Klara lachte fröhlich, das kleine Mädchen war vollkommen versunken in die Bastelei. Eigentlich war sie ja mit ihrem Papa in den Zoo gegangen, um Tiere zu bewundern, aber da dieser ständig mit seinem Handy beschäftigt war, hatte er sie kurzerhand beim Kinder-Bastel-Programm abgegeben, weil ein super wichtiger Arbeitsnotfall ihn beschäftigte. Immer diese Erwachsenenausreden.
Allerdings machte es Klara Spaß aus dem glänzenden Papier vorsichtig ein neues Wesen zu erschaffen. Mit Hilfe der freundlichen Mitarbeiterin schaffte Klara es nach nur wenigen Anläufen ein Origami-Papier-Tier zu zaubern.
"Das hast du aber toll gemacht", lächelte die Mitarbeiterin. "Ist das eine Maus?"
Klara verzog unglücklich die Lippen. Sie schüttelte nur den Kopf, weil ihre Mama immer sagte, dass man meistens besser nichts sagen sollte, wenn einem nichts freundliches einfiel. Schade, dass Mama sich den Fuß gebrochen hatte und dadurch Zuhause bleiben musste. Sie hätte sicherlich sofort erkannt, was das für ein Tier war.
Klara stand auf, verabschiedete sich knapp von der Blondine und lief zu ihrem Papa, der nur weniger Meter entfernt in sein Telefon brüllte.
"Papa", rief Klara, die seine Wutausbrüche gewohnt war, zumindest wenn es um die Arbeit ging. Ansonsten war er ein wirklich lieber Mann, wenn auch sehr beschäftigt. "Guck mal, was ich gebastelt habe."
Ihr Vater sah sie nur kurz an und schrie dann weiter die Person an, die sich glücklicherweise hinter dem Telefon verstecken konnte. Doch Klara ließ nicht locker, sie rüttelte am Ärmel seiner Jacke und streckte ihm das Origami-Tier entgegen. "Guck doch mal!"
Er seufzte leise. "Schön Liebes", murmelte er, um seine Tochter ruhig zu stellen.
Aber so einfach war das gar nicht. "Weißt du was das ist?", fragte sie voller Hoffnung in den großen, blauen Augen.
"Ich rufe später nochmal an", informierte er seinen Gesprächspartner barsch und legte dann auf, um sich zu Klara herunterzubeugen. "Was haben wir gesagt, was du tun sollst, wenn ich telefoniere?"
Klaras Hoffnung verschwand und machte Trotz und Wut platz, die sich nun
deutlich in ihrem ganzen Gesicht widerspiegelte. "Ich soll dich nicht unterbrechen, wenn du telefonierst."
Gerade als ihr Vater zustimmend nickte, setzte das Mädchen hinterher: "Aber so viel wie du telefonierst, kann ich ja nie mit dir reden!" Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
Ihr Papa wusste, dass sie Recht hatte und auch wenn er all das nur Tat, um seine Familie über die Runden zu bringen, fühlte er sich schlecht. "Magst du mir die Ratte nochmal zeigen?", versuchte er Klara zu besänftigen.
"Das ist ein Bären-Baumkänguru", erwiderte Klara, nun noch mehr aufgebracht. Das sah man doch sofort!
"Mhm", machte ihr Papa und musterte das schwarz-braune Papiertier. "Das ist aber ein komischer Bär."
Klara stapfte wütend mit ihrem Fuß auf den Boden. "Du bist komisch! Du sagst, du gehst mit mir in den Zoo, schaust dir aber gar nicht die Tiere mit mir an. Stattdessen schreist du nur in dein blödes Telefon. Ich wäre lieber mit Mama gegangen."
Das hatte gesessen. Klaras Papa wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Ähnliche Vorwürfe hatte er erst neulich wieder von seiner Frau bekommen, auch wenn er wusste, dass es keine wirklichen Vorwürfe, sondern eher gut gemeinte Ratschläge waren, verletzte es ihn. Und zeitgleich fragte er sich, ob er seine Prioritäten falsch gesetzt hatte?
Er tat das doch nur, damit er mit Klara überhaupt erst in den Zoo gehen konnte. Damit sie alle genug zu Essen Zuhause hatten. Und vor allem...damit Klara irgendwann einmal auf eine gute Universität gehen konnte.
Er suchte nach den richtigen Worten, während seine kleine Tochter davon stapfte. Er beschloss, sich den restlichen Tag ganz ihr zu widmen, um die Beziehung zu ihr nicht vollkommen zu ruinieren.
Klara hingegen blieb nur wenige Meter später stehen und blickte in ein weitläufiges Gehege. Auf dem riesengroßen Baum direkt vor ihr lag eines der Bären-Baumkängurus, die sie so sehr liebte und gähnte müde vor sich hin. Das niedliche Tier in echt sehen zu können und nicht nur in einer ihrer Doku-Serien, stimmte sie mit einem Mal fröhlich.
"Guck Mal!", rief sie und hielt das Origami-Tier zwischen die Gitterstäbe des Zauns. Doch leider wehte der Wind genau in dem Moment so stark, dass sie das Papier nicht richtig halten konnte und es fiel in den kleinen, begrünten Spalt, zwischen Gehege und Zaun.
Klara presste die Lippen fest aufeinander und versuchte nicht in Tränen auszubrechen. Dieser ganze Tag war einfach nur doof! Aber sie war doch schon groß und sollte nicht mehr wegen so etwas weinen!
Gerade als ihr Papa sie erreichte, hörte sie eine Stimme aus dem Gehege. "Na nu, ist das etwa ein Bären-Baumkänguru-Origami?"
Klara blickte sich verwirrt im ganzen Gehege um. Hatte etwa das Bären-Baumkänguru mit ihr gesprochen?
"Ja", sagte sie zögerlich, als ein Tierpfleger hinter dem Baum hervortrat und die wenigen Schritte zum Spalt lief, um Klaras Tierpapier aufzuheben. Er lächelte freundlich und gab es Klara zurück. "Das hab ich sofort erkannt! Eine wirklich tolle Arbeit, junges Fräulein."
Klaras Brust schwoll voller Stolz an und ihr Lächeln war so breit, es reichte vom einen Ohr zum anderen.
"Hättest du Interesse daran, das Bären-Baumkänguru mit mir zusammen zu füttern?", grinste der Tierpfleger. Er war nicht gewappnet für den lauten Ausruf purer Kinderfreude, der darauf folgte und brach ebenfalls in heiteres Gelächter aus. Er wartete ab, bis auch ihr Vater zustimmend nickte und trat dann aus dem Gehege um Klara zu unterweisen, ehe er sie ins Gehege ließ. Auch wenn der Tag nicht so glücklich verlaufen war für die kleine Klara, machte das Füttern ihres absoluten Lieblingstieres alles wieder gut.