11. Kapitel
Ein unerfreuliches Ereignis
Wieder sind einige Wochen ins Land gegangen und tatsächlich sind Monica und ich nun gute Freundinnen geworden. Sie erzählt mir manchmal von Erik, doch bisher scheint er sich noch einigermassen zu benehmen und wenn nicht, dann sagt es mir Monica jedenfalls nicht. Ab und zu gehe ich in meinem Kostüm nachts auf Patrouille in der Stadt und halte Ausschau nach Frauen die in Schwierigkeiten sind. Einigen konnte ich schon helfen. Diese Aufgabe erfüllt mich mit grossen Befriedigung und es ist, als ob dadurch die Gespenster meiner Vergangenheit etwas an Macht einbüssen würden. Jeden Tag sage ich nun ein Mantra auf, dass mir Devi, die jetzt auch eine gute Freundin von mir geworden ist, mal aufgeschrieben hat:
Durgayai durga- parayai
Sarayai, sarva- karinyai
Kyhyatayai tatha eva krshnayai
Dhumrayai sa- tatam namah !
(Nach dem Internet heisst das frei übersetzt: Gegrüsst seist du Durga, welche einem durch Schwierigkeiten trägt, die Essenz und Schöpferin von allem, allwissend, mit blauschwarzer Haut! Blau ist die Farbe des Universums und steht für höchstes Bewusstsein. Die "blauen" Götter helfen, durch schwierige Situationen zu kommen, den Geist zu stabilisieren und Unheil abzuwehren, schwarz steht vermutlich für den kämpferischen, zerstörerischen aber auch transformierenden Aspekt dieser Gottheit.)
Dieses Mantra hilft mir irgendwie sehr, ich kann meine Emotionen etwas mehr zügeln und die Rachegöttin scheint etwas stiller in mir geworden zu sein. Ich glaube, alles wendet sich langsam zum Guten. Ich habe mich auch nie mehr geschnitten, seit ich mit Monica enger befreundet bin. Auch wenn meine Liebe zu ihr unerfüllt bleiben wird, so geniesse ich doch jede Minute mit ihr und ich freue mich über das Vertrauen, dass sie mir entgegenbringt. Ich war schon mehrmals bei ihr eingeladen und lernte dadurch auch Erik kennen. Ich kann mich nach wie vor nicht für ihn erwärmen, denn er ist mir zu dominant und zu besitzergreifend. Er scheint sogar manchmal eifersüchtig auf mich zu sein. Aber vielleicht trüben meine Emotionen auch das objektive Bild von ihm. Vermutlich gibt es eh keine wirkliche Objektivität in der Welt, jeder ist von seinen Erfahrungen usw. geprägt und reagiert dementsprechend subjektiv auf seine Mitmenschen. So werde ich Erik wohl niemals wirklich mögen. Aber vielleicht ist er ja auch gar nicht so übel….
Gerade als ich das denke, klingelt es an meiner Tür. Ich bin gerade erst von der Arbeit nach Hause gekommen und trage noch den weissen Arbeitskittel. Ich ziehe ihn schnell aus und werfe ihn über den Stuhl. Darunter trage ich ein blaues T-Shirt und Blue Jeans. Als ich die Tür öffne, erschrecke ich. Vor mir steht Monica, in Tränen aufgelöst und mit einem roten, geschwollenen Abdruck auf der Wange. «Meine Güte Monica, was ist bloss mit dir?» frage ich und lege den Arm um sie. Dann führe ich sie ins Wohnzimmer. Sie zittert und weint immer weiter. Ich fordere sie auf sich zu setzen und reiche ihr eine Tasse warmen, indischen Bergtee, den ich gerade für mich aufgebrüht habe. Monica nickt dankbar, kann aber noch nicht sprechen, da sie immer noch von Weinen geschüttelt wird. Ich warte, bis sie sich einigermassen beruhigt hat und frage dann nochmals: «Was ist denn nun passiert?» «Erik… wir hatten einen besonders schlimmen Streit. Ich hatte genug von seiner ewigen Eifersucht und von der Herumnörgelei und habe ihn angeschrien. Er wurde dann auch wütend, sagte mir, dass ich allein Schuld an allem sei und er mich doch nur beschützen will. Ich sagte ihm, ich bräuchte keinen Schutz. Ein Wort gab das andere und schliesslich…» wieder begann sie heftig zu schluchzen «hat er mir eine heftige Ohrfeige gegeben.» Sie zeigte mir die Wange mit dem roten Fleck. «Ich kann nicht mehr mit diesem Mann leben! Er hat mich geschlagen, stell dir vor, er hat mich geschlagen!» «Dieser Mistkerl!» rief ich aus und holte aus dem Kühlschrank ein Cold Pack, dass ich in ein Küchentuch wickelte und Monica reichte. Sie hielt es an ihre Wange, um die geschundene Haut zu kühlen, wischte sich die Nase ab und trank dann mit zitternden Lippen und Händen, einen Schluck Tee. «Danke Milena, für alles!» sprach sie dankbar. «Das ist doch selbstverständlich!» winkte ich ab. «Diesem Erik werde ich was erzählen!» Monica wirkt etwas schuldbewusst und sagt: «Nein, lass das lieber. Das bringt doch nicht wirklich etwas.» «Hast du Angst, dass ich diesem Mistkerl weh tue, so wie er dir wehgetan hat?» «Nun ja… irgendwie war es ja auch meine Schuld. Zum Streiten braucht es immer zwei. Ich war auch nicht gerade nett mit ihm und da… ist ihm wohl einfach die Hand ausgerutscht. Es tut ihm bestimmt schon wieder leid.» « Hör ich da richtig? Du nimmst ihn wieder in Schutz, obwohl er dich geschlagen hat und obwohl du ihn gerade verlassen wolltest?» frage ich ungläubig. «Nun… ich habe vielleicht etwas überreagiert.» Du hast überreagiert? «Ganz bestimmt nicht! Er hätte dich niemals schlagen dürfen! Wenn man das einmal zulässt, werden sie es immer wieder tun! Glaub mir das!» «Es scheint ja fast so, als hättest du Erfahrung damit?» «Ja,» gebe ich tonlos zurück «allerdings.»
