Die rote Linie…
Manu hatte sie klar überschritten, aber nun bin ich keine bösartige Frau. Ich lag keineswegs im Bett und überlegte, wie ich ihr Einhalt gebieten sollten, denn mal ehrlich, wie bremst man Niedertracht?
Entweder ist ein Mensch niederträchtig oder er ist es nicht. Ich mag damals noch jung gewesen sein mit Mitte zwanzig, aber alt genug, um mitbekommen zu haben, dass solche Menschen sich stets im Recht fühlen, egal, was man tat oder sagt.
Mit ihr zu reden schied daher schon mal aus.
Das Federbett knisterte, als ich mich auf den Rücken drehte. Die Zikaden draußen kreischten, die Sonne war längst im Meer ersoffen und es roch nach Sex.
Auch heute vergesse ich nicht, wie wild es mich gemacht hatte, wenn Daniel ein Spiel hinter sich hatte. Er hatte bereits vor seiner Versetzung, mit der unser Umzug einhergegangen war, American Football in Deutschland gespielt. Damals in der ersten Liga. Hier in Florida reichte es, auch wegen der Arbeit und der Dienstzeiten, lediglich für die Regionalliga, aber für einen Mann, der nicht in den USA aufgewachsen war, spielte er verteufelt gut.
Und dieser Geruch, nennen wir es Duft, von Schweiß, Erde, Gras, Blut, alles geschwängert mit Testosteron, das machte mich damals an, und tut es noch heute.
Football ist bei weitem kein brutaler Sport, er sieht für die Laien bloß so aus.
Rugby, was sie auf der Insel in Europa spielten, war wesentlich grausamer, aber den heißesten Sport, in oben stehender Hinsicht, sah ich in Italien. Der brutalste Sport der Welt, aber den hat er nie gespielt, und wird ihn nie spielen, denn dafür muss man in jener Stadt geboren sein.
Egal, ich lag da, und war glücklich neben meinem selig schlafenden Mann, der nicht wusste, dass er von der Trulla begehrt wurde…
Halt, nein! Begehrt. So ein Unsinn.
Er merkte nicht mal, dass sie ihn anbaggerte. Aber selbst wenn er es gespürt hätte, wüsste er ja nicht, warum. Nämlich weil sie mich hasste.
Warum hasste sie mich?
Das ist die Grundfrage meines Lebens.
Ich griff neben mich, um die Wasserflasche auf dem Nachttisch aufzuschrauben, und einen Schluck zu nehmen.
Mit erst Sechsundzwanzig passierte mir das nicht zum ersten Mal. Ich schien die Menschen zu polarisieren, Frauen insbesonders, was meistens daran lag, dass deren Männer mich mochten. Aber selbst wenn ihr Erik mir dieses Kompliment nicht gemacht hätte, wäre sie auf ihre subtile Art über mich hergefallen.
Ein Auto näherte sich. Mit ihm Informer von Snow. Der Wagen fuhr vorbei, die Musik entfernte sich.
Denn selbst, wenn es dieses Kompliment nicht gegeben hätte…
Ich hatte da etwas an mir…
Christina kam mir in den Sinn. Sie war eine in Deutschland zurückgebliebene Freundin, die in den Jahren, die wir hier lebten, unsere Wohnung in Köln bewohnte, weil sie als Anwältin einen temporäreren Job in einer Kanzlei angenommen hatte. Einser Examen, sie hatten sich förmlich um sie geschlagen. Ich dachte, dass sie ebenso polarisierte wie ich, obwohl wir grundverschiedene Typen waren.
Sie war groß und schmal.
Ich klein, mit einer Monroe-Figur.
Sie hatte dunkles Haar mit einem Stich ins Kastanienfarbene.
Ich war blond.
Ich Augen waren riesig und braun, womit sie eine Schutzbedürftigkeit signalisierte, die ihr nie innewohnte. She was a maneater.
Ich kicherte eine Spur zu laut. Daniel ruckte aus dem Schlaf.
"Was los?", murmelte er.
"Nichts", summte ich. "Ich dachte nur gerade an eure Dienstreise nach Hause."
"Ist ja erst in einer Woche." An mir vorbei tastete er nach der Wasserflasche. Ich half ihm. Sagte, während er trank: "Wohnt ihr beide in der Zeit bei Tina? In unserer Wohnung?"
"Klar." Er gab mir die Flasche zurück, die ich auf den Nachttisch stellte. "War ja so abgemacht. Warum?"
"Ach, nur so." Ich kuschelte mich an ihn, grinste unsichtbar in der Dunkelheit. "Dann lernt Erik sie ja mal kennen."
"Hm", brummelte er und drückte mich an sich.
Zufrieden übergab ich mich dem Schlaf. Ich hatte eine Lösung gefunden, und ich wusste, ich musste überhaupt nichts tun.
Gar nichts.
Nicht mit Tina reden, nichts fordern, nichts intrigieren, nichts planen und nichts aushecken.
Ich wusste, dass Erik ihr verfallen würde, wenn er sie sah.
Und er war genau ihr Typ.