Sonntags trafen sich Moni, Uwe und die Kinder mit Thommy und seiner Familie in Südtirol zum Mittagessen in ihrem Lieblingsrestaurant. „Schon in drei Wochen ist es soweit,“ freute sich Thommy auf den gemeinsamen Urlaub auf Mallorca. „Mein Freund, du bist bestimmt genauso urlaubsreif, oder?“ Er klopfte Uwe auf die Schulter. Dieser nickte heftig, er hatte den Mund voll mit leckeren Speckknödeln.
„Ich freue mich, dass meine tolle Frau über ihren Schatten springt und in ein Flugzeug steigt!“ Moni verdrehte die Augen, „Aber nur weil wir lediglich eine Stunde Flug haben!“ Sie besprachen noch einiges zum Ablauf und Organisation. Uwe konnte sich höchstens fünf Tage am Stück frei nehmen, da war eine gute Planung wichtig.
„Das ist so klasse, dass ihr Linus und Lara mitnehmen könnt,“ freute sich Resi. „Ja, unser erster Urlaub mit Kindern,“ Moni lachte, gab ihrem Schatz einen Kuss. Uwes Glück stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ursprünglich hatte Uwe sogar Lina mit ihren Kids zu diesem Urlaubstrip eingeladen. Platz gäbe es in der Finca genug. Doch ihre jüngste Tochter hatte große Flugangst und traute sich diese Reise nicht zu. „I komm lieber in den Ferie zu eich uff de Hof,“ war damals ihre Antwort. Ohne Lina wollte Moni ihre Enkelkinder nicht dabei haben. Sechs kleine Kinder waren ihr bei aller Liebe nun wirklich zu viel.
Nach dem Essen rannten die Zwerge auf den benachbarten Abenteuerspielplatz. Uwe und Thommy trotteten hinterher, sie waren heute die Aufpasser. Die Frauen gönnten sich in der Zwischenzeit ein Glas Aperol Spritz, sie legten sich auf die bereitgestellten Liegestühle und genossen das süße Nichtstun.
„Thommy, hör zu. Im Urlaub möchte ich meiner Herzdame endlich einen richtigen offiziellen Heiratsantrag machen.“ „Ach wie schön!“ Er freute sich ehrlich für seinen Kumpel. „Ich weiß nur nicht genau wie und wo. Ich brauch deine Hilfe, denn es darf nichts schief gehen!“ Thommy nickte, „Ja, du darfst es auf keinen Fall in der Öffentlichkeit machen. Du würdest Moni damit nur in Verlegenheit bringen. Und übertreibe es nicht! Lass dein Geld und deine Macht in so einer Situation außen vor. Entweder du gehst alleine mit ihr zu einem Spaziergang an den Strand oder zum Abendessen bei einem romantischen Sonnenuntergang. Wir übernehmen in der Zeit die Kinder.“ „Gut, das ist eine super Idee. Vielen Dank. Danke mein Freund“, er konnte seine Vorfreude und Aufregung er kaum verbergen. „Hey, ich drück dir jetzt schon die Daumen!“
Uwe hatte sich in den letzten Wochen immer wieder die Zukunft mit Moni ausgemalt. Wie sie Seite an Seite gemeinsam durchs Leben gehen würden. Seine große Liebe und er, der Chefarzt Dr. Uwe Ortner. König und Königin. Sie war für ihn bestimmt, das war ihm schon lange klar. Und sie würde eine bezaubernde Braut werden. Die Schönste überhaupt. Er wünschte sich eine richtige Traumhochzeit, wie in einem Märchen in einem Bilderbuch. Nur eben in echt.
Er konnte es kaum erwarten. Hoffentlich war seine Herzdame inzwischen bereit dazu.
***
Moni kam zu spät in die Kantine. Uwe war bereits fertig mit dem Essen und brachte sein Tablett zurück. Mitten auf dem Weg nahmen sie sich liebevoll in den Arm, gaben sich einen langen Kuss vor all den Schwestern und Klinikmitarbeitern. „Schatz, es tut mir leid, ich habe heute so viel Arbeit.“ Uwe zwinkerte ihr zu „Das kenn ich. Ist nicht schlimm mein Engel. Treffen wir uns später zu einem Kaffee? Heute gibt es Apfelstrudel. Ich muss jetzt in den OP, nichts Besonderes, nur ein Routine-Eingriff.“ „Gut, das machen wir so.“ Sie lächelten sich verliebt zu.
