Natürlich hatte ich gewusst, dass die Einladung nicht ohne Hintergedanken erfolgt war. Dennoch war ich ihr gefolgt und bisher hatte ich keine Minute bereut, hier zu sein.
Die Sonne tauchte die Wasseroberfläche in ein Lichtspiel aus tausend tanzenden Blautönen, dem ich nicht hatte widerstehen können. Ein Teppich aus unberührten Wellen nur für mich. Ich schob meine Sonnenbrille auf die Nase und ließ mich auf dem Rücken liegend im Wasser treiben.
Der Sommer konnte nicht besser beginnen. Dieser tiefblaue, wolkenlose Himmel über mir. Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Weinberge und Wanderwege rund um mich. Patrick hatte den Ort perfekt gewählt und bei dem Ausbau und der Ausstattung sowohl Geschmack als auch Geschick bewiesen. Es war ein Paradies inmitten der Natur.
Ein Wochenende voller Wellness und Entspannung. Genau das, was ich gerade so dringend nötig hatte. Wie hätte ich da nein sagen können?
Mit den Armen stützte ich mich auf dem Rand des Infinity Pools ab und ließ meinen Blick über die Landschaft gleiten. Sonnenbeschienene Hügel und Weinberge.
"Die Aussicht ist herrlich, nicht war?"
Ich antwortete, ohne die Augen von der Kulisse zu lösen. "Ein Traum."
"Genieß es noch ein wenig. Ich habe dir Erdbeeren und etwas zum Anstoßen gebracht."
Das Gesagte verlockte mich nun doch dazu, mich umzudrehen.
Gerade war Patrick dabei, ein Tablett am Rand des Beckens abzustellen.
"Danke, das ist lieb von dir." Irgendwann im Laufe des Vormittags hatte ich aufgehört mit dem Zählen meiner zahlreichen Dankeschöns.
Mein alter Freund aus Jugendtagen war schon immer für seine Großzügigkeit und seine offene Art bekannt und beliebt gewesen.
Lachend und in Erinnerungen an unsere gemeinsame Schulzeit schwelgend, ließen wir die Gläser klirren und genossen die süßen Früchte, die er auf seine liebevolle Art mit Sahne und Schokoraspeln verfeinert hatte.
"Dafür erwarte ich natürlich auch etwas." Er zwinkerte mir zu und in seinen Augen blitzte es.
"Ich weiß", genüsslich biss ich in die saftige Frucht und ließ mir den Geschmack auf der Zunge zergehen, ehe ich antwortete, "dafür bekommst du natürlich eine wundervolle, supertolle Bewertung auf sämtlichen Portalen von mir."
Er grinste breit. "Danke dir, Jen."
Ein wenig später brachen wir zu einem Spaziergang in die umliegenden Weinberge auf.
"Es gibt da einen Aussichtspunkt, den ich dir unbedingt zeigen will."
Patrick war nicht zu bremsen. Verständlich, das fertig gestellte und kurz vor der Eröffnung stehende Wellness-Ressort war sein ganzer Stolz und ich hatte es nicht fertiggebracht, sein enthusiastisch vorgetragenes Anliegen abzulehnen, obwohl ich Sauna und Abkühlung ebenfalls verlockend gefunden hätte. Aber dazu blieb mir ja noch der Abend.
"Die Landschaft ist wirklich herrlich", gestand ich.
"Nicht wahr? Ich kann hier ein Rundum-Paket bieten. Wellness und Sport. Ich verleihe sogar Wanderkarten und Walking-Equipment. Meinst du, wir sollten auch ein paar E-Bikes zur Verfügung stellen?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Vielleicht. Für mich wäre das nichts. Die Wellness-Lounge und der Pool würden mir vollkommen reichen. Dazu noch diese tolle Grotten-Bar mit dem Wasserfall und der begrünten Wand. Was will man mehr?"
Patrick schien für den Rest des Weges in seine Gedanken versunken und ich bewunderte die Aussicht.
Irgendwann steuerte er auf eine Bank zu, von der aus man das gesamte Tal überblicken konnte. Auch das Gebäude, das Dach und einen Teil der Gartenanlage seines Ressorts war etwas unterhalb zu erkennen.
Patrick musterte es mit stolzem Blick. Dann räusperte er sich.
"Du weißt, dass es eigentlich noch einen anderen Grund gibt, weshalb ich dich eingeladen habe?"
Ich schluckte und wappnete mich innerlich auf das, was jetzt kommen musste, trotzdem zwang ich mich dazu, ihn anzuschauen. Ich hasste es, wenn ich Leuten etwas abschlagen musste. Vor allem Leuten wie Patrick, die so gutmütig waren und die ich schon so lange kannte, mit denen mich eine gute Freundschaft verband, die ich nicht gefährden wollte.
Er druckste ein wenig herum, wich meinem Blick aus. Ich merkte, wie er sich die Hände rieb, mit den Schuhsohlen über die Erde fuhr.
Auch meine Hände wurden mit jeder Minute schwitziger. Wie konnte ich ihm erklären, dass ich nichts für ihn empfand? Außer Freundschaft. Ohne seine Gefühle zu verletzen? Es würde nicht gehen und ich hasste es.
"Möchtest du-", setzte er an.
"Ja?", fragte ich schlapp und bearbeitete indessen meine Fingernägel.
"Könntest du dir vorstellen-" Er scharrte mit der Fußspitze im Gras.
"Was?" Ich rutschte ein Stück von ihm ab.
"Also, du weißt ja, dass ich noch eine Geschäftsführerin suche und da dachte ich-"
Jetzt schaute ich ihn interessiert an.
"Da dachte ich an dich. Hättest du Interesse?"
Beinahe konnte ich das Krachen hören, mit dem mir ein Stein vom Herzen fiel und auf dem Boden aufschlug. Also daher wehte der Wind.
"Das käme natürlich auf die Umstände an, aber im Prinzip ja. Ja, das könnte ich mir tatsächlich vorstellen. Du weißt ja, dass mein Vertrag nächsten Monat ausläuft und ich noch nichts in Aussicht habe."
Er nickte. "Dann schlage ich vor, du genießt heute noch das Angebot, lässt es dir gutgehen, testest alles aus und morgen besprechen wir die Details. Einverstanden?"
Jetzt war es an mir zu nicken und ihm um den Hals zu fallen.
Mit dieser Zukunftsaussicht würden mir die Entspannung und das Genießen sicher noch leichter fallen. "Danke", hauchte ich an seine Schulter.
Es würde mit Sicherheit nicht das letzte Danke zwischen uns gewesen sein und dafür war ich unendlich dankbar.