»Ah, da seid ihr ja.« Mit weit geöffneten Armen nahm Kylion eine Haltung ein, als würde er die Welt umarmen wollen.
Wo anfangs noch einladende Stühle zum Verbleib und lesen einluden, standen seit einigen Monaten mehrere Kandelaber um einen großen Ziertisch. Die Mitte des Raumes glich eher einem strategischen Kriegsschauplatz, als einem der Weisheit.
Der thulenisch Abstammende hielt entgegen des Älteren seine Handflächen auf den Tisch gepresst und beugte sich über diverses Kartenmaterial und scheinbar unsortierten Berichten. Er sah nur kurz auf und blickte zur Tür, um sich zu vergewissern, wer dort hinzutrat. »Wir sollten etwas unternehmen.«
»Es ist mir immer noch ein Rätsel, wie du all die Jahre ein zweites Ich aufrecht halten konntest.« Kayden begab sich an dessen Seite und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter während sein Blick über die Karte und deren Markierungen huschten.
Serfem schnaubte und tippte auf einen Vermerk der Umgebungskarten von Falkenau und Agrea. »Ich bin meinem Leben nicht böse.«
Kayden trat näher heran und sah hinab. »Dort befindet sich doch eine dieser ... unsinnig gebauten Palisaden. Was hat es damit auf sich?«
»Ja und zugleich symbolisiert diese einen Grenzverlauf.«
»Kylion hat Recht.« Er erhob sich, ließ den Kopf kreisen und massierte sich mit der linken Hand den Nacken. »So unscheinbar dieser kleine Wall auch immer sein mag. Bis dorthin und auf Schussweite eines Pfeiles reicht der schützende Arm Bestlins.«
Es war Veyed, der sich räusperte und halb auf den Tisch setzte. Lediglich mit einem Bein hielt er sich am Boden, das andere schwang er locker vor und zurück. »Was schwebt euch vor? Das Gerücht geht um, das es zunehmend schwieriger wird, unsere gefälschten Nachrichten zu platzieren?«
»Wenn es nur das wäre.«
»Bitte. Kylion, Serfem.« Einen nach dem anderen sah er ins Gesicht und musterte deren Züge. »Kayden und ich wissen, dass es allen unter den Nägeln brennt. Was müssen wir tun, um Zeit zu gewinnen?«
»Wir sollten einen Ausfall wagen. Das Gerede von fliegenden Falken, Bussarden und Adlern wird immer lauter. Wenn die Obristen beginnen dem Gewäsch konsequent nachzugehen, werden wir keine Möglichkeiten mehr bekommen vorzurücken.«
»Was meinst du?«
»Kayden, sie geben einen Dreck um Traditionen oder diesen Wald, der uns schützend umgibt.« Mit der Rechten ausgestreckt zeigte er in die Richtung dessen und Kayden sah unumwunden in gezeigte. »Kommen wir nicht raus und sie nicht rein, fackeln sie ihn ab.«
»Was redest du da Schattenjäger«, ereiferte sich Kylion, der offensichtlich aufgebracht wirkte. »Niemand kann den Wald abfackeln!«
»Ach nein? So weit ich weiß, bestehen Bäume aus Holz und Holz brennt. Den Flammen wird es einerlei sein, ob mittig Riesen stehen, so dick wie Türme.«
Kayden sah zu seinem Bruder der gelangweilt den Kopf schüttelte. »Weißt Du Kay, ich frage mich gerade mal wieder, wer hier eigentlich knabenhaft und wer Erwachsen zu sein vorgibt.«
»Das muss ich mir nicht bietenlassen. Was glaubst du wohl ...«
»Wer ich bin?« Unterbrach Veyed Kylion, der mit rotem Gesicht dastand und zürnte. »Wir nahmen euch Bälger auf und wie dankt ihr es?«
»Nun ist es aber genug.«
»Spricht der Thulene.«
»Sollen wir so lange raus gehen. Ich meine, wenn ihr ausgetobt habt, könnten wir ... vielleicht zum Punkt kommen?«
Noch immer mit Frust gerötetem Kopf drehte sich das ehemalige Oberhaupt Falkenhorsts zu der daliegenden Karte und schnaufte. »Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. So ungern ich diesem Unterfangen zustimmen muss. Eure Fortschritte liegen auf der Hand und es ist, wie es ist. Ständig sind Meldereiter unterwegs, die aufgeschnappte Gerüchte in die Städte tragen. Alrics Kräfte ...« Er sah auf zu dem anwesenden Vertreter besagten Mannes. »... und die Rondals, verstecken sich in den alten Grenzfestungen nach Usnal, um etwaige Reiter abzufangen. Selbst im und um den Hafen Holmfirth, ließ Alric Leute postieren.«
»Wir können nicht alle Botschaften abfangen, geschweige denn sämtliche Lautmachungen unterdrücken«, gab Serfem hinzu. »Klarich, euer Vater, offenbarte erst kürzlich, dass hinter vorgehaltener Hand erzählt werde, dass der Widerstand bereits in ganz Agrea verteilt bereitstehe.«
»Und genau diese Annahme müssen wir beseitigen«, sinnierte Kayden. »Was tun wir?«
»Wir reiten geballt aus einem Teil des Waldes, wo die Bäume am dichtesten stehen und überfallen Pa's Hof und besuchen die Burg des Lords.«
»Geballt?« Alle sahen zu Veyed, der nüchtern mit den Lippen zuckte. »Um uns zu verraten, dass wir eben nicht in ganz Agrea operieren, müssen wir vermeintlich Stärke an einem einzigen Ort zeigen und möglichst schnell wieder verschwinden. Soll Bestlin und diese Speichellecker von Obristen glauben, dass wir feige sind.«