Moni aß hastig einen Salat und tippte nebenher Nachrichten auf ihrem Handy. Heute war so ein Tag, an dem die ganze Welt irgendwelche Fragen, Bitten oder Anliegen hatte. Genervt verließ sie schon nach kurzer Zeit die Kantine. Sie wählte Käthes Nummer und spazierte gemütlich durch den Park, um wenigstens zehn Minuten an der frischen Luft zu sein. Interessiert hörte sie sich Käthes Erzählungen aus der Schule an. „Süße, es freut mich so sehr, dass du glücklich in der Schule bist! Das ist fantastisch, ich muss nur leider jetzt weiter arbeiten. Heute habe ich richtig Stress!“ „Ok, Mami, dann viel Erfolg. Ich hab dich lieb!“
„Hab dich auch lieb. Ach, was ich dich noch fragen wollte, kannst du Bruno noch eine Nacht nehmen?“ „Ja klar, Mami!“
Moni öffnete nun schon zum dritten Mal die Schubladen mit den Patientenakten. In großen Schränken waren diese alphabetisch sortiert. Sie stieß dabei die Luft aus und fuhr sich genervt durch die Haare. Trotz der funktionierenden Klimaanlage kam sie ins Schwitzen. „Das ist doch zum...“ „Was suchst du denn, Moni?“ Ihre junge Kollegin sah sie fragend an, „Ich helfe dir gerne“, „Heinz, ich suche die Akte Heinz. Heinz ist in diesem Fall der Nachname und ich hab die Befürchtung, dass die Unterlagen deswegen falsch abgelegt wurden.“
„Könnte natürlich sein, aber manchmal haben die Ärzte die Akten noch bei sich im Zimmer. Oft gibt es es noch was zu klären.“ „Danke für den Tipp!“
Daraufhin schlenderte Moni zur Station K1 und das Schicksal nahm seinen Lauf.
Schwester Heidi begrüßte sie freundlich, bedauerte aber, dass Uwe im OP sei. „Ja, ich weiß. Kein Problem ich suche lediglich eine Akte, das kann ich auch ohne ihn.“ „Aber sein Zimmer ist abgeschlossen!“ Moni nickte, kramte nach ihrem Schlüsselbund und zeigte ihn der Schwester. „Wie schon gesagt, es ist kein Problem.“ Doch auch hier fand sie keinerlei Unterlagen mit dem Buchstaben H. Bei Uwe herrschte eine penible Ordnung und Sauberkeit. Alle Achtung.
Moni überlegte kurz und lief dann weiter zu Victors Zimmer. Die Türe öffnete sich und er kam gerade in diesem Moment heraus. „Halli hallo schöne Frau, was führt dich zu mir? Dein persönlicher Arzt wurschtelt gerade in einem Gehirn umher!“ „Ich weiß,“ sie lachte kurz auf, „Du Victor, ich suche verzweifelt nach der Akte Heinz. Vielleicht ist sie bei dir?“ Der Oberarzt zucke mit den Schultern, „Hör zu, ich bin gleich wieder da, hol mir nur schnell einen Kaffee. Geh doch schon mal rein und schau dich um.“
Auf dem Schreibtisch und in den Regalen stapelten sich ungeordnet Akten und Dokumente sowie Röntgenbilder. Was würde ihr Uwe zu solch einem Durcheinander wohl sagen? Lächelnd öffnete sie einen Schrank und tatsächlich lagen hier einige Ordner. Beim Buchstaben H angekommen, wurde sie ganz aufgeregt, ihre Hände begannen zu zittern, gleichzeitig erkannte sie einen Namen: Häberle, Herbert
„Ach“, es war nur ein Flüstern.
Langsam und vorsichtig öffnete sie den dicken Ordner. Heraus fiel ein Formular mit der Überschrift Kriminaltechnischer Bericht, H. Häberle