Die Worte des Vampirs verhallten und der Wind trug sie über die Hausdächer. Garrett begann zu frieren, denn es wurde nicht nur windiger, sondern auch kälter. Als wolle der Regen, der den ganzen Tag gefallen war, wieder einsetzen.
»Es tut sich nichts...«, murmelte der Junge, doch Dionysos schüttelte den Kopf. Er hörte, was Garrett entging. Nämlich das Schlurfen lahmer Füße, das Grunzen verfaulter Mundhöhlen und das Knurren als Zeichen des Wahnsinns.
Allister schickte seine Ghoule los, doch kam er auch selbst?
»Doch. Ghoule sind unterwegs«, knurrte der Vampir deswegen und bemerkte sogleich Garretts angstvolle Blicke.
Der blickte auf den Platz und klammerte sich an das steinerne Kreuz. 10 Meter über dem Boden war nicht sein Lieblingsort.
»Also sitzen wir in der Falle?«, fiepste er.
»Nein. Notfalls springe ich über die Dächer. Ich bring dich wieder heil nach Hause, das schwöre ich bei Gott!«, stieß Dionysos hervor, als die ersten Ghoule auf den Platz schlurften.
»Was soll das, Allister? Wie soll ich mich mit dem Unrat unterhalten? Traust du dich nicht, selbst zu kommen?«
Dionysos sprach nur unwesentlich lauter als mit Garrett. Vampire mussten wirklich ein bemerkenswertes Gehör haben, dass dieser Allister, egal wo er steckte, die Worte dennoch hören konnte.
Gespannt und schrecklich frierend beobachtete Garrett die Szenerie. Er zählte ein Dutzend Ghoule auf dem Platz, doch wer konnte sagen, wie viele noch in den dunklen Gassen drumherum verborgen waren? Er hatte es gerade mal geschafft, einen zu erledigen. Was ihm nicht gelungen wäre, hätte Dionysos den zweiten nicht ausgeschaltet.
Er konnte für den Vampir nur eine Last sein, wenn er sich nicht endlich zusammenriss. Er war kein Kind mehr! Er wollte unter keinen Umständen, dass diese Ekelviecher oder irgendwelche Vampire die Herrschaft in Gatwick übernahmen. Wenn die Stadt schon ein Vampirterritorium sein musste, dann lieber das eines Mannes, der Menschen und ihr Blut verabscheute.
Er sah zu Dionysos hoch, dessen Brauen sich beinahe berührten, so kraus war seine Stirn gezogen. Befürchtete er, umsonst auf den Platz gekommen zu sein? Umsonst diese Horde von Ghoulen auf den Plan gerufen zu haben?
Denn der, den er zu sprechen verlangte, schien ihn warten lassen zu wollen.
»Elender Feigling«, knurrte der Vampir.
»Aber, aber, Mylord. Diese Ungeduld ziemt sich aber nicht.«
Eine blasierte Stimme wehte über die Dächer, durch den Wind getragen oder der guten Akustik geschuldet, so deutlich, dass selbst Garrett sie klar und deutlich hören konnte.
Auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes – früher war es das Rathaus, heute ein einfaches Verwaltungsgebäude einer ansässigen Firma – tauchte eine Gestalt im Mondlicht auf. Die Hand lässig auf einem der kleinen Giebeltürmchen gelegt, bot sie allen einen perfekten Blick auf sich.
Garrett lobte seine guten Augen, die trotz des diffusen Lichts einen Mann um die 30 erkannten, mit markanten Augenbrauen und einem gepflegten, kurzen Bart, der den süffisant grinsenden Mund umrahmte. Er trug, als wolle er sich deutlich von Dionysos abheben, einen hellen Mantel, der ihn noch blasierter und dandyhafter aussehen ließ.
»Allister!«, fauchte Dionysos und Garrett konnte das rote Glimmen in den dunkelbraunen Augen erkennen.
»Warum so ungehalten, Mylord? Wir hatten eine Abmachung oder liege ich da falsch? 100 Jahre und die Stadt gehört mir. Ich maße mir nicht allzuviel an, wenn ich behaupte, seit 1914 sind 100 Jahre vergangen, oder?«
Der Klang der Stimme ließ Garretts Innerstes zu Eis gefrieren und machte ihn krank. Er konnte es kaum ertragen.
