Isabella hing ihren Gedanken nach. Sie war sehr glücklich über die Tatsache, dass sich Ethan ihrem Bruder William angeschlossen hatte, um die Familie zu besuchen. Gleichermaßen freute sie sich, dass er sie gebeten hatte, ihren geliebten Schlitten halten zu dürfen.
Doch ebenso wie er ihr den Schmuck zurückgegeben hatte, würde er sie verlassen. Er würde gehen, ohne sich noch einmal nach ihr umzusehen. Sie wusste, dass sie ihm das nicht vorwerfen durfte.
Warum sollte er sich mit einer Frau wie ihr zufriedengeben, wenn er eine weltgewandte Schönheit aus London haben konnte?
Ethan hatte ihr Güte, Freundschaft und Respekt geboten. Sie tat ihm Unrecht, wenn sie das mit etwas anderem verwechselte. Nichtsdestotrotz konnte sie ihre Sehnsucht nicht unterdrücken. Als die anderen anfingen zu singen, stahl sich Isabella in dem Glauben davon, niemand würde ihr Verschwinden bemerken. Darin irrte sie.
Die Familie stimmte gerade ein drittes Weihnachtslied an, als Ethan auffiel, dass Isabella nicht mehr im Raum weilte. Da er annahm, sie sei in die Küche gegangen, um etwas zu holen, machte er sich zunächst keine Gedanken wegen ihres Fernbleibens. Alldieweil die Minuten verstrichen, ohne dass sie zurückkehrte, beschloss er, sich auf die Suche nach ihr zu begeben. Er lief die Treppe hinauf und stellte fest, dass ihre Zimmertür geschlossen war.
‚Ungewöhnlich‘, dachte er und klopfte.
Als niemand antwortete, klopfte er erneut.
„Isabella?“, rief er.
Nachdem es erst still blieb, drang kurz darauf Isabellas erstickte Stimme aus dem Raum zu ihm hinaus.
„Was gibt es?“
„Darf ich zu dir hineinkommen?“
„Wenn du möchtest. Die Tür ist nicht verschlossen“, fügte sie hinzu.
Ethan öffnete diese und trat ein.
Isabella saß auf der anderen Seite des Zimmers in einem Sessel. Trotzdem nur eine kleine Lampe auf der Kommode ihr spärliches Licht verbreitete, bemerkte er sofort, dass sie geweint haben musste. Er zog die Tür hinter sich zu.
Diesen Augenblick nutzte Isabella, um aufzustehen.
„Ist etwas nicht Ordnung?“
„Ich bin nicht gekommen, um dir zu sagen, dass es etwas zu tun gibt. Mir ist aufgefallen, dass du verschwunden warst. Ich würde gern den Grund dafür erfahren.“ Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Weshalb hast du geweint?“
„Es ist nichts“, murmelte sie und senkte ihren Kopf. „Überhaupt nichts. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was über mich gekommen ist. Du meine Güte…“
Sie schluchzte auf und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.
Ethan, dem kaum bewusst war, dass er den Raum durchquerte, stand plötzlich vor ihr und schloss sie in seine Arme. Er strich ihr sanft über das Haar und zog sie an sich.
„Weinst du, weil ich fortgehe?“
„Ja. Unter anderem. Es ist aber auch, weil Grandpa Beaumont Lodge verkaufen will. Ich weiß, ich sollte dankbar für das sein, was ich habe, aber ich kann nicht …“, brach sie ab, weil sie abermals von einer Tränenflut überwältigt wurde.
„Mein Schatz“, hauchte Ethan in ihr Haar. „Alle Menschen halten sich an dir fest, nicht wahr? Und dann lassen sie dich fallen. So wie ich es im Sommer am Abend des Balls getan habe, als ich dich hier im Haus einfach zurückließ.“
Er drückte Isabella fest an sich und flüsterte ihr, Worte des Trostes und der Zuneigung zu. Seine Lippen fanden die ihren. Ethan wollte alles für sie tun. Er wollte nichts anderes, als sie zu lieben – und das für den Rest seines Lebens. Es war ihm bereits gestern klar geworden. Doch erst in diesem Augenblick wurde er sich der vollen Wahrheit bewusst. Er, der immer stolz darauf gewesen war, über alles und jedes die Kontrolle behalten zu haben, empfand nur noch demütigen Dank darüber, dass ihm eine solche Liebe zuteilwurde. Ethan nahm Isabellas Kopf zwischen seine Hände und versuchte ihr durch seine Küsse zu zeigen, wie es um ihn stand.
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