Es war im Jahr 1999, Anfang des Aprils, als eines Morgens Serlo Sulano von einem bereits angekleideten Vin Irlando an seinem Bett geweckt wurde. Vin stand für gewöhnlich sehr früh auf und in der Tat zeigte der Zeiger der kleinen Nachttischuhr noch nicht einmal die siebte Stunde. Dementsprechend verwundert, ja fast schon verärgert schaute Serlo seinen Gast auf Zeit an, als dieser ihn weckte. Vor allem, weil sich Serlo nur ungern in Gewohnheiten stören ließ.
"Tut mir sehr leid, dass ich dich hier nun wecke, Sulano. Doch meine Unruhe trieb mich um. Heute wird es geschehen, es wird vereint, was noch nicht getrennt ist. Sicher im Zeichen der dunkelsten Stunde, doch ich werde ihn wieder sehen, meinen ergebenen Schüler!"
Serlo war sich nun gewiss, dass ein verärgerter Blick durchaus angemessen war, natürlich war ihm bewusst, dass heute der fünfte April den Kalender zierte und somit die Zeituhr zwanzig Jahre in der Zukunft am gleichen Tag zugestellt werden würde. Doch ebenso wusste Serlo, dass der Zeitreisende Bellologe erst um fünf vor zwölf im Sessel in der 21B erscheinen würde. "Deswegen wächst du mich?", blaffte der silberaugige den etwas aufgekratzten Vin an.
"Ja, deswegen.", erwiderte Vin mit ernster Miene.
"Du scheinst Zweifel an unserem Vorhaben zu haben. Wenn er wirklich ein Meisterbellologe geworden ist, sollte es doch kein Problem darstellen."
"Ja, aber Ich habe ein ungutes Gefühl.", gestand Vin.
Serlo kannte Vin gut genug, um zu wissen, dass Gefahr im Verzug war. Das smaragdauge hatte nur dann ein ungutes Gefühl, wenn die Gefahr praktisch vor einem stand. Gewiss, dass sein Schlaf nun wirklich zu Ende war, schickte sich Serlo an sich auf das ominöse Treffen vorzubereiten. Bis es soweit war, würde er die Zeitungen durchforsten und nach dem Grund für dieses Treffen fahnden. Vin hingegen würde in Unruhe auf seinem Sessel verweilen und nervös mit den Fingern tippen, eine Angewohnheit die Serlo über allen Maße hasste, doch heute, und nur heute, würde er es durchgehen lassen. So vergingen die Stunden und die Zeiger der Uhr auf dem Kaminsims schleppten sich dahin, doch sie kamen dem Ziel näher.
Als der Zeiger endlich die vierundfünfzig passierte und die fünfundfünfzig erreichte, schien die Welt für einen kurzen Augenblick stillzustehen. Dann verdichtete sich über dem noch leeren Sessel eine Kugel voll Licht. Rasant wuchs sie an und ihr mystischer Schein erleuchtete das Zimmer. Geband staarten Serlo und Vin auf die immer größer werdende Lichtkugel, welche immer weiterzuwachsen schien. Bis sie wie ein Ei, dass man auf einer Schüssel bricht, sich öffnete und ein kleines Robentragendes Wesen in den roten Sessel plumpste. Natürlich hatten Serlo und Vin genau diese Ereignisse vorausgesehen, doch etwas war ganz und gar unerwartet. Wer war dieses Wesen?
