Ich starre perplex auf den großen Servierwagen.
Gerade hat die Italienerin ihn gebracht und ist auch schon wieder verschwunden. Vermutlich gibt es einen Aufzug oder es existiert auf dieser Etage eine Art Küche oder zumindest die Möglichkeit, etwas wie dieses hier herzurichten.
Wie sonst hätte sie dieses große Ungetüm in mein Zimmer bringen können?
Auch finde ich es interessant, was dieses Haus unter kleinen Häppchen versteht. Zumindest meine ich mich zu erinnern, dass Maria diesen Begriff verwendet hatte.
Eine Vielzahl von verschiedenen Brotscheiben und Brötchen finden sich schön angerichtet auf dem unteren Regal des Wagens, nebst Besteck und Servietten.
Oben finde ich eine größere Auswahl von Käse, Wurst, Obst und sogar Gemüse. Natürlich dürfen Tomaten nicht fehlen. Weiter gibt es Eier, Butter und Margarine. Alles hübsch unter diversen Hauben aus Edelstahl drapiert. All diese leckeren Dinge liegen auf einer Art Kühlplatte, so dass ich mir keine Gedanken machen muss, wenn ich mir Zeit lasse und mir erst später etwas davon zusammenstelle.
Allerdings geht mir weiter die Ermahnung Marias durch den Kopf – nicht zu viel davon zu essen und noch Platz im Magen für das Abendessen mit dem Grafen zu lassen.
Ob mir der Schriftsteller ein ganzes Menü mit vielen Gängen auftischen möchte? Italiener essen abends ja bekanntlich viel und tafeln lange. Wer weiß, vielleicht hat er ja diese Angewohnheit übernommen.
Ich werde auf jeden Fall den Ratschlag der Angestellten beherzigen und nicht allzu viel zu mir nehmen, auch wenn das hier alles wirklich köstlich aussieht.
Viel essen kann ich im Augenblick auch nicht. Das seltsame, kostbare Geschenk des Grafen geht mir nicht aus dem Kopf. Ja, er hat geschrieben, dass dies eine Art Wiedergutmachung sein soll. Aber trotzdem – weshalb schickt er mir ein Gemälde, und keine Fotografie? Das ist einfach viel zu wertvoll.
Ob er sich vielleicht doch etwas aus mir macht? Bin ich ihm auch „wertvoll“?
Ich fürchte, das ist mehr Wunschdenken von mir. Viel besser wäre es, diesen ganzen Besuch, all das hier, mit viel mehr Abstand zu sehen und mich mehr auf die Arbeit zu konzentrieren.
Etwas, was ich mir schon mehrfach vorgenommen habe, seit ich hier bin.
Mist.
Läuft alles etwas aus dem Ruder.
Der Graf wird nicht ernsthaft jemanden wie mich in Betracht ziehen. Etwas, was mir vom Verstand her sonnenklar ist und ich mir immer wieder sage.
Mein zweites Argument ist, dass der arme Autor scheinbar doch recht krank ist. Das wird sicher nicht besser und wird in Zukunft nur zu noch mehr Problemen führen. Das mag der eigentliche Grund sein, warum er so zurückgezogen lebt.
Trotzdem, trotzdem ist er mir nicht gleichgültig.
Verdammt, verdammt, verdammt!
Ok, dreimal reicht nicht --- noch einmal: verdammt!
Ich weiß, dass das jetzt unmöglich von mir ist, dumm, blöd, völlig sinnlos, was weiß ich.
Aber ich habe mich doch tatsächlich in den Grafen verliebt.
Nein, natürlich nicht verliebt.
Ich schwärme nur für ihn.
Also schön – vielleicht doch verliebt. Aber nur ein wenig. Ein klitzekleines bisschen.
Und das wird sich eh legen, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin. Daher keine Panik. Ganz ruhig bleiben.
Ich bewundere ihn ein wenig, höre ihm heute Abend nett zu, bin höflich, erfahre dadurch einige brisante Details über sein Leben und das wars dann.
Klingt doch nach einem guten Plan, oder? Und wenn ich etwas Gefühle habe, dann läuft das vielleicht ja alles auch besser, oder?
Ich ignoriere die böse kleine Stimme in meinem Kopf die mich auslacht und behauptet, ich würde mir alles schönreden.
Auf jeden Fall mache ich mich jetzt erst mal auf den Weg zur Toilette.
Dort angekommen, stutze ich. Was riecht hier eigentlich so seltsam?
Meine Augen blicken suchend umher, bis sie das Toilettenpapier- Päckchen entdecken, welches noch auf dem Waschbecken liegt.
Ja, das kommt hin. Der Geruch kommt von dieser ollen Kunstzitrone. Zwar nicht mehr so penetrant, aber durchaus wahrzunehmen.
Und das bringt mich darauf zurück, dass ich ja den Kühlschrank untersuchen wollte.