Josef Brantner jun., Sohn des gleichnamigen Landtagsabgeordneten, hatte zum Entsetzen seiner Eltern eigentlich nicht studieren wollen und eine Lehre als Maurer und Zimmerer gemacht, bevor er durch sein Können und seine Liebe zu seinem Beruf auf dem zweiten Bildungsweg noch zum Architekten und Bau-Sachverständigen wurde.
Gerade die Tatsache, dass er seine Ausbildung als ganz normaler Lehrling begonnen hatte und erst danach zum Akademiker wurde, praktisch das Bauwesen aus allen Perspektiven kennengelernt hatte, machte ihn zum absoluten Fachmann und schließlich nach weiterer Ausbildung zum gerichtlich beeideten Sachverständigen für Hoch- und Tiefbau.
Brantner liebte seinen Beruf und hatte kein besonders gutes Verhältnis zu seinem Vater, welcher zwar eingestehen musste, dass er seinen Weg gegangen war, das Verhältnis zu seinem Sohn aber durch die ehemalige Missbilligung und Herabwürdigung seiner ursprünglichen Ausbildungswahl nachhaltig beschädigt hatte.
Josef war immer ein Wenig revolutionär gewesen als Jugendlicher und hatte im Gegenteil zu seinem Vater nicht die geringsten Ambitionen in die Lokalpolitik oder gar landesweit in die Politik zu gehen. Er war sich darüber im Klaren, dass er selbst bei größter Anstrengung nicht das Geringste hätte bewirken können und wenn eine Partei ihm die Gelegenheit nicht bieten konnte, etwas wirklich zum Besseren verändern zu können, wozu sollte er sich dann für sie anstrengen? Zu oft hatte er gesehen, wie die Maulhelden des Wahlkampfes im Nachhinein ihre Slogans relativieren mussten.
>>Die Politik ist die Mutter aller Huren, Vater!<< hatte er im Streit einmal zu ihm gesagt, >>... und du merkst offenbar gar nicht, dass du zu ihrem Zuhälter verkommen bist!<< Solche Szenen waren keine Seltenheit gewesen im Hause Brantner.
Josef hatte sehr wohl mitgekriegt, wie es mit der einen oder anderen Bewilligung vorwärts ging, wenn Vater einen Antrag für gut befand. Dass der Landtagsabgeordnete hier gewissen honorigen Freunden mit seiner Fürsprache sowohl seitens der Baubehörde wie auch des Naturschutzes sehr entgegen kam, war nur zu offensichtlich. So tief würde er selbst mit Sicherheit nicht sinken! Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass sich sein Vater bei den Ausschreibungen der Aufträge offenbar sehr leicht beeinflussen ließ.
>>Vater, was bringt es, diese angeblich günstigere Firma zu favorisieren wo du doch insgeheim weißt, dass sie betrügt? Statt der angebotenen Profi-Materialien verwendet sie billige Baumarktware! Das habe ich mehr als einmal nachgewiesen<< Diversen Anbietern war es gelungen, nach Erhalt des Zuschlages mit Materialeinsparungen durchzukommen. Sowie es aber zum Pfusch am Bau gekommen war und sich die Gerichte damit befassen mussten, hatte Josef jun. als Sachverständiger noch immer aufgedeckt, dass der Erhalt des Zuschlages bei korrekter Ausführung des Angebotes unmöglich gewesen wäre, weil sich jede Baufirma selbst damit in die Pleite geschossen hätte. Noch jedes Mal hatten die Ermittlungen vor Ort dann die Ausführung mit minderwertigem Material ergeben, was den Tatbestand des gewerbsmäßigen Betruges erfüllt.
Außerdem handelte es sich bei den Angeboten verschiedener Anbieter um so geringe Differenzen, dass die Weitergabe von Insiderwissen mehr als wahrscheinlich erschien. Wie konnte es sein, dass eine Firma auch beim dritten Anbot ein halbes Prozent günstiger war als die Konkurenz? Hier musste es einfach Preisabsprachen gegeben haben!
Dipl. Ing. Josef Brantner war sehr korrekt. Gefälligkeitsgutachten gab es bei ihm nicht, auch wenn sein Vater sich ein solches das eine oder andere Mal für einen "Parteifreund" gewünscht hätte. Er war ein symphatischer, geradliniger Mann, der sich in seiner Gemeinde großer Beliebtheit erfreute... sich aber im Laufe seiner Tätigkeit als sachverständiger Gutachter nicht wenige Feinde schuf...