Am nächsten Morgen wurde das Schloss von Dutzenden Reportern und einer Hand voll Auroren regelrecht belagert. Severus empfing zunächst den Chef der Strafverfolgung, einen Todesser namens Yaxley. Er und Yaxley waren sich noch nie besonders grün gewesen, doch wenigstens verhinderten seine Auroren, dass die Journalisten sein Büro stürmten.
„Sie wissen warum ich hier bin?“, sagte Yaxley und sie wussten beide, dass es keine Frage war.
„Ich habe meine Aussage zu den Ereignissen bereits abgegeben.“, antwortete Severus, der hinter seinem Schreibtisch saß.
„Oh natürlich, Sie wissen von nichts, aber mal ehrlich, Snape, wenn drei Lehrer von der Schule verschwinden, dann bezweifle ich, dass der Schulleiter davon nichts mitbekommt.“, sagte Yaxley und schritt auf ihn zu.
„Es ist ein schockierender Zwischenfall.“, entgegnete Severus. „Ich hätte nie mit derartigen Ereignissen gerechnet. Nicht nach dem Sieg des Dunklen Lords.“
„Hmpf.“, machte Yaxley. „Ihnen ist klar, dass ich trotzdem eine Untersuchungskommission einrichten werde.“
„Natürlich, tun Sie sich keinen Zwang an. Ich frage mich nur, was Sie damit bezwecken. Es gibt niemanden, den Sie befragen können. Mortill wurde die Zunge heraus geschnitten und der arme Warren, völlig durcheinander. Ich glaube, er wird nie wieder der Alte werden.“, sagte Severus.
„Ziemlich praktisch, nicht wahr?“, fragte Yaxley.
„Für wen?“, entgegnete Severus.
„Für Sie, Snape.“
„Warum sollte das praktisch sein? Drei meiner Lehrer sind fort. Versuchen sie mal den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten, wenn die Hälfte der Mannschaft fehlt.“, antwortete Severus.
Yaxley schwieg für einen Moment und sah ihn durchdringend an.
„Sie glauben mir nicht? Fein. Das wird die Kommission klären.“, sagte Severus zu ihm.
„Das wird sie.“, stimmte Yaxley ihm zu. „Sie erhalten meine Eule, wenn wir Sie erneut benötigen für eine Befragung oder dergleichen.“
„Natürlich.“, sagte Severus.
Yaxley ging aus dem Büro. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nahm er seine Auroren mit, denn nur eine Minute später war der Raum voller sensationslustiger Reporter, die ihm laut durcheinander gebrüllte Fragen stellten.
„Ruhe!“, sagte Severus laut, doch die Journalisten plapperten munter weiter.
„Schnauze halten, hab ich gesagt!“, rief Severus. Darauf regierten sie dann doch. Er stellte sich vor den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Also gut, jeder von Ihnen bekommt genau eine Frage.“, antwortete Severus auf ihre neugierigen Blicke.
„Professor Snape, wie positioniert sich Hogwarts zu den Ereignissen?“, fragte ein Reporter.
„Wir sind alle sehr bestürzt über das, was den Professoren Warren und Mortill zugestoßen ist und hoffen auf baldige Besserung.“, entgegnete Severus. „Wer auch immer hinter diesem feigen Angriff hier steckt, kann sich gewiss sein, dass ich nicht eher ruhen werde, ehe der- oder diejenigen zur Strecke gebracht wurden, die dafür verantwortlich sind.“
Ein anderer Reporter meldete sich.
„Ja?“, sagte Severus.
„Professor, gibt es Hinweise dafür, dass es sich dabei um das Verbrechen von Oppositionellen handelt?“
„Das ist natürlich nie ausgeschlossen. Allerdings halte ich das für unwahrscheinlich, schließlich wurden sie alle bei der Schlacht um Hogwarts geschlagen und anschließend hingerichtet. Ich und Sie wissen, dass jeder Versuch sich dem Dunklen Lord zu widersetzen mit dem Tod bestraft wird. Sollte also jemand abweichlerische Gedanken hegen, dann wird man ihn ohne Zweifel schnell finden und beseitigen.“, antwortete Severus.
„Professor“, sagte ein anderer. „wie wird sich das Fehlen der Lehrer auf den Unterricht in Hogwarts auswirken?“
„Zunächst einmal wird alles weiter laufen wie bisher. Ich werde die fehlenden Stellen besetzen und dann wird der Unterricht in diesen Fächern wie gehabt fortgesetzt. Ich werde alles dafür tun damit den Schülern aus dieser Sache kein Schaden entsteht.“
Ein weiterer Jornalist hob die Hand. Severus nickte ihm zu.