Ein warmes Licht blendete Luans Augen und ließ das Schülerwesen plötzlich in einen Sessel plumpsen, der zwar bequehm war, doch aus einer Höhe von knapp einem Meter tat ein herabfallen im Steiß dann doch etwas weh. Das Schülerwesen hatte einen ausgezeichneten Spürsinn und erkannte ohne aufzusehen, dass es nicht alleine war. Zwei Gestalten saßen ihm gegenüber und musterten Luans Robe eingehend, welche weite Teile des Gesichts verdeckten. Der rasante Geist des Schülerwesens erfasste wie ein Echolot die Umgebung, sie schien vertraut und doch irgendwie unbekannt. Luan registrierte jedes Buch, jede Zeitung und jede Apparatur in diesem Raum. Neben diesen existierten eine Vielzahl an exotischen Exponaten, ähnlich der Bibliothek im Biotopenreservat. Der Geist des Assassinen spähte durch die Türen, die Treppe herab bis hin auf die Straße. Es war ruhig, zu ruhig. Ähnlich der Ruhe vor einem Sturm. Waren nun die beiden Gestalten Sturmbefürworter oder wollten sie die Ruhe um jeden Preis schützen? Was war Freund, was war Feind? Das Schülerwesen würde keine Antworten erhalten, in dem es seinen Kopf dem Boden zuwenden würde, so richteten sich die Augen des Schülerwesens auf Augen die ebenso neugierig, wie angespannt erschienen. Sie hielten dem Blick des Schülerwesens stand. Sekunden knisternder Stille entstanden, welche so unangenehm waren, dass sie wie Stunden erschienen.
Endlich zerriss die Stimme des Grünäugigen die Stille: "Wer ist das?"
"Nicht dein Schülerwesen.", erwiderte der Eisäuige kühl und setzte fort: "Die Uhr hat funktioniert, doch sie brachte uns nicht die gewünschte Person, Vin."
"Das sehe ich und ist durchaus problematisch.", seufzte der Grünäugige. "Kann dann unser Vorhaben überhaupt noch gelingen?"
"Ich weiß es nicht."
Das Schülerwesen konnte es nicht leiden, wenn man über seinen Kopf hinweg redete, insbesondere, wenn das Thema der Unterhaltung das Schülerwesen selbst war. Unruhe stieg im Schülerwesen auf, sie würde zu einem Laut des Unbehagens führen, doch ehe das geschehen konnte, richteten sich die messerscharfen Augen des falkenartigen Eisauges auf das Schülerwesen. Als würde er spüren, dass Lu etwas sagen wollte:
"Verzeih, die Stunde der Not ist groß und unsere Irritation, doch es ziemt sich nicht, für einen Belletristicanischen Gentleman sich nicht vorzustellen. Man nennt mich Serlo Sulano, meines Zeichens Detektiv..", seine Hand leitete das Gespräch an seinen dunkelblonden Freund: "Ich bin Vin Irlando, der Belletristica-Hunter, freut mich dich kennen zu lernen...", der unsichtbare Gesprächsball küpfte nun zum Assassinnen: "Ich bin Luan T. Nexi, Lu oder Luan reicht aber vollkommen. Ich bin das Schülerwesen des Meisterbellogen Felix."
"Meisterbellologe hört, hört, dein Schülerwesen hat es zu etwas gebracht.", äußerte sich Serlo.
Vin strahlte förmlich vor Freude und Stolz: "Ich habe nie daran gezweifelt Serlo."
"Ich weiß Vin, doch können wir uns nicht mit Freuden aufhalten, die Bedrohung rückt näher und es gibt keine Chance ihn dazu zu rufen."
"Jaaaa.", raufte sich Vin die dunkelblonden Haare.
"Wenn wir Felix Bescheid geben kann er sicher morgen verfügbar sein.", schaltete Lu sich ein.
"Zu spät.", winkte Serlo ab.
"Leider.", nickte Vin zustimmend.
"Aber mit einer Portpotion könnte ich ihn sofort herholen."
"Nicht den, den wir brauchen. Diese Zauber funktionieren nur auf der Zeitebene, auf der man sich selbst befindet."
"Zeitebene?", langsam dämmerte es Lu, was passiert gewesen ist. "Welches Datum ist heute?"
"4.09.1999."
