Entschlossen setzte ich einen Fuß vor den anderen. Es war der vierte Tag meiner Reise von der Taverne zum Biotopenreservat und es dämmerte bereits. Natürlich hatte ich mich gegen Felix’ Vorschlag, mich mit einem geflügelten Wort abzuholen, ausgesprochen. Schließlich bin ich noch jung genug und perfekt in Form, wieso sollte ich da nicht einen längeren Fußmarsch antreten? Etwas Abstand vom Trubel der Taverne und das befreite Gefühl von der Natur umzingelt zu sein, das ist es allemal wert!
Auch wenn ich zugeben muss... Mehr Wandererfahrung wäre sicher nicht verkehrt gewesen. Zwar hatte ich einen sehr kleinen Bergpass gefunden und genutzt, um die Gebirgskette möglichst heil zu überwinden, aber auch da ging es ab und an steil zu, was dazu führte, dass ich erschöpft meine ersten drei Nächte bei den Bergen verbrachte. Dadurch bekam ich aber die Chance, in einer Nacht oben nähe der Bergspitzen auf einer recht offenen Plattform, mich niederzulegen und in den weiten Sternenhimmel zu blicken, während zahlreiche illuminierte Insekten um mich schwebten und die Plattform in, ein schon fast schauriges, Cyan tauchten.
Im Nadelwald direkt nach der Bergkette, genoss ich am vierten Tag meiner Reise den frischen Wind, nachdem ich auf einer letzten Anhöhe bei der Gebirgskette meinen Blick hatte schweifen und mich von den Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne hatte aufwärmen lassen. Der Nadelwald war wirklich schön, besonders der Morgentau und frostige Nebel, welcher zwischen den Baumstämmen schwebte, erzeugten eine fast magische Atmosphäre. Im Wald hatte ich auch das Glück einen kleinen Buggerfly zu beobachten, wie er mit seinen kleinen Flügeln den Nebel um sich aufwirbelte. Da kam es auch zu meiner ersten spontanen Pause. Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, erneut den Artikel zum Buggerfly zulesen und zog, ohne das kleine Wesen aus den Augen zu verlieren, mein eigenes Exemplar der »Systema Natura Belletristica«, verfasst vom Meisterbellologen Felix H., hervor.
In der Systema las ich erneut über den Buggerfly und konnte mir so erschließen, dass es sich um einen der dritten Generation handelte, vermutlich ein verirrter Spätling, denn laut Systema flog die dritte Generation der jährlichen Buggerflys nur bis November. Gerade als ich, natürlich aus Versehen, mit dem nächsten Kapitel zu Bärengötter weitermachen wollte, flog der kleine Buggerfly davon und ich befand mich wieder ganz alleine zwischen dem Nebel und den Baumstämmen. Etwas enttäuscht verstaute ich die Systema wieder in meinem nun neuen Rucksack, schulterte diesen und wanderte schließlich still weiter.
Ich hatte echt Glück, dass ich noch rechtzeitig einen neuen Rucksack auftreiben konnte. Diesmal war es ein modernes Modell ganz in Schwarz. Der Rucksack besaß ein großes Hauptfach, in dem sich offene Fächer für Stifte und einen dünnen Hefter befanden, sowie ein kleines 'Geheimfach'. Zudem gab es noch ein schmales Fach vor dem Hauptfach, welches mir aber leider sehr schnell, durch zu starker Belastung kaputtging, denn der Reißverschluss hielt meiner Sammlung an Kaugummi nicht stand und riss leider ganz. Ganz vorne, weiter, gab es auch ein kleines Fach, aber mit mehr Tiefe, wo dann schließlich meine Kaugummisammlung Platz fand, genauso wie ein recht billiger, aber dennoch gut funktionierender Kompass. Trotz des einen Mankos, dem kaputten Fach, fand ich meinen neuen Rucksack toll. Schwarz, deutlich größer als mein Alter und sehr bequem am Rücken – so kann mein Abenteuer gerne losgehen!
