"Ich weiß nicht, wie ihr es immer schafft, solche Bruchbuden aufzutun. Wann hat diesen Ort zuletzt einer gesehen? In den frühen Dreißigern des letzten Jahrhunderts?"
Mia stapfte missmutig durch das Durcheinander aus Maschinen, Papier, Kisten aus Holz und zerbrochenen Flaschen. In der Mitte des Raumes gab es unter einem Loch im Dach sogar eine Feuerstelle.
Aisuluu, auch schon mit Spinnenweben überzogen, lächelte unbestimmt.
"Unsere Kinder würden sich hier wohlfühlen."
Mia hob die von irgendwelchen Getier zerfressenen Reste eines Schlafsackes an: "Meine Tochter würde ich hier nicht herumlaufen lassen. Wer weiß, was die findet."
"Alte Kondome?"
"Gott bewahre, die bläst die nachher noch auf. Aber mal ehrlich. Die Abbruchhäuser in Frankfurt, die verlassene Eisfabrik in Berlin, die Tropfsteinhöllen ähnliche Villa in München, die Wasserburg mit dem Wasser bis zur Decke im Keller, die alte Ziegelei in Brandenburg und jetzt diese ... was war das hier eigentlich?"
"Du hast das Hostel und den halb gesunken Kahn in Hamburg und die Kaserne mit Altlasten im Hunsrück vergessen. So viel ich weiß, war das in DDR Zeiten ein Hotel für die oberen Zehntausend. Die Aussicht ist doch herrlich."
"Mag sein, aber wer soll bis hier rausfahren für unser spezielles Angebot? Von den Mädchen ganz zu schweigen."
"Soviel ich verstanden habe, soll das hier kein Bordell werden."
"Nicht? Was will der Boss dann mit dem Kasten? Seniorenheim für ihre Rocker, wenn sie sich nicht mehr am Lenkrad festhalten können?"
"Eigentlich will Ines hier was draus machen", warf Aisuluu schulterzuckend ein.
"Eine Auslagerung für die Schule? Hier? Was sollen hier Schülerinnen lernen? Wie man am besten durch einen Boden bricht? Schau dir den Mist doch an. Die anderen werden Monate brauchen, um in diesem Kasten überhaupt die Böden wieder zu finden."
"Mia? Kennst du den Spruch mit dem geschenkten Gaul?"
"Ich kenn den Spruch mit dem Indianerpferd. Diese Haus braucht eine Abrissbirne. Keine fleißigen Schülerinnen, die versuchen hier Ordnung zu schaffen."
Mit zwei Fingern hob sie den Deckel einer Kiste und sah flüchtig zehn paar Augen, bevor sie ihn wieder schloss.
"Dieses Haus ist ein Biotop. Es aufzuräumen bedarf garantiert biologischer Ausgleichsmaßnahmen."
Mia drehte sich um und stapfte vorsichtig durch den Unrat zurück zu Aisuluu, die sich nicht von der Treppe wegbewegt hatte.
"Und jetzt?", fragte Mia in ihrem ganzen verdreckten Aussehen die fast genauso versiffte Aisuluu.
"Jetzt erklären wir Julia, dass dieses Haus nur gerettet werden kann, wenn sie selber herkommt, statt ihren Arsch ihrem neuen Architektenfreund ins Gesicht zu halten. Ich sehe es wie du. Die Schule braucht dieses Durcheinander nicht. Wenn wir es abschließen und den Schlüssel wegwerfen, haben wir das richtige getan."
"Wird Julia nicht einsehen", seufzte Mia und öffnete den Koffer. Kurze Zeit später scannte das aufgestellte Gerät auch den letzten Raum eines Hotels, dass erst ein Hotel für Nazigrößen und dann für DDR-Größen war. Sowas wollte sich niemand antun, weshalb es wohl der nächste Palace für die little Angle wurde.
Mia seufzte.