten Ausgabe des Magazins bringen.“
„Mache ich“, antwortete sie. „Wenn du nichts mehr hast, dann setze ich mich jetzt mal an die Arbeit.“
Gerade wollte Susi Adieu sagen, als Mikel sie zurückhielt: „Pele, warte mal“, hörte sie ihn rufen.
„Was denn noch?“, tat sie ein wenig genervt. Ihr kribbelte es in den Fingern, das Erlebte endlich in Worte zu kleiden.
„Wann ist die Hochzeit von PH? In zwei Wochen?“, wollte er wissen.
„Ja, in zwei Wochen. Warum?“
„Ganz einfach. Ich hab jetzt keine weiteren Aufträge für dich, da könntest du doch noch bis kurz vor der Hochzeit bei deinem Bruder bleiben und dann mit ihm zur Hochzeit fliegen. Was hältst du davon?“, ließ Mikel die Bombe platzen.
„Und unsere Rückflugtickets? Ich denke, es ist schon alles gebucht?“, fragte Susi erstaunt.
„Das wird alles von hier aus erledigt“, antwortete Mikel.
„Wie komme ich denn zu der Ehre?“, wollte Susi wissen.
„Ach, nur so. Du hast mal wieder eine kleine Pause verdient. Und warum nicht das Nützliche mit Urlaub verbinden. Nun sag schon zu.“
„Okay, okay“, rief sie erfreut in den Hörer. Sie sah vor ihrem geistigen Auge Mikel erschrocken zurückspringen.
„Also bist du einverstanden?“, hakte er nochmals nach.
„Ja, bin ich“, erwiderte sie. „Mal sehen, was Jörg dazu sagt. Aber so wie ich weiß, hat er bis zur Hochzeit auch keine anderen Pläne. So kann er getrost auch mit hier bleiben. Vielleicht erfüllt sich dann ja auch die Prophezeiung.“
„Was für eine Prophezeiung?“, fragte Mikel sie.
„Ach, das ist eine lange Geschichte, die ich dir mal erzählen werde, wenn wir Zeit dazu haben. Aber nun will ich endlich an meine Arbeit gehen, damit du deinen Artikel bekommst.“
„Alles klar. Dann wünsche ich euch noch ein paar schöne Tage in der Lodge. Grüße Ismael und seine Frau von mir. Wir sehen uns dann auf der Hochzeit von PH“, sagte Mikel. Ehe Susi Auf Wiedersehen sagen konnte, hatte er auch schon aufgelegt.
Susi ging zurück zu den anderen in die Lounge. Jörg saß dort immer noch mit den anderen Gästen und unterhielt sich mit ihnen.
„Was wollte denn Mikel?“, fragte er Susi.
„Das erzähle ich dir, wenn wir in unserem Zimmer sind. Ich muss jetzt erst einmal beginnen, meine Reportage zu schreiben. Mikel hat es irgendwie eilig, den Text zu bekommen“, antwortete sie und wendete sich der Treppe zu.
„Ich komme mit“, rief Jörg hinter ihr her.
Sie gingen zusammen auf ihr Zimmer. „Nun erzähle schon“, drängelte Jörg neugierig.
„Mikel hat unseren Flug umgebucht. Wir fliegen erst einen Tag vor der Hochzeit in Innsbruck mit Ismael und Mebina zusammen zurück“, offenbarte Susi ihm.
„Wie kommen wir denn zu der Ehre?“, freute sich ihr Liebster. „Das ist ja prima. Ein paar ruhige Tage mehr mit dir. Was wir da alles anstellen können.“
„Tja, das möchte ich auch mal wissen, was in Mikel gefahren ist. Er meinte, er würde mir das erzählen, wenn wir uns zur Hochzeit treffen.“
Susi schaute auf ihre Uhr. Es war schon fast Mittag und immer noch hatte sie keine Zeile zu Papier gebracht. „Ich muss was tun“, murrte sie vor sich hin, „ wenn du noch irgendwas vorhast, dann tu das jetzt. Ich muss meine Reportage schreiben.“
„Okay, dann lasse ich dich mal alleine“, antwortete er, küsste sie kurz und verschwand nach draußen zu den anderen Gästen.
***
An den letzten Tag denkend, an dem Susi mit Crazy Mama die Hochzeit besucht hatte, saß sie am Tisch und versuchte, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Immer wieder schaute sie auf die Notizen. Ihre Finger klapperten unermüdlich auf die Tasten ihres Laptops. Nach und nach nahm ihr Geschreibsel Formen an. Sie sah wieder die junge Frau vor sich, wie sie stolz mit erhobenem Haupt, frisch entjungfert aus der Hütte getragen wurde. Welch Scham das für Susi wäre, so kurz nach dem Geschlechtsakt das Zeugnis der Jungfräulichkeit vorzeigen zu müssen. Aber für dieses Volk schien das ganz normal zu sein. Nach drei Stunden harter Arbeit klappte Susi ihren Laptop zu. Heute Abend würde sie den Text nochmals lesen, dann korrigieren und später per Mail an Mikel schicken. Mal sehen, was er dazu sagt.
***
Etwas später kam Jörg zurück. „Bist du schon fertig?“, fragte er Susi, als er sie so nachdenklich vor dem geschlossenen Laptop sitzen sah.
