Einst existierte eine in trister Dunkelheit umhüllte Welt.
Kein Licht drang an ihre Oberfläche, noch besaß sie eigene Quellen zur Erleuchtung ihrer selbst. Die Natur der Welt war verstorben, ihre einstigen Bewohner hatten Reißaus genommen und irrten nun verloren in der Finsternis des Kosmos umher, auf der Suche nach Schutz. Menschen und Funken-Feen hatten ihre Heimatwelt genannt »Calysso« verlassen und schweren Herzens ihrem Schicksal überlassen müssen.
So war Zeit auf Calysso nicht mehr von Bedeutung.
Denn ohne Leben konnte nichts Neues beginnen, noch Altes verenden.
Es gab keinen Kreislauf des Lebens mehr, weder Wind noch Wetter existierten und Farben sowie Licht gehörten der Vergangenheit an. So wirkte Calysso wie in ihrem Augenblick des Todes erstarrt und gefangen, augenscheinlich ohne jegliche Chance auf Rettung.
Doch als Menschen und Feen durch ein Portal auf der Waldlichtung in einem Tal geflohen waren, entging ihnen ein zarter Schimmer welcher von der Mondgöttin Ekyria gesandt vom Himmel und gen Erde fiel, wo er in jener versank und eine strahlende Knospe hinterließ. Die Welt Calysso drehte sich einsam und verlassen als weiterer bedeutungsloser Fleck in der Finsternis – doch die Knospe strahlte unbeeindruckt ihren zarten Schein.
Mit einem Mal schien die Zeit doch zu existieren, denn die Knospe blieb nicht als solche, sondern wuchs allmählich zu einer bezaubernden Blume heran. Ihre Blätter und Blüten schienen wie aus Kristall gemacht; und ihr Licht leuchtete in allen Farben des Regenbogens. So schlug die Kristallblume größere Wurzeln und wuchs weiter und weiter.
Dies jedoch entging den Schatten nicht.
Zunächst gingen sie scheu auf Abstand, musterten wispernd und unverständlich flüsternd das für sie seltsame Etwas. Die Schatten waren über die alte Welt Calysso ein hergezogen, hatten sie bedeckt und dafür gesorgt, dass kein Licht mehr erstrahlen würde. Woher kam also nur dieser Schein, der gar nicht sein durfte?
Während die Schatten noch misstrauisch flüsterten und die Blume mit Abstand in ihrer Mitte hielten, ließ jene sich nach wie vor nicht beirren.
Es wirkte glatt so, als würde sich die Kristallblume voller Stolz den Schatten entgegenstrecken, wohl bewusst, dass ihr Licht auf dem Spiel stand.
Da wagte ein erster Schatten mit leichtem rumoren es sich der Blume zu nähern. Mit einem Satz fiel er über die Blume her! Bereit sie zu verschlingen und erneut für unendliche Dunkelheit zu sorgen. So hatte der Schatten schließlich eine Aufgabe zu erfüllen. Doch kaum berührte er die Kristallblume, stoben Stacheln aus ihr hervor und ihr Licht begann zu pulsieren. Leise heulend zuckte der Schatten zurück, doch war es schon zu spät und er löste sich unter dem Licht der Blume auf.
Aus der schlichten Kristallblume hatte sich nun eine große Kristallrose entwickelt. Nahezu drohend funkelten ihre Dornen gen beunruhigt flüsternden Schatten. Was hatte dies nun wieder zu bedeuten? Würde diese Rose es gar wagen sich den Schatten allesamt in den Weg zu stellen? Unsicher ging die finstere Schar weiter auf Abstand. Zudem ruhigen Flüstern hatte sich ein verängstigtes Zischen gesellt. Die Rose würde die Aufgabe der Schatten nur vereiteln, die Welt Calysso war alt und würde unter stärkerer Einwirkung der Blume zerbrechen.
Denn dies war etwas, was die Menschen damals nie erfahren hatten, als sie ihrer alten Welt entflohen waren. Es gab keine Ewigkeit. Wie ihre Heimat nicht ewig in Licht getaucht existieren konnte, so konnte sie es auch nicht in ewiger Dunkelheit. Es waren schlicht zwei Mächte, die sich einander auswogen und für das Ende und den Anbeginn eines neuen Kreislaufes zuständig waren. Aber die Menschen hatten den Pfad zu ihrer Heimat längst verloren und würden jene auch nie wieder im Lichte erstrahlen sehen. Doch die Welt Calysso befand sich inmitten des Zwiespalts.
Allmählich schienen die Schatten an Mut zu fassen.
Sie konnten es wirklich nicht verantworten, dass die Kristallrose das Gleichgewicht durcheinander bringen würde! Manch ein Schatten rumorte bereits bedrohlich. Es war gefährlich, versuchte man den natürlichen Wechsel mit einer gebündelten Macht zu beschleunigen. Und die Kristallrose war solch eine gefährliche Macht.
Da rafften sich die Schatten schließlich auf. Sie wussten, was zu tun war.
Wie eine Welle bauten sich die Schatten gemeinsam über der Rose auf.
Immer größer und immer mächtiger ragten sie gen unkenntlichen Himmel. Immer weiter und bedrohlicher wurde ihre Erscheinung. Dann stürzten sie ein. Die Welle aus purer Finsternis brach und rollte zusehends auf den kleinen Fleck Licht hinab. Mit einem Mal wie in einen Blitz verwandelt schossen die Schatten gebündelt auf das Licht zu!
Dies sollte endgültig der Kristallrose und des Lichts Ende sein...