»Und wie ich sehe, habt Ihr mir sogar ein Begrüßungsgeschenk mitgebracht? Ein Mädchen hätte größeren Anklang gefunden, doch wie sagen die jungen Leute heute? Nevermind.« Allister lachte, Garrett begann zu zittern und Dionysos knurrte.
»Nichts dergleichen, alter Freund! Ich habe die Stadt nicht zu den Bedingungen abgegeben, dass du hier Ghoule anschleppst.«
»Meine Stadt, meine Regeln. Ihr müsst wissen, eine Provinzklitsche bringt wenig Zerstreuung. Doch diese Kameraden tun das«.
»Indem sie Menschen in Panik versetzen? Nein, Allister! Zu diesen Bedingungen ist die Abmachung nichtig. Nimm deine Lakaien und verschwinde aus meiner Stadt!«
Einen Moment herrschte Stille auf dem Platz. Nur das leise Grunzen der Ghoule war zu hören und das Heulen des Windes. Garrett verspürte für eine Sekunde einen leisen Funken Hoffnung, dass alles vorbei war, bevor es überhaupt anfing. Doch dann begann Allister, zu lachen.
»Mylord – wenn ich dich überhaupt so nennen soll – die Zeiten haben sich geändert. Wir leben nicht mehr im höfischen und vornehmen England der spätviktorianischen Zeit, in der ein Vampir nur so viel war wie die Anzahl seiner Lebensjahre. Es ist die Zeit der Rückbesinnung auf alte Werte und Stände! Ich bin Allister Saltire, der jüngste Sohn des Duke of Holdernesse, eines der ältesten und angesehensten Adelsgeschlechter Englands! Ich weigere mich, hinzunehmen, dass ich weniger wert sein soll als du!«
Dionysos verschränkte die Arme vor der Brust und kräuselte die Lippen in einem verhaltenen Grinsen.
»Holdernesse, hm? War es nicht dein Bruder, der damalige Duke, der allen Reichtum in Nutten und Pferderennen investiert hat? Damals 1798? Es hat die Familie beinahe ruiniert. Ich habe es amüsiert in der Presse verfolgt. Sehr delikat, auf diese Verwandtschaft zu bestehen, meinst du nicht?«
Allister ballte die Hände zu Fäusten, doch grinste dann ebenfalls. Viel bösartiger, als Dionysos es getan hatte.
»Wer bist du schon, dass du große Töne spuckst. Ich habe mich informiert über dich, bevor ich herkam. Hätte ich es damals getan, fraglich, ob ich, Sproß einer Adelsfamilie, überhaupt in der Lage gewesen wäre, dir den Respekt entgegenzubringen, wie ich es tat. Ich weiß alles über dich, oh du großer Dionysos, der du nicht viel mehr als der Sohn eines stinkenden Fischers und seiner Hure von Frau bist.«
Dionysos krallte die verschränkten Finger in den Stoff seines Mantels, was auch Allister nicht entging.
»Zweiter Sohn, viertes von insgesamt 13 Blagen, von denen die Hälfte starb, bevor sie 10 war. Ist doch so, oder? Wurde mit 9 ins Kloster abgeschoben, hab ich Recht? War bestimmt toll da.« Allisters höhnende Stimme troff vor Sarkasmus.
»Einen Punkt in deiner Lebensgeschichte fand ich ja besonders spannend. Wann hattest du vor, der Gemeinschaft zu verraten, dass du dich lieber in der Gesellschaft von Männern durch die Kissen wühlst?!«
Dionysos‘ Gesichtsfarbe wechselte von einem zornigen Kalkweiß zu einem Rot, bei dem Garrett nicht genau wusste, ob es Verlegenheit wegen des fiesen und herablassenden Outings war oder kochende Wut.
»Sieh es ein, Dionysos. Du bist nicht den Dreck unter meinen Fingernägeln wert. Du bist nichts weiter als ein armseliger, dreckiger kleiner Fischerssohn, der das Glück hatte, ein Unsterblicher zu werden. Ein Mann, der vorgibt, etwas zu sein, das er nicht ist. Arrogant, überheblich, vorlaut und ein dreckiger Sodomit obendrauf. Sogar dein Name gaukelt der Welt etwas vor und zeigt doch nur deine Arroganz. Dionysos. Sich auf eine Stufe mit einem Gott zu stellen, ist eine Sünde. Sag doch der Welt deinen richtigen Namen!«
Allister höhnte und Garrett konnte sehen, dass sich auf dem Platz einige Personen versammelt hatten, die eindeutig keine Ghoule waren. Es waren ansehnliche Männer und Frauen, etwas mehr als ein Dutzend. Allisters Vampire, die nun angesichts der Bloßstellung Dionysos‘ lachten und triumphierten. Dionysos selbst starrte Allister ungebrochen in die Augen, die Zähne gefletscht.
