Ausnahmsweise eine kurze Anmerkung vorab: Es wird das vermutlich bisher traurigste Kapitel sein; zartbesaitet geht es hier nicht weiter, dessen sollte sich jeder Leser bewusst sein - ich habe daher heute auch das Alter hochgesetzt. Ich danke euch allen, die auf dieser Reise dabei geblieben sind und hoffentlich auch noch bleiben. Euer Stern
Wie in den letzten Tagen auch wurde ich wach, weil die Dusche endlos rauschte. Verschlafen sah ich zum Wecker, neben mir brummte Paul.
"Kurz nach sechs", informierte er, dabei tastete seine Hand zum Lichtschalter der Leselampe. "Ich muss sowieso gleich aufstehen."
Er sah zu mir, während das Geräusch des laufenden Wassers verstummte. Seit acht Tagen war Jan wieder da. Etwas mehr als zwei Wochen war er Zuhause gewesen, ehe er mit David zu uns gekommen war. Vordergründig, weil er für die Therapie eine Hausaufgabe hier erledigen hatte wollen. Im Moment schob er seine Abreise vor sich her. Seitdem Isabelle vor drei Tagen angerufen hatte, war er noch stiller gewesen. Noch mehr Sorgen bereitete uns aber David. Der Kleine hatte bei der Ankunft stark gefremdelt und war äußerst anhänglich, er ließ Jan kaum aus den Augen. Paul und ich waren uns einig. Irgendetwas war Zuhause vorgefallen, was beide betraf.
Immerhin hatte uns Jan von den vielen Therapiesitzungen erzählt, die er in der Zeit wahrgenommen hatte. Dr. Jäger hatte ihn durch einen intensiven Trauerprozess begleitet. Zu diesem hatte gehört, dass Jan einen Brief an Jakob verfasst hatte. Dies sollte helfen, dass er das Kapitel verarbeiten konnte. Mich hatte diese Idee gerührt, viele Monate später rührte mich der Brief selbst. Irgendwann hatte Jan ihn mir zu lesen gegeben. Als nächstes hatte er seinen sprichwörtlichen Ballast abwerfen sollen, um nicht nur mit Jakob, sondern auch mit Anna und seinen negativen Gefühlen abzuschließen. Deswegen war er hier. Er hatte diverse Kieselsteine beschriftet, die für die Schwierigkeiten symbolisch im See versenkt worden waren. Einen Vormittag lang war er unterwegs gewesen und hatte sich tatsächlich anschließend mit uns zusammen gesetzt.
Mich hatte schon zuvor schon die Sorge umgetrieben, dass die Aufarbeitung, unser Handeln von damals, unser Verhältnis zu ihm nachhaltig belasten könnte. Es hätte mich nicht gewundert, hätte er uns gegrollt. Im Nachhinein war es natürlich aufreibend für ihn, dass er uns auf der einen Seite unfassbar liebte und andererseits in ihm diese Vorwürfe saßen. Lange konnte er sie nicht äußern, das kam verzögert. Wir hatten ihm zu verstehen gegeben, dass wir ihm Zeit geben würden. Was blieb uns auch übrig? Wir wussten, dass wir etwas unverzeihliches angerichtet hatten. Jan war gerade erst 12 gewesen. Er hätte unbedingt kindgerecht trauern dürfen müssen. Diese Chance hatten wir ihm genommen. Dabei waren die Beweggründe zunächst egal.
Es war ein tränenreiches, aber sehr reinigendes Gespräch gewesen. Für uns alle. Natürlich war es überfällig. Viele Jahre zu spät. Danach hatte ich die große Hoffnung gehabt, dass es mit Jan automatisch leichter werden würde.
Doch er schwieg sich an anderer Stelle aus. Warum zum Beispiel Isabelle nicht hier war. Warum David nur bei offener Tür einschlief. Warum er selbst in aller Herrgottsfrühe und oft auch spät in der Nacht unter dieser Dusche verschwand. Warum er schon zusammenzuckte, sobald man nur eine Hand auf seinen Rücken oder Schulter legte. Jan wirkte hochgradig nervös. Mir kam es so vor, als würde er überhaupt nicht schlafen.
Auch an diesem Morgen saß er bereits in der Küche, als ich herunter kam. Wie so oft schien er mit offenen Augen zu träumen, hatte nur einen Kaffee vor sich.
"Konntest du wieder nicht schlafen?", fragte ich und nahm mir eine Tasse aus dem Schrank. Mein Sohn schüttelte nur den Kopf und zupfte an der Nagelhaut seines linken Daumen herum. Wie schon vor Wochen konnte ich beobachten, dass seine Hände immer in Bewegung waren.
"Wir fahren übermorgen nach Hause. Ich muss für München alles vorbereiten", sagte er.
Kritisch sah ich ihn an, dann begann ich den Frühstückstisch zu decken.
"Ist das eine gute Idee? München, meine ich."
Widerwillig verzog er das Gesicht.
"Das ist mein Job, Mama. Man erwartet mich Montag zur ersten Leseprobe", gab er gereizt zurück.
Wortlos öffnete ich den Kühlschrank.
"Und es muss ja weitergehen", schob Jan leise nach. Damit hatte er nicht unrecht. Dennoch hatte ich einfach kein gutes Gefühl dabei. Wir wussten, dass die Zeit bis zur Premiere sowieso knapp gehalten war und sich Jan deswegen Gedanken machte. Auch, weil er sich unsicher fühlte. Gleichzeitig zog es ihn auf die Bühne. Ich war mir nur nicht sicher, ob die Beweggründe die richtigen waren. Mal ganz abgesehen davon, dass er dringend wieder Geld verdienen musste.
Paul betrat die Küche, schon im Hemd für seinen Vormittag im Büro. Jan brachte seine Morgenroutinen durcheinander, aber er versuchte es gelassen zu nehmen. Auch er musterte seinen Sohn, während er mir den Brotkorb ab nahm. Dann setzte sich Paul. Ich reichte ihm die Kanne.
"Martin und ich haben einen späten Vormittagstermin auf der Bank, es könnte mit dem Essen knapp werden." Nickend setzte auch ich mich und nahm mir eine Toastscheibe.
"Was hast du heute vor?", wollte Paul von Jan wissen. Der fuhr zusammen. Paul hatte ihn aus irgendeinem Gedankengang gerissen. Jetzt zuckte er die Achseln. Ich sah Paul in die Augen und er ließ von dem Thema ab.
Kritisch beäugte ich später die Vorhänge, die Nele gerade an der Fensterfront zur kleinen Terrasse der Einliegerwohnung aufgehangen hatte. Ich hatte sie nach Wünschen des Paares selbst genäht und hoffte, dass sie ihnen gefielen. Zufrieden zupfte Nele den Stoff zurecht und drehte sich zu mir herum.
"Die sind toll geworden, Anke. Lieben Dank." Ihre Augen leuchteten. Und ebenso leuchteten Martins Augen, wenn ich ihn in diesen Tagen sah. Er war überglücklich und auch Nele wirkte gelassen wie selten. Auf einmal war alles ganz schnell gegangen. Viel hatte sie aus ihrer alten Wohnung nicht mitgebracht. Noch fuhr sie regelmäßig die Strecke in die Universitätsstadt, aber im März würde sie tatsächlich bei Dr. Niehues anfangen. Ich freute mich für unseren Sohn und seine langjährige Freundin. Es schien beide zu beflügeln, dass sie jetzt endlich richtig zusammen