Warnhinweis: Dieses Werk kann ihre religiösen Gefühle verletzen und ihr Weltbild erschüttern!
Allen wagemutigen Lesern wünsche ich viel Spass damit!
Im Kölner Dom
Es war eine wirklich lange Liste, welche wir von der Lehrerin bekommen hatten. Wir konnten gar nicht glauben wie viele Dinge unser Kind für das neue Schuljahr benötigte. Der Preis war entsprechend hoch – dreistellig. Ich weiß nicht mehr, ob es wirklich die Summe war oder eine Werbeaktion aber unser Sohn durfte sich dafür ein 3D-Puzzle aussuchen. Der Kölner Dom, aus 600 Teilen. Den ganzen Nachmittag saß er alleine am Esstisch und ließ sich nicht dabei helfen. Ich war wirklich stolz auf ihn als er das Modell schließlich fertig hatte. Eine tolle Leistung für einen Zehnjährigen! Stolz sahen wir uns das Modell genauer an und ich war erstaunt, wie detailliert es war. Jedes Türmchen, jede Verstrebung, jedes Fenster, jeder Regenwasserspeier.
Ich war vollkommen fasziniert von diesem Modell, deshalb schlich ich nach dem Zähneputzen nochmal ins Wohnzimmer und betrachtete es in Ruhe. Fast schien es aus dem Inneren zu leuchten. Ich betrachtete die Tür, das Hauptportal, kaum 3 cm hoch und doch erschien es mir fast wie eine echte Tür. Sie schien einen Spalt offen zu stehen und tatsächlich, es schien aus ihr zu leuchten. Fasziniert senkte ich meinen Kopf und sah genau hin. Das Leuchten schien stärker und die Tür weiter zu werden. Ich kann nicht erklären was dann geschah. Das Leuchten begann in mein Innerstes zu dringen und ich fühlte mich mehr und mehr zu dieser Tür, ja, in diese Türe hineingezogen. Eine unglaubliche Neugier stieg in mir auf, eine unerklärliche Anziehungskraft strahlte auf mich ein – ja, und dann stand ich in dieser Kirche. Ich, der ich noch nie in Köln war. Ich der Ungläubige, mitten im Kölner Dom. Licht flutete durch die Fenster und ich stand da, gefesselt von der Erhabenheit des Raums. Mir stand der Mund offen, ich war fasziniert und begann zu lächeln. Ich begann erste Schritte zu tun, den Dom zu erkunden, mich umzusehen. Ich ließ mich auf einer der vielen Bänke nieder und blickte weiter um mich. Licht, Erhabenheit, Größe, Strenge. „So ganz anders als unsere Barockkirchlein,“ dachte ich, „aber toll!“- Ich verschränkte die Arme und rieb mich, denn langsam bemerkte ich, dass es mich etwas fröstelte, ich hatte ja nur einen Schlafanzug und Hausschlapfen an – und noch eine Zahnbürste in der Hand.
Stille – der Dom schien außer mir vollkommen leer. Ich blickte mich wieder um und bemerkte, dass von einem Seitenschiff her ein heller Lichtschein drang. Ich stand auf, ging in diese Richtung und sah jetzt, dass es die Tür, das Portal eines der Seiteneingänge war, aus dem Licht in den Innenraum drang. Die Wärme und der helle Sonnenschein der von draußen kam, drangen in tief mich. So trat ich zur Tür, öffnete sie und trat in den hellen Sonnenschein. Eine wunderbare Landschaft umgab mich: Felder Wiesen, Sonnenschein, Blumen an den Wegrändern und Wärme. Eine helle Wärme die mich ausfüllte und alles andere vergessen ließ. Konnte es einen anderen Ausdruck für tiefsten Frieden geben. Erfreut blickte ich um mich und bemerkte wie, gar nicht weit weg, auf einem abgeernteten Feld einige Gestalten sich daran zu schaffen machten, Stroh auf einen Wagen zu hieven. Ich begab mich auf den Weg in ihre Richtung und hörte bald ihr Lachen. Es waren einige junge Frauen, gekleidet in einer Art Landhausmode, so ähnlich wie ich es aus dem „Sonntagmärchen“ im Fernsehen kannte, das ich immer mit den Kindern anschauen musste. „Ich bin tot!“ schoss es mir durch den Kopf, „Das muss das Paradies sein! Alles ist so schön, dieser Friede um mich und in mir!?“ Lächelnd ging ich auf sie zu und sprach sie an: „Hallo!“ Sie sahen mich erstaunt an, so als hätten sie noch nie einen Mann im Schlafanzug mit Zahnbürste gesehen. Sie kicherten, lächelten zurück und antworteten mir. Ich verstand kein Wort. „Wer seid ihr?“ fragte ich. Sie kicherten verlegen und antworteten. Ich verstand wiederum kein Wort. Was war das für eine Sprache? War es vielleicht das alte kölsche Platt? Nein, das konnte alles nicht möglich sein. Hieß es nicht immer, Petrus würde jeden in seiner Muttersprache begrüßen? Nein, der Himmel konnte das wohl nicht sein, eher ein schöner Traum. Ich hatte manchmal Träume, die so real wirkten, dass ich meinte sie wären echt. Ich begann also zu überprüfen, so wie ich es kannte, ob dies ein Traum war. Also kniff ich mich an verschiedenen Stellen, aber es tat einfach nur weh. Dann spürte ich auch Durst, echten Durst. Also konnte dies auch kein Traum sein! Ich stand wohl etwas ratlos da, denn die Frauen sahen mich etwas besorgt an. Sie näherten sich mir und stellten viele Fragen. Ich verstand keine einzige. Ich versuchte mit Gesten anzudeuten, dass ich Hunger und Durst hätte. Sie deuteten mir zurück, dass sie mich verstanden hatten und holten einen Krug und einen Korb. Im Krug befand sich Wasser, es schmeckte etwas schal aber es tat mir gut und sie reichten mit ein Stück zähes, nicht mehr ganz frisches Brot. Es schmeckte etwas fade. Ich lächelte und versuchte mit Gesten meinen Dank auszudrücken, begann aber gleichzeitig über meine Situation nachzudenken. Mir gefiel es hier, keine Frage und anscheinend war ich weder tot noch in einen Traum gefangen. Ich wusste nicht was ich tun sollte aber ich konnte sicher nicht ewig hier bleiben. Auf mich wartete eine Familie, ein Zuhause, Verantwortung für andere, also musste ich versuchen, irgendwie zurück zu gelangen. So verabschiedete ich mich von den Frauen und beschloss in den Dom zurückzukehren. Nur von dort aus, so dachte ich, gab es wohl einen Weg zurück. Der Rückweg kam mir ungleich länger und viel beschwerlicher vor als der Hinweg zu diesem Feld und am Himmel zogen Wolken auf.