Garrett ahnte, dass er, wenn er die Gelegenheit hätte, sein überhebliches Gegenüber in kleine, blutige Stücke reißen würde.
»Du willst es deinem gespannten Publikum nicht verraten? Deinen armseligen Namen?«
»Wage es dich nicht, meinen Namen mit deinem Lügenmaul auszusprechen!«, knurrte Dionysos kalt, doch Garrett musste sich eingestehen, dass er den Namen des Vampirs nur zu gern erfahren würde.
»Was geschieht dann? Erschlägt mich einer von Zeus‘ Blitzen? Ach nein, du bist ja nicht der echte Dionysos. Ladies and Gentlemen, darf ich vorstellen? Unser wertes Gegenüber, das wir lange Zeit – völlig zu Unrecht, wie wir nun wissen – respektierten: der Fischerssohn, rechtens getauft 1281 auf Mr. Henry William St. John! Nicht sehr eindrucksvoll, wenn du mich fragst, mein Guter. Da beeindruckte es mich mehr, dass das Taufregister dieser Epoche noch existierte.«
Dionysos‘ Gesicht war zu einer Maske aus blankem Hass erstarrt, mit dem er Allister beinahe körperlich zu durchbohren schien.
Nie, niemals sollte ein Vampir den Namen des Jungen aussprechen, der er einst war. Er hatte es sich geschworen und Allister hatte dadurch sein eigenes Todesurteil unterschrieben.
»Ich sag dir was, Henry. Die Dinge stehen, wie sie stehen. Ich bin als Grundbesitzer gekommen, um einzunehmen, was mir gehört. Aber ich bin gnädig, immerhin sind wir eine Rasse. Dich zu töten liegt nicht in meiner Absicht. Die Eigentumsrechte bleiben bestehen, es ist nach wie vor dein Wald und dein Wildbestand. Ich empfehle dir allerdings, verlass die Stadt besser ganz. Ist leichter für uns alle. Nimm deine kleine Freundin da und geh – oh verzeih, das ist ja ein Junge. Ich vergaß für eine Sekunde deine widernatürlichen Präferenzen. Gehst du nicht, gibt es Krieg und ich lösche jeden aus, der dir – oder nein, der ihm...« Allister deutete auf Garrett. »... etwas bedeutet. Ich glaube, das ist deine größte Achillesferse, was, alter Freund?«
Allisters Vampire stimmten in das Lachen ein, selbst die Ghoule imitierten das Geräusch und Garrett befand sich erneut im kalten Würgegriff der Angst. Es war alles noch 100mal schlimmer geworden!
Er blickte auf, als er Dionysos‘ Hand auf seiner Schulter spürte. Er lächelte, doch irgendwie wirkte es falsch.
»Komm, wir gehen nach Hause. Für heute können wir nichts mehr tun.« Er zog den Jungen hoch und hielt ihn fest.
»Allister. Ich verlasse mich darauf, dass du mir Zeit lässt. Sollst du sie haben, diese miese kleine Stadt.«
Der angesprochene Vampir nickte wie ein alter König. »Lass dir nicht zu viel Zeit, sonst wird der Junge da mein erstes Opfer!«
Garrett spürte, wie die Muskeln Dionysos‘ unter dem Mantel hart wurden. Doch er sagte nichts. Er nahm Garrett huckepack, wie in der Nacht, als er ihn von den Schlägern befreit hatte und sprang mit einem Satz auf das Dach des Nachbarhauses. Allister stand im Mondlicht und aalte sich förmlich in seinem Sieg.
Sollte es das sein? Hatte Dionysos, der Töne gespuckt hatte, wirklich so einfach aufgegeben?
Einige Querstraßen weiter ließ sich der Vampir wieder auf den Gehweg sinken und Garrett stand wieder auf seinen eigenen Füßen. Er war sauer.
»War es das? Wirklich? Du gibst auf, haust ab und lässt uns hier zurück?«, zischte er und spürte Zornestränen in seinen Augen. Dionysos hatte das Gesicht von ihm abgewandt und schwieg.
»HEY!!«, schrie Garrett, verstummte jedoch in der nächsten Sekunde unter Dionysos‘ Hand.