Monica schaut mich fragend an und ich beginne ihr einen Teil meiner Geschichte zu erzählen: Von den vielen Misshandlungen durch Amir, meine dadurch entstandenen Depressionen und das Problem mit dem Schneiden. Nur das mit der Zwangsprostitution lasse ich weg, um meine neue Freundin nicht zu sehr zu schockieren. Auch Amirs Namen, nenne ich vorsichtshalber nicht. «Mein Ex Freund, hat mich auch eines Tages wegen ganz ähnlichen Gründen wie Erik angefangen zu schlagen,» erkläre ich Monica «und dann ging das immer weiter, wurde immer schlimmer. Bis ich mich von ihm getrennt habe. Doch damit war das Martyrium noch nicht zu Ende. Er stalkte mich, tagtäglich suchte er mich auf und… schlug mich, missbrauchte mich sogar sexuell, um mir Angst zu machen und seine Überlegenheit zu beweisen. Ich hatte wie du, immer irgendwelche Entschuldigungen für ihn, doch es hörte nie auf und schliesslich musste ich… untertauchen.» «Untertauchen? Du hast also deine ganze Familie und dein altes Leben verlassen.» «Ja… ich sah keine andere Lösung.» «Aber warum hast du ihn nicht angezeigt?» «Ich hatte zu viel Angst und war irgendwie viel zu sehr an ihn gebunden. Ich konnte es einfach nicht, obwohl heute weiss ich, dass ich es hätte tun müssen.» «Unbedingt! Das ist ja eine furchtbare Geschichte! Wie hast du dich denn so wehren gelernt?» Ich zucke zusammen, als sie mich das fragt und innerhalb weniger Sekunden, muss ich entscheiden ob ich Monica die Wahrheit erzählen, oder lieber schwindeln soll. Aus Angst sie könnte mich für total verrückt halten, entschliesse ich mich zu Zweiterem: «Ich habe einen Selbstverteidigungskurs gemacht.» Sie schaut mich einen Moment lang prüfend an, dann erwidert sie «Okay, dann bist du aber wirklich ein Naturtalent, so wie du den Kerlen in der Bar damals den Garaus gemacht hast.» «Ja,» erwidere ich mit einem leicht schiefen Lächeln. «So ist das wohl. Aber reden wir jetzt nicht von mir!» lenke ich das Gespräch wohlweislich in eine andere Richtung: «Es geht hier in erster Linie um dich! Du solltest Erik schnellstmöglich verlassen. Wie gesagt hat er dich einmal geschlagen und du lässt es ihm durchgehen, wird er es immer wieder tun.» «Ich weiss nicht ob das wirklich so ist. Erik ist sicher nicht so schlimm wie dein Ex Mann.» Ich blicke sie zweifelnd an, sage jedoch nichts weiter, denn auf einmal klingelt es an der Tür!
Ich zucke zutiefst erschrocken zusammen und sogleich denke ich an jenen schicksalshaften Tag zurück, als Amir mich bei mir zu Hause aufgesucht und so schrecklich misshandelt hatte, dass die Rachegöttin mir damals zu Hilfe geeilt war. Wenn das nun Erik war, der mit Monica dasselbe vorhatte? Auf einmal stehe ich unter Hochspannung und der rote Nebel nimmt mein Gesichtsfeld mehr und mehr ein. Nein nicht jetzt!» zügle ich mich selbst mit aller Kraft. «Zuerst mal schauen, was er zu sagen hat.»