Aber ich schweife auch wieder ab...
Den Nadelwald durchquerte ich an einem Tag und war bei Sonnenuntergang am Rand angekommen. Erschöpft, wie ich war, beschloss ich die Nacht beim Rand des Waldes zu verbringen und nicht in die Nacht zu wandern. Lieber ließ ich mich nieder und legte mich, mit Rucksack unter dem Kopf, in das weiche, wenn auch kalte Gras. Mein Glück, dass die Sonne das Gras vom offenen Land über den Tag hinweg getrocknet hatte. Ich ließ meine Gedanken schweifen und beobachte ein paar weiße Wolken, wie sie vom Herbstwind weitergeschoben worden. Doch als die Nacht hereinbrach, wurde es wirklich zu kalt und ich packte meinen Schlafsack aus. Danach ging ich Steine und Holz im Nadelwald suchen, um ein Lagerfeuer zu bauen. Schnell hatte ich mit den Steinen einen Zirkel gebaut und das Holz in die Mitte dessen gelegt. Kaum war alles vorbereitet, setzte ich mich vor die, noch nicht brennende, Lagerfeuerstelle und öffnete meinen Rucksack.
Ich zog ein kleines Glasfläschchen hervor, welches mit einem Korken verschlossen war. Ich hob es nach oben und betrachtete es im fahlen Licht des nächtlichen Sternenhimmels, kurz schimmerten die Bruchstücke eines kleinen Rubins auf. Im Fläschchen befanden sich die kleinen Splitter eines zerbrochenen Rubins, sowie ein Fetzen Pergament auch welchem :flame: geschrieben stand. Ich senkte das Glasfläschchen wieder und zog vorsichtig den Korken raus. Dann winkelte ich meine Beine an und flüsterte dem Fläschen zu: »Flame... Wach auf Calcifer.«
Kaum hatte ich die Formel gesprochen, flimmerte eine kleine rötliche Flamme auf. Ich hielt das Fläschchen wieder etwas von mir weg und beobachtete, wie mein kleiner Freund Calcifer erwachte. Das kleine Fagerleuerchen brauchte etwas bis es in Fahrt war und schaute mich zunächst vermutlich sehr müde an, das konnte ich schon an seinem schwachen Flimmern ausmachen. Kurz lachte ich leise, als Calcy wohl mürrisch, sich rötlich verfärbte und damit ankündigte sich wieder schlafen legen zu wollen. Also schnippte ich leicht gegen das Glas.
»Komm schon, Kleiner. Es ist Nacht, hier ist gerade sehr schöne Luft, wirklich!« Immer noch etwas mürrisch mich ansehend, fing Calcifer an etwas größer zu werden und hing sich leicht über den Rand des Fläschchens, vermutlich um zu testen, ob er meine Aussage zur Luft bestätigen konnte. Kaum hatte er nur wenige Sekunden lang die Luft »geschnuppert«, sprang er förmlich aus seinem kleinen Rückzugsort und schoss erst mal ein paar Meter freudig in die Luft.
Mit einem Schmunzeln sah ich zu, wie Calcy kurz mein kleines Lager musterte und dann auf das Holz bei der Lagerfeuerstelle hüpfte. Bald konnte ich mich an einem warmen Lagerfeuer aufwärmen – musste aber zunächst Calcy selbst aus den Flammes des Lagerfeuers scheuchen und ihn daran erinnern, dass er nur mit dem Feuer spielen darf, aber nicht versuchen soll, sich damit zu verbinden.
So verbrachte ich die Nacht meines vierten Tages auf Wanderschaft damit, mich am Feuer zu wärmen, Früchte und ein paar eingepackte Brote zu verzehren und mich leise mit Calcifer zu unterhalten, auch wenn mir dieser natürlich nicht richtig antworten konnte. Aber Calcifer schien mich einfach zu verstehen und ich meist auch ihn. Bald war ich müde und legte mich schlafen, während Clacy, im wachen Orangeton, netterweise auf das Lagerfeuer und mich aufpasste.