»Lass uns heimgehen. Das hier ist nicht der richtige Ort zum Streiten!« Sein Blick war so eindringlich bittend, dass Garrett nickte und schwieg. Stumm folgte er dem Vampir, als dieser wieder auf das Haus der Pinkertons zusteuerte. Die geschlagenen Ghoule waren tatsächlich kleinen Dreckbergen gewichen. Doch anstatt das Haus zu betreten, ging Dionysos geradewegs hinein in den Wald. Er sagte kein Wort des Abschieds, also beschloss Garrett, mit ihm zu gehen.
Der Vampir schritt zügig aus, doch der Junge, der den Wald vor seiner Haustür kannte, blieb keinen Moment zurück. Erst auf Dionysos‘ Lichtung zögerte er.
Konnte er so einfach dessen Heiligtum betreten? Sicher stand der Vampir nun schon das zweite Mal in seinem Schlafzimmer, ohne Skrupel zu zeigen, doch Garrett war nicht so forsch.
Er stand noch immer an der Baumgrenze, als der Vampir das Häuschen betrat und die Tür offen stehen ließ. Garrett haderte mit sich und zuckte zusammen, als der dunkle Kopf wieder aus der Türöffnung guckte.
»Brauchst du jetzt eine Einladung? Fein. Bitte komm rein, der Kakao ist gleich fertig.« Dionysos grinste einen Moment, bevor er wieder ernst wurde.
Garrett betrat scheu die kleine Förstershütte und war überrascht, wie gemütlich sie war.
Betrat man das Haus, stand man direkt in der Küche, in dessen Mitte ein Tisch mit 4 Stühlen stand. Rechts an der Wand befanden sich Küchenschränke, ein altmodischer Gasherd und ein Kühlschrank. Neben der Haustür unter einem Fenster befand sich eine Kühltruhe und eine Tür, von der Garrett vermutete, dass sie ins Badezimmer führte. Gegenüber der Haustür waren noch zwei Türen. Die eine stand weit offen und Garrett konnte nicht erkennen, was dahinter war. Er tippte jedoch auf Wohnzimmer, denn hinter der angelehnten Tür sich gegenüber glaubte er, ein riesiges Himmelbett zu erkennen.
In der Küche brannte nun die niedliche, altmodische Deckenlampe und es stand tatsächlich dampfender Kakao auf dem Tisch.
Garrett zuckte zusammen, als er nach der Tasse griff und eine hübsche, schwarze Katze, die auf einem der Stühle lag, ihn anfauchte.
»He, dich kenn ich doch!«, rief er und die Katze machte Schlitzaugen.
»Nikodemus, mein Mitbewohner«, murmelte der Vampir rau und trank etwas aus einer Tasse, das verdächtig nach Blut aussah.
Garrett, der mittlerweile schrecklich fror, nahm einen Schluck Kakao.
»Also? Was tun wir jetzt? Willst du wirklich so einfach aufgeben?«
Dionysos schnaubte in seine Tasse. »Natürlich nicht. Nun, wo er die Frechheit hatte, meine Familie zu beleidigen, ein lange sorgsam gehütetes Geheimnis auszuplaudern und meinen Namen in den Dreck zu ziehen, erst Recht nicht! Dafür wird er an seinen Gedärmen vom Kirchturm hängen, das schwör‘ ich dir!«
Garrett betrachtete das verkniffene Gesicht vor sich eine Weile. Unter dem gelben Licht der Funzel wirkte es müde.
»Ein Sodomit also, hm?«
Dionysos machte ein unwilliges Geräusch und rieb sich den Nacken. »Die alten Engländer hatten kein nettes Wort für einen schwulen Mann. «
»Also bist du es wirklich...?«
»Schwul? Ja. Sonderbar, wenn man bedenkt, dass die ersten Erfahrungen, die ich damit gemacht habe, gegen meinen Willen geschahen.«
»Und du bist ein Fischerssohn?«
»Eins von 13 Kindern, auch das ist wahr. Außerdem bin ich nicht mal Engländer, sondern ein katholischer Ire! Nein, was habe ich Sünde auf mich geladen!« Dionysos‘ Stimme überschlug sich fast vor Ironie. Garrett musste schmunzeln.
»Was ist das Problem mit deinem richtigen Namen? Mir gefällt er, egal was Allister sagt.«
Der Vampir lächelte leicht.