„Vielleicht noch eine Frage an Sie persönlich: Gerüchten zufolge haben Sie Narzissa Malfoy geehelicht ...“ Severus verdrehte bei dieser Frage die Augen. Irgendwann musste es ja so kommen. „... und aus der gleichen Gerüchteküche kommt die Frage, ob es wahr ist, dass Sie und Misses Malfoy ein Kind erwarten?“
„Sie sind gut informiert. Ja, ich bin mit ihr verheiratet und ja, wir haben ein Kind.“
Ein langes „Ooooooh!“ ging durch die Reihen der Reporter.
„Das sind genug persönliche Fragen.“, schloss Severus. „Wenn Sie keine Fragen mehr zum aktuellen Fall haben, dann bitte ich Sie zu gehen.“
„Sir, noch ein Foto für den Tagespropheten.“, sagte ein Mann mit einer Kamera in der Hand.
„Da werde ich wohl kaum drumherum kommen.“, entgegnete Severus. Der Fotograf schoss ein Bild von ihm wie er mit verschränkten Armen an seinem Schreibtisch lehnte und machte sich mit der restlichen Meute davon.
Severus atmete tief durch. Das war geschafft. Yaxleys Untersuchungskommission fürchtete er nicht. Er hatte Mortill und Warren das Gedächtnis gelöscht, bevor er sie in Dafttown abgeladen hatte. Sie würden an das, was in der Nacht geschehen war, nicht die geringste Erinnerung haben. Mal davon abgesehen, dass Mortill seine Erinnerungen nicht einmal äußern konnte, wenn er es gewollt hätte. Die einzige, die ihm Sorgen bereitete war Hardin. Falls sie sich entschloss wieder aufzutauchen.
Es klopfte an der Tür.
„Herein!“, rief Severus.
Narzissa trat ein. Sie hatte Violet auf dem Arm, die einen grünen Strampler, mit allerhand Teddybären darauf, trug.
„Was für eine Meute!“, sagte Narzissa ungehalten.
„Haben Sie dich bedrängt?“, wollte Severus wissen.
„Natürlich, allerdings hat sich Violet von ihrer besten Seite gezeigt.“, antwortete Narzissa.
Severus ging zu ihr und nahm seine Tochter auf den Arm. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und vergrub ihre kleinen Hände in seiner Robe.
„Was wollte Yaxley von dir?“, fragte Narzissa.
„Ach, das übliche nach so einer Sache. Sie berufen eine Untersuchungskommission ein. Er verdächtigt mich natürlich, aber ohne Beweise wird es ihm schwer Fallen irgendetwas gegen mich zu bewirken. Mach dir keine Sorgen.“
„Ich mache mir aber Sorgen.“, erwiderte Narzissa.
„Hast du gehört, meine Süße, Mama macht sich immer Sorgen.“, sagte Severus zu seiner Tochter und strich ihr sanft über das kahle Köpfchen.
„Was ist, wenn sie dahinter kommen?“, fragte Narzissa ernst.
„Das werden sie nicht. Dafür habe ich gesorgt.“, antwortete Severus. „Alles ist gut.“
Narzissa sah ihn an als würde sie das noch nicht glauben.
„Was ist mit Hardin? Du hast sie verschont!“, ließ seine Frau nicht locker.
„Wenn sie schlau ist – und ich glaube, das ist sie – dann hat sie Großbritannien schon verlassen.“, sagte Severus. „Ich muss lediglich einen Ersatz für die Drei finden. Das sollte kein Problem werden.“
„Ich habe nur Angst, dass Violet etwas passiert.“, entgegnete Narzissa.
„Dann geh mit ihr nach Hause, wenn du willst. Du musst nicht in Hogwarts bleiben, wenn du es zu gefährlich findest. Ich halte hier die Stellung.“ Severus gab seiner Tochter einen Kuss auf die Wange und gab sie seiner Frau zurück.
„Du kannst nicht immer alles allein auf dich nehmen!“, sagte Narzissa.
„Das bin ich gewohnt. Mach dir keine Sorgen, um mich.“ Er gab ihr ebenfalls einen Kuss.
Narzissa atmete schwer, erwiderte aber nichts weiter. Stattdessen verließ sie das Büro. Severus stand noch einen Augenblick da und sah ihr nach.