Monica blickt hilfesuchend zu mir herüber und ich gehe langsam zur Tür. Wieder klingelte es, diesmal mehrmals hintereinander. Die Person an der Tür muss sehr ungeduldig sein. «Schon gut, ich komme ja!» rief ich und bedeute meiner Freundin, im Hintergrund zu bleiben. Als ich die Tür öffne steht tatsächlich Erik vor mir. Er wirkt atemlos und gereizt. «Ist Monica bei dir?» fragt er mich und drängt sich an mir vorbei, hinein in die Wohnung. Erbost über seine Rüpelhaftigkeit spreche ich mit gereizter Stimme. «Was willst du hier? Glaubst du wirklich sie will mit dir sprechen, nachdem du sie geschlagen hast?» «Ich weiss, ich habe irgendwie die Kontrolle verloren, weil sie so aggressiv zu mir war.» «Natürlich will er wieder Monica die ganze Schuld in die Schuhe schieben, das kommt mir nur allzu bekannt vor. Doch bevor ich was erwidern kann, baut sich meine Freundin bereits wutentbrannt vor Erik auf und schreit: «Ich bin aggressiv zu dir gewesen? Dazu hatte ich gute Gründe. Da stürmst du einfach an meinen Arbeitsplatz und machst mir eine Szene vor allen Gästen und Mitarbeitern, nur weil du denkst ich sei zu stark geschminkt? Dabei hast du eben noch gesagt ich sähe so blass aus und ob ich nicht mal etwas für meinen Teint tun wolle. Ich hatte guten Grund wütend zu werden und du hast mich dann geschlagen. Kein Mann darf eine Frau schlagen, niemals!» «Aber du kannst ja auch nie aufhören, wenn du wütend bist,» wehrt sich Erik «du steigerst dich immer so rein, bist dann richtig jähzornig. Man muss dich ja irgendwie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Und du warst auch wirklich zu sehr geschminkt. Ich habe die Typen an den Tischen gesehen, wie sie dich mit ihrem Blick ausgezogen haben und du lächelst die dann auch noch an und bist so freundlich zu ihnen. Es würde mich nicht wundern, wenn du schon was mit einem von ihnen gehabt hättest. Das ist es doch verständlich, dass ich mich ärgere, auch wenn ich vielleicht ein wenig überreagiert habe!» «Wie bitte, du unterstellst mir jetzt auch noch, dass ich was mit einem andern hatte?» «Man weiss ja nie, manchmal macht es schon den Eindruck, da kann einem Mann schon mal die Hand ausrutschen!»
In diesem Augenblick trifft Erik ebenfalls eine schallende Ohrfeige ins Gesicht, die jedoch von mir ausgeführt wurde und er taumelt entsetzt zurück. Ich sehe wieder rot und starre ihn hasserfüllt an «Rede nie wieder so mit meiner Freundin, klar! Sonst werde ich dir noch etwas anderes, als eine Ohrfeige, verpassen! Du elender Mistkerl. Ich kenne solche wie dich nur zu gut. Ihr denkt eine Frau die mit euch zusammen ist, sei eure Besitz und ihr könnt damit machen was ihr wollt. Doch wage es nicht, wage es niemals wieder, Monica anzufassen! Sonst…» Ich packe seine Hand und drücke sie gegen sein Handgelenk, bis er vor Schmerzen aufschreit «fasse ich dich auch an, aber eindeutig schmerzhafter, kapiert!» Ich lasse Eriks Handgelenk los und er weicht mit angsterfüllten Augen weiter zurück: «Du… du bist ja total verrück, ihr… seid beide verrückt, wendet er sich an Monica. «Du wirst das noch bereuen. Befreundest dich mit dieser… Lesbe. Vermutlich will sie dich für sich haben, darum schafft sie alle Konkurrenten aus dem Weg!» Monica blickt mich einen Augenblick lang fragend an, dann wendet sie sich jedoch mit müdem Gesichtsausdruck Erik zu «Geh einfach, du machst alles nur noch schlimmer. Milena ist meine beste Freundin und hält zu mir, anders als du. Geh, geh einfach!»
Erik schaut einem Moment lang ungläubig zwischen Monica und mir hin und her. «Ihr habt also vermutlich schon etwas miteinander, habe ich Recht, ich wusste es doch du Schlampe!» Monica öffnet den Mund, um zu protestieren. Ich packte Erik nochmals und drücke ihn gegen die Wand neben der Tür. «Monica und ich haben nichts miteinander. Sie hatte immer nur Augen für dich, aber das siehst du natürlich in deiner dummen Verblendung nicht. Ist vielleicht auch besser so! Dann schafft sie es vielleicht schneller sich von dir zu lösen.» Ich lasse ihn los und Erik verlässt fluchtartig meine Wohnung...