»Es geht nicht so sehr ums Gefallen, Garrett. Es geht darum, dass all das, was Dionysos getan hat, nicht auf Henrys Kappe gehen darf, verstehst du? Henry hörte in der Nacht auf zu existieren, als Dionysos das Kloster niederbrannte. Nein, eigentlich schon in der Sekunde, als ich das Gift in meinen Adern spürte, das mich verwandelte. Henry ist das Kind, das ich war. Der Junge, der seinen Bruder liebte, so sehr, dass er sich nach dessen Tod ebenfalls umbringen wollte. Henry ist nichts von all den Gräueltaten, die Dionysos begangen hat. Und niemals darf dieses Kind damit in Verbindung gebracht werden. Deswegen verheimliche ich den Namen. Und deswegen wird Allister sterben!«
Garrett leerte seine Tasse und bekam von dem Vampir noch heißen Nachschlag. Er schwieg einen Moment und betrachtete den Kater, der mit akrobatischer Akkuratesse die Innenseite seiner Schenkel putzte. Schon amüsant, diese Tiere.
»Weißt du«, setzte er an. »Ich glaube, er ist gar nicht so verborgen und nichtexistent wie du glaubst.«
»Ah ja?«
»Schau, du beschließt, einen ungleichen Kampf einzugehen, um eine Stadt zu schützen, die dir nichts bedeutet. Und das tust du für einen unbedeutenden Teenager wie mich, der dich – nach eigener Aussage – an eben jenen Bruder erinnert, den Henry, du, so sehr geliebt hat. Klingt das für dich nach einem herzlosen Vampirmonster, das du so gern behauptest, zu sein?«
Dionysos lachte auf.
»Nein, so betrachtet hast du Recht.«
»Vielleicht hast du beide Seiten gebraucht, um zu überleben. Den kalten Vampir und das warmherzige Kind. Für etwas wird es schon gut sein.«
Schweigen stellte sich ein und hielt so lange, bis der kleine Kachelofen neben der Tür zum Schlafzimmer begann, spürbar Wärme zu verströmen. Garrett setzte sich auf die Bank davor und lehnte sich an.
Von wegen, es war noch Sommer! Immerhin waren sie in England und die Nächte waren kalt wie im Winter.
»Du kannst dich gern drüben etwas hinlegen, die Bettdecke ist dick. Es hat nun eh keinen Zweck mehr, es zu vermeiden. Das ganze Haus riecht schon nach dir.«
Garrett grinste. »Ist das so schlimm?«
»200 Jahre Vermeidung für die Katz! Du machst dir keine Vorstellung, wie du für jemanden wie mich riechst«, knurrte Dionysos nicht wirklich ernsthaft.
»Für den Vampir oder den Sodomiten?«, konterte Garrett geschickt und schaffte es tatsächlich, den stolzen Vampir für einen Moment erröten zu lassen.
»Für den Vampir! Leg dich schlafen, ich weck dich um 7. Dann bringe ich dich heim und du sorgst dafür, dass deine Mutter ein paar Tage die Stadt verlässt. Willst du nicht doch auch gehen?«
Garrett schüttelte den Kopf und Dionysos seufzte.
»Gut. Ich werde zusehen, dass wir nicht völlig allein dastehen. Wenn dieser blasierte Bock, Sohn einer Londoner Hafennutte, der Meinung ist, Krieg zu wollen, soll er ihn haben. Ich habe meinen Ruf nicht, weil ich aus einer Adelsfamilie komme. Ich hab ihn mir im Kampf verdient.«
Der Vampir nahm ein Handy aus einer Schublade und klickte sich durch die Nummern, während Garrett in dem winzigen Schlafzimmer, das völlig von dem Himmelbett dominiert wurde, die Bettdecke zurückschlug.
Er zog die Schuhe aus und schob sich auf die weiche Matratze. Leise Schritte auf der Decke und ein unverkennbares Geräusch zeigten ihm, dass Dionysos‘ Kater ihm Gesellschaft leisten wollte. Er ließ sich bereitwillig kraulen, als wüsste er, dass Garrett ein Freund seines Herrn war.
»Du, Henry?«, rief der Junge versuchsweise, ob er eine Reaktion bekam.
»Hm?«, ertönte es tatsächlich.
»Was ist ein Name...? «
»... was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.* Schlaf, du Knalltüte«, lachte Dionysos leise und Garrett schloss die Augen.
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*Zitat aus Shakespeares Romeo und Julia