Ich erwachte am späten Vormittag. Noch ziemlich müde und schlaftrunken dachte ich zunächst nur daran, dass ich ja zum Arzt musste. Und bei meiner Chefin wollte ich auch noch anrufen, doch erst nach dem Arztbesuch. Ich duschte und zog mir frische Sachen an. Die alten, getragenen, stopfte ich in die Waschmaschine. Plötzlich hatte ich tief in mir eine Gewissheit, einen Satz.
"Ich werde nicht mehr dort arbeiten...?"
Das wiederholte ich leicht verwirrt. "Wer sagt das? Und warum?" Doch es kam keine Antwort. Nur Alice sprang vom Bett, auf dem sie bis dahin gelegen hatte, und tapste auf mich zu. In ihrem Blick lag etwas Bedauerndes. Moment mal, wie kann eine Katze mich verstehen? Weiß Alice etwa, was los ist? Ich lächelte und tat diese Gedanken als Unfug ab. Ich streichelte Alice und zog meine Jacke an, bevor ich mich auf den Weg zum Hausarzt machte. Ich schilderte mein Problem und das ich kräfte- und nervenmäßig so ziemlich am Ende war und er schrieb mich eine Woche krank. Mit dem Hinweis, dass ich wieder zu ihm kommen sollte, wenn es noch nicht besser wurde. Ich nickte und bedankte mich.
Wieder zurück zu Hause hatte ich ein mulmiges Gefühl. Nun war es Zeit, die Chefin anzurufen und ihr zu verklickern, dass ich mindestens eine Woche ausfallen würde. Ich suchte die Nummer in meinem Handy und drückte auf den grünen Hörer. Sie war natürlich nicht sehr begeistert, das hörte ich heraus. Sie wünschte mir eine gute Besserung und das Gespräch war beendet. Ich atmete erleichtert auf. Sollte ich mich getäuscht haben, mit der Vorahnung? Woher kam sie überhaupt?
Plötzlich durchzuckte mich der Gedanke an die Email wie ein Blitz. Diese Juliana hatte mich mit "Minerva" angesprochen, obwohl ich den Namen nirgendwo angegeben hatte! Woher konnte sie wissen, dass ich den Namen sozusagen als Zweitnamen bekommen hatte? Ich war doch gerade dabei, mich mit ihm anzufreunden und damit klarzukommen... Mir lief es kalt den Rücken herunter. Irgendwas stimmte da doch ganz und gar nicht... Trotzdem nahm ich meinen Mut zusammen, und las mir die Email noch einmal durch. Da stand tatsächlich:
"Hallo Minerva :)"
Und ihre Handynummer.
Sollte ich wirklich anrufen...? Was wenn es eine Falle war? Man mir nur irgendetwas verkaufen wollte? Ich schluckte und beschloss es zu probieren. Wenn es mir zu viel wurde, konnte ich schließlich immer noch auflegen. Mit zittrigen Fingern tippte ich die Nummer in mein Handy. Es tutete mehrmals, bis sich eine freundlich klingende Frauenstimme am anderen Ende meldete. Sie muss in meinem Alter sein, so wie sie klingt, dachte ich. "Hallo?", fragte Juliana noch einmal.
"Ja, ähm hi... Ich bins, Minerva...", stammelte ich nervös. Ich wollte jetzt darauf achten, meiner Stimme einen festeren Klang zu geben.
"Oh, hallo meine Liebe! Ich habe auf deinen Anruf gewartet." Ich höre ihr Lächeln praktisch durchs Telefon.
"Woher wusstest du, wie ich heiße?", sprudelt es aus mir heraus.
"Mein Traum hat es mir verkündet. Du bist jetzt eine von uns Hexen.", erklärte Juliana mit feierlicher Stimme. Doch statt einem "Aha!", habe ich noch mehr Fragen im Kopf.
"Aber wie ist das möglich...? Wieso träume ich so etwas, und bekomme Hexenkräfte, sofern ich sie denn überhaupt habe ..."
"Sehr vieles ist vorherbestimmt. Was geschehen soll, geschieht auch. Früher oder später. Es ist sicher sehr verwirrend für dich." Keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich antwortete trotzdem.
"Ja, das ist es... Ich fühl mich echt komisch", gestand ich Juliana.
"Ich würde dich gern besuchen kommen, um dir zu helfen. Du wirst staunen, was du alles kannst und können wirst.", sagt sie freundlich. Ich fühlte mich wohl bei dem Klang ihrer Stimme. Dadurch ließ ich alle Vorsicht fahren, und verriet ihr meine Adresse. So stellte sich heraus, dass sie nicht allzu weit weg wohnte. Mein Gefühl vermittelte mir, dass es richtig war, was ich tat. Ich hoffte, dass es Recht hatte.
Wir machten einen Termin am folgenden Wochenende aus, dann verabschiedeten wir uns voneinander. Mein Gefühl, was ich eher am Tage hatte, sollte sich bewahrheiten.
Zwei Tage später hatte ich die Kündigung im Briefkasten.