Das Ornament bewegte sich und ungläubig hielt er seine Hand zur Tapete hin. Dort, wo früher einmal Wand gewesen war, war nun ein Dornenbusch und blutig und zerkratzt zog er seine Hand wieder heraus.
Er war gerade von der Arbeit heimgekehrt und müde. So legte er sich trotz den Umständen schlafen. Er träumte vom Fahrradfahren und doch weckte ihn jene Kutsche, die aus der Wand in das Zimmer hinein fuhr.
„Komm mit mir! Menschensohn!“, sagte die Königin von der Kutsche herab.
Leicht in Panik geraten, schrie der junge Mann um Hilfe, doch keine kam und so sagte die Königin noch einmal:
„Komm mit mir Menschensohn!“
Die beiden Leibwächter der Königin zerrten den jungen Mann auf die Kutsche. Gemeinsam fuhren sie durch den Dornenbusch, der einst nur ein Ornament gewesen war.
„Der Weg hierher ist unwegsam geworden. Damals als wir dich ablegten, war der Wald bewirtschaftet worden.“, sagte die Königin.
Der Mann schwieg, noch immer schlug sein Herz zu schnell um zu sprechen.
„Kannst du dich denn erinnern?“, fragte die Königin.
„Nein.“, sagte er und warf einen Blick auf die ihn umgebende Schneelandschaft. Riesige Straßenlaternen, erleuchteten die nun wieder besser befahrbaren Wege und blaue Wolken hingen vom Himmel herab.
„Dies ist dein Königreich.“, sagte die Königin. „Nun, da dein Vater tot ist, sollst du der König sein, über Winterburg. Und herrschen und regieren über die Elfen und Menschen die hier leben. Mathis, dies ist dein Erbe.“
Mathis, der Zeit seines Lebens nicht viel besessen hatte und bei seinem Fließbandjob, alle seine Energien verbraucht hatte, sagte:
„Ich glaube, das muss eine Verwechslung sein.“
„Aber ich erkenne dein Gesicht.“, sagte die Königin. „Ich vergesse nicht das Gesicht meines Sohnes.“
So fuhren sie durch die Schneelandschaft, nur einzelne Elfen kreuzten ihren Weg an den Bauernhöfen vorbei.
„Siehst du den Turm dort vorn? Das ist der Beginn von Shina. Der königlichen Stadt.“
Am Horizont ragte über dem Firmament die Spitze eines Turms hervor. Wie gebannt starrte Mathis auf das Königreich. Sie erreichten die vier Türme, die die Tore Shinas umgaben und fuhren hindurch. Menschen lebten hier inmitten von Hotels, Bordells, Spielotheken. Inmitten von Wohnhäusern, Bankhäusern und Marktgeschäften, fuhren sie über Wege die zum Schloss hin führten.
Das Schloss war riesig und mit sieben Türmen ausgestattet. In feinem Kobaltblau signierte es die Macht des Königshauses über Winterburg. In etlichen Spiralen, waren die Kuppeln der Türme verziert und mit allerhand Ornamenten, war das Bauwerk bestückt.
Mathis war verunsichert. Es war als hätte man ihn aus seinem alten Leben herausgerissen. Ihm sein altes Umfeld genommen. Schon seit einiger Zeit versuchte er aus einem Traum von Winterburg aufzuwachen, doch jetzt realisierte er, dass das was er erlebte echt war.
„Und wann kann ich zurück?“, fragte Mathis, als sie die Pforte des Schlosses passierten.
„Niemals.“, sagte die Königin.
Nachdem Mathis eine Nacht geschlafen hatte und das royale Frühstück gegessen hatte, wurde er im Thronsaal gekrönt. Hierbei wurden ihm sogleich die wichtigsten Dinge, die er als König zu wissen hatte, erklärt.
Das größte Problem, stellte der Krieg mit den Orks dar, während der wirtschaftliche Aufschwung des Landes, die wohl größte Stärke des Landes war.
Der Heeresführer erklärte Mathis, dass eine große Schlacht gegen die Orks bevor stünde und ob er den mit ihnen kämpfen wollte.
Das wollte Mathis nicht, doch gleichzeitig wollte er sich auch als König behaupten und so sagte er:
„Ja.“
Die Schlacht fand an der Grenze der Wiesen zum Wald statt. Während die Grenzen des Landes Winterburg, mit den Enden der Wiesen übereinstimmten, hatten sich die Orks in den Wäldern verschanzt um aus dem schattigen Dickicht heraus zu attackieren.
Mathis ritt, auf seinem prächtigen Pferd, vor den Hundertschaften seines Heeres. Dreißig Reihen hinter der Front, war er zugleich sicher vor der gegnerischen Front, sowie in einer guten Position um seine eigene Armee zu dirigieren.
Und so geschah es, das Mathis Armee an diesem Tag, wegen der großen Überzahl siegte. Auch wenn es weniger das Geschick des jungen Königs war, welches den Sieg verschafft hatte, wurde er hierfür sehr gelobt im ganzen Königreich und die Orks waren ein Stück weit schwächer geworden.
So lebte Mathis gut in Winterburg. Doch jede Nacht überkam ihn das Heimweh. Albträume plagten ihn, von Plagen über Winterburg und dass er nicht mehr in der Lage war, seiner Verantwortung gerecht zu werden.
Eines Tages versuchte Mathis deshalb zu fliehen. Mit seinen 19 Jahren, vermisste er seinen alten Fließbandjob und seine alten Freunde. Mit seinem Pferd, hatte er lediglich das Ziel, den Dornenbusch zu erreichen, der das Ornament seiner Tapete darstellte. Doch sollte das Portal aus Winterburg heraus verschlossen sein, was Mathis nicht wusste. Er ritt einen Tag lang nach dort und als er ankam, hatten ihn die ersten Orks in den Wäldern bereits bemerkt. Als das Portal dann unglücklicherweise verschlossen war, nahmen sie ihn gefangen und niemand im Schloss wusste wo er hin verschwunden ist.
Doch sie ahnten es und schickten einen Suchtrupp aus, der die Wälder erkunden sollte. Jedoch wurde dieser Suchtrupp von den Orks getötet.
So sandten sie einen weiteren Suchtrupp aus, auf dass man den jungen König zurückhole in die Wirklichkeit seiner Verantwortung über das Königreich. Auf dass man ihn rette, aus den möglichen Fängen der Orks, hatte die Königin gesagt.
Mathis lag gefesselt und geknebelt auf dem Boden, als der Suchtrupp das Lager der Orks erreichte. Während des Gefechts, wurden zwei der fünf Orks und vier der sechs Menschen getötet, bevor Mathis nach einem Schwert greifen konnte um seine Fesseln aufzuschneiden.
Hierbei verletzte sich Mathis an den Pulsadern und blutend zerschlug er die letzten der Orks bevor er bewusstlos umfiel.
Man brachte den jungen König zurück ins Schloss, der noch während der Reise an Verblutung starb.
Dies war das letzte Mal, dass man die Adelskinder aus Winterburg herausbrachte um sie vor den Gefahren dort zu beschützen.
Seit Mathis Tod ist bekannt geworden, dass die Adelskinder so nicht erlernen, die Verantwortung als König später dann tragen zu können.
Der Kontakt von Winterburg zur allgemeinen Welt ist für immer abgebrochen worden.