„Ja, ich bin fertig“, antwortete Susi. „Heute Abend will ich den Text nochmals lesen und dann an Mikel schicken. Was mir jedoch immer noch Gedanken macht, was könnte diese Crazy Mama mit ihrer Prophezeiung meinen? Das geht mir einfach nicht aus dem Kopf.“
„Ach, Liebling. Mache dir doch deshalb nicht so viele Gedanken. Du solltest es doch inzwischen wissen, diese afrikanischen Völker nehmen es mit Orakeln und solchem Kram sehr viel ernster als wir“, versuchte Jörg sie abzulenken. „Aber was hältst du davon, wenn wir dem Orakel ein wenig auf die Sprünge helfen und die Prophezeiung erfüllen?“
„Schön wäre es“, murrte Susi. „Ich blute immer noch, und das schon den dritten Tag. Wir sollten lieber noch ein wenig damit warten. Ich könnte dir allerdings ein wenig Abhilfe schaffen, falls es dir gewaltig drückt.“
Jörg grinste übers ganze Gesicht. Er schien von ihrem Vorschlag sehr eingenommen zu sein. Flugs hob er sie von ihrem Stuhl und trug sie ins Schlafzimmer. „Tue deine Pflicht“, spielte er den Hausherrn.
Und Susi tat ihre Pflicht, aber wie … Jörg konnte nur noch staunen über so viel Pflichtgefühl.
Drei Tage später
Heute war es endlich soweit. Susi blutete nicht mehr. Dafür war sie scharf wie Rettich und konnte es kaum noch erwarten, dass Jörg von seinem kurzen Ausflug mit Ismael zurückkam. Erwartungsvoll lag sie auf dem Bett, als er ihr Schlafzimmer betrat.
„Bist du krank?“, fragte er besorgt, als er Susi da liegen sah.
„Ja, liebeskrank“, gestand sie. „Komm her und mache es mir endlich so richtig. Ich kann es kaum erwarten“, sagte sie ihm gleich, was mit ihr los war.
„Ach“, grinste er. „Daher weht der Wind.“
„Red nicht so viel und komm“, drängelte sie nun ungeduldig.
Jörg war flugs aus seinen Klamotten und bei Susi im Bett. Auch er war ausgehungert. Es dauerte nicht lange und sie waren in einem wahren Liebestaumel. Susi fühlte sich wie auf Wolken. Als Jörg dann endlich in sie eindrang, schrie sie ihre Lust lauthals hinaus. Dass ihr Fenster offen war und alle es draußen hören können, interessierte die beiden in dem Moment gar nicht.
Später erzählte Crazy Mama, sie hätte zufällig unten gestanden und gehört, was Susi und Jörg da oben trieben. Dabei war ein Grinsen in ihrem Gesicht, das Bände sprach.
„Mädchen“, flüsterte sie Susi zu. „Die Prophezeiung ist wahr geworden. Du bist nicht mehr allein mit dir.“
Erstaunt sah Susi sie an. „Woher weißt du das?“, fragte sie sie.
„Ich weiß es halt. Ich habe vor meinem inneren Auge ein Baby gesehen, das du im Arm hältst. Es ist dein Baby, ein Junge, die Frucht aus Jörgs und deiner Liebe. Hege den Knaben wie einen Augapfel, versprich mir das. Wenn er irgendwann mal hierher kommen und ich noch leben sollte, werde ich ihm von der Prophezeiung erzählen, aus der er entstanden ist.“
Susis Herz klopfte heftig, als Crazy Mama diese Worte zu ihr sprach. Sie konnte es fast nicht glauben, dass sie jetzt schon sagen kann, dass ein kleiner Junge in ihr heranwächst.
Crazy Mama drückte Susi noch kurz und verschwand dann so schnell, wie sie gekommen war.
Etwas durcheinander ging Susi zu Mebina und erzählte ihr, was Crazy Mama ihr eben gesagt hatte.
„Wenn die so etwas erzählt, dann kannst du beruhigt dran glauben. Frag mich nicht, warum sie das weiß, sie weiß es halt“, beruhigte ihre Schwägerin sie. „Genieße noch die paar Tage, die ihr hier seid. Der echte Trubel geht erst in Innsbruck bei PHs Hochzeit wieder los.“
***
Die wenigen Tage, die ihnen bis zum Abflug nach Hause noch blieben, vergingen wie im Fluge. Jörg und Susi machten Ausflüge in die Umgebung. Dabei versuchten sie immer wieder Crazy Mama nochmals zu treffen. Sie schien jedoch wie vom Erdboden verschluckt. Erst als sie mit Ismael, Mebina und den Kindern in die kleine Maschine stiegen, die sie nach Nairobi bringen sollte, sah Susi sie am Rande der Landebahn stehen. Sie winkte ihr noch zum Abschied zu, ehe sie ins Flugzeug zu den anderen stieg.
Als die Maschine vom Boden abhob, warf Susi noch einen letzten Blick auf die Umgebung. Dieser Berg von Frau, Crazy Mama, stand immer noch an der Landebahn und winkte ihnen nach.
Mit Bedauern stellte Susi fest, dass sie Crazy Mama wohl vermissen werde. Auch dachte sie an die Prophezeiung, die sie gemacht hatte. Ob die wohl wahr werden würde? Susi wartete es einfach ab.