Die Augen des Schülerwesens weiteten sich wie die Augen eines Großaugenwichts: "Das ist zwei Jahre vor meiner Geburt!"
"Wo bin ich hier?"
"Dominion 21B, die Straße hat noch keinen Namen, aber in eurer Zeit, wird sie wohl den Namen Bellologenstraße haben."
"Woher wisst ihr das?"
"Ein Zeitgeist hat uns geholfen die Zeituhr zu bauen und uns in unserem Plan sie zu vollenden geholfen.", erwiderte Serlo
"Es wäre eine Möglichkeit.", überlegte Vin laut und ergänzte: "Aber nur wenn du sein Anliegen übernehmen magst."
"Bist du des Wahnsinns?", keifte Serlo ihn an. "Mit einem Ersatz ist der Erfolg geringer."
"Die Wahrscheinlichkeit eines Paradoxon aber auch, außerdem ohne "Ersatz" schaffen wir es nicht. Ich bin mir sicher Felix hat ihm schon viel beigebracht, was nützlich ist. Auch, wenn ich mich dagegen sträube ein Schülerwesen in diesen Kampf zu schicken, doch was bleibt uns übrig? Wagen wir es nicht, scheitern wir und das Ende ist sowieso gewiss, so besteht eine Hoffnung."
Luan nickte: "Wenn die Lage so ernst ist und ich helfen kann, werde ich es tun. Doch vorher würde ich gern mehr erfahren."
"Natürlich.", erwiderte Vin und schaute Hilfe suchend zu Serlo, der die Erklärungsnot seines Freundes nur zu gut kannte und deshalb die visuelle Bitte mit einem lauten seufzen entgegennahm.
"Eine unglaubliche alte und verdorbene Macht ist auf dem Weg hierher um unserem Heute, deinem Gestern, und unser aller Zukunft ein Ende zu bereiten. Es ist kein Zufall, dass sie in diese Zeit reisen wird und es steht fest, dass sie kommt. Denn in unserer Zeit ist der Kristall, der diese Bestie eins bannte, zerbrochen, doch diese Macht war noch nicht stark genug um ihre Tobsucht zu beginnen. So fraß sie eine Zeituhr, so wie jene die dich hier herbrachte, um in einer anderen Zeit Kraft zu tanken, um eines Tages zurückzukehren. Dieser Tag ist heute, in weniger als sechs Stunden wird die Rache von Klakojn die Welt erfassen und den Kontinent Belletristica von jeder Karte fegen. Wir konnten sie bisher in einer Zeitschleife fangen, sodass die Zeit weiterlaufen konnte und nur die Schäden des ersten Kampfes eine Auswirkung auf eure Zeit hatten. Doch so starben einige Arten, wie das Federohr aus, etwas was vor allem Vin und sein Schüler Felix nie gutheißen würden. Zudem wurde trotz Zeitschleife Klakojn immer mächtiger, noch ein oder zwei Zeitschleifen und sie wäre in der Lage, die Zeitschleife selbst zu lösen. Deshalb entschieden Vin und ich die Zeitschleife zu lösen. Um dies zu bewerkstelligen und den daraus entstehenden letzten Kampf zu gewinnen, mussten wir die Zeituhr, die du nun bei dir trägst, in eure Zeit entsenden und hoffen, dass der Bellologe sie rechtzeitig erhält. Denn diese hatte bisher die Zeitschleife aufrecht gehalten, nun ist die Zeitschleife zu Ende. Der Bellologe nicht hier und Klakojn hat freies Feld."
"Nein!", empörte sich Vin, "Ich werde kämpfen! Für die letzten ihrer Art, dass sie immer ein Zuhause haben werden, in das sie zurückkehren können."
Serlo und Vin schauten erst einander, dann zu Luan. Das Schülerwesen war sich der Situation nun bewusst und stimmte zu der Allianz beizutreten, allerdings unter der Bedingung, dass es mehr über die Zeituhr erfahren könnte.