Ich konnte mich noch genau an ihr Kleid erinnern. Das kräftige Blau sorgte für einen wundervollen Kontrast zu ihrer schwarzen Haut. Ja, meine Oma war nicht nur Kaffeebraun, in der Nacht konnte sie sich vor einem Mondlosen Himmel verstecken, wenn sie nicht lachte. Sie lachte aber immer.
Sie brachte mir das richtige Verstecken bei. Sie war sogar noch besser als mein Opa. Mein Mutter fuhr mit uns Kindern in jeden Ferien zu Opa. Mein Erzeuger kam nie mit. Das blieb auch so bis zum letzte Mal, als mich Oma danach zuhause absetzte und sagte, dass meine Mama wohl länger nicht wieder kommen würde, sie aber versuchen wolle, sie zu finden. Das ganze Wochenende war da nur noch wie ein Traum.
Es war ein großer Tag für meine Oma gewesen. Ich kann mich an eine Burg erinnern, die angemietet wurde, weil so viele Kinder dabei waren. Ich, meine Mama und mein Opa waren die einzigen, die nicht Schwarz oder Braun waren. Trotzdem habe ich an dem Tag beim Verstecken immer gewonnen. Alle haben mich gelobt.
Und dann kam der Teil, der dies alles unwirklich erscheinen ließ. Wir saßen alle in einem Bus und fuhren heim. Der begann zu schlingern und brach plötzlich aus. Tief stürzte er in eine Schlucht. Ich habe Menschen weinen und schreie gehört. Und dann kamen die Männer.
"Versteckt euch und überlasst mir das kämpfen", hat Oma gesagt.
Die Männer trugen schwarze Masken und hatten Waffen. Sie zerrten die Kinder weg und schossen auf meine älteren Onkels und Tanten. Auch meine Mutter zerrten sie von mir weg. Ich versteckte mich in aller Öffentlichkeit, wie meine Oma es mir erklärt hatte. Und dann gab es noch mehr Schüsse und Schreie. Dann wurde es still.
Ich weiß noch, oder ich glaube zu wissen, dass meine Hose nass wurde, aber ich lag auch mit halben Gesicht im Wasser. Ich machte mich nicht bemerkbar. Ich bewegte mich keinen Millimeter, bis meine Oma kam. Sie zog mich aus den Trümmern des Albtraums und trug mich auf ihren Armen zu meinem Vater.
Als ich stumm auf dem Sofa lag, hörte ich ihr Flüstern und meines Vaters Worte der Herablassung. Dass ja ihre Haut wohl nun seine Bestimmung ereilt hätte. Meine Oma ist nie auf dies Art der Bemerkungen eingegangen. Ich kann mich noch an die kalte Frage meines Vaters erinnern.
"Und mein Weib?"
"Ist fort. Such nicht nach ihr."
Das war das letzte Mal, dass ich Opa, Oma und alle anderen der Familie sah. Ich durfte nicht mehr zu ihnen. Auch meine Mama kam nicht mehr zurück.