“Weißt du, was ich mich schon die ganze Zeit über frage?” Der Android sah sie aus seinen tiefblauen Augen an, während er gemütlich aus seinem Cocktail schlürfte.
“Mhm?” Sie sah nicht auf. Stocherte einfach nur in ihrem Salat, der so anders war, als erwartet. Nicht frisch, nicht knackig. Das schlimmste war allerdings der Geruch. Wahrscheinlich war eine Bar nicht die beste Anlaufstelle für gesunde Snacks.
“Projekt Müde Helden" Nun sah sie doch von ihrer Schüssel auf und schenkte ihm ihre Aufmerksamkeit. Aber er blieb still und musterte sie nur. Aus diesem alterslosen Gesicht, dessen bionische Lippen das kecke Grinsen eines jungen Mannes imitierten. Normalerweise hätte sie es gemocht. Nun aber erschien ihr dieses Thema weitaus interessanter, als ein potentieller Flirt - und vielleicht eine heiße Nacht.
Es hatte lange niemand mehr darüber geredet, zumindest nicht in ihrer Gegenwart. Und Androiden mieden dieses Thema. Insbesondere dann, wenn ein Mensch in ihrer Nähe war.
“Ja”, sagte sie und hoffte, dass er weitersprechen würde. “Was ist damit?”
“Kann man euch überhaupt noch als Mensch bezeichnen?”
Sie blinzelte und wollte so vieles erwiedern. Aus ihrem Mund kam dennoch nur: “Wie?”
“Na seid ihr noch menschlich, wenn euch alles genommen wurde, was euch ausmacht?”
Ihre Gabel landete in der Schüssel und sie legte den Kopf schief. Ein weiteres Wie? wollte ihren Lippen entschlüpfen. Doch dann verstand sie.
“Interessante Frage.”
Der Andriod nickte, der Gesichtsausdruck nun völlig neutral. “All eure früheren Aufgaben liegen in unseren Händen. Ihr forscht nicht mehr. Ihr führt keine Kriege mehr”, wir lassen sie führen, fügte sie in Gedanken an, “keiner geht mehr arbeiten, niemand sorgt sich mehr…” Er zuckte mit den Schultern und der Blick, der eben noch weich gewirkt hatte, bohrte regelrecht auf ihr.
Ja, Projekt Müde Helden hatte einiges geändert und die Menschheit in eine Phase der Ruhe und Entspannung entsandt, die sie sich nach tausenden von Jahren harter Arbeit und Forschung verdient zu haben glaubten. So war es ohnehin besser für alle, die gängige Meinung und Entscheidungen besser bei künstlicher Intelligenz aufgehoben, als emotionalen Wesen.
“Wenn wir in all diesen Dingen also euren Platz eingenommen haben: Was sind wir und wer seid ihr?”
“Philosophisch", kommentierte sie und kam dennoch nicht umhin, weiter darüber nachzudenken. Selbst dann noch, als sie die Bar bereits lange verlassen hatte.
Es erinnerte sie viel zu sehr an eine alte Frage, die sie einmal in einem Geschichtsbuch gelesen hatte: Wenn man den Kopf eines Hammers tauscht und einige Zeit später auch den Griff, ist es noch immer derselbe Hammer?
Andererseits, sie schüttelte den Kopf, so einfach konnte man diese Frage nicht auf die Menschheit überführen. Nur weil sie sich zur Ruhe gesetzt hatten, waren sie ja noch lange nicht ersetzt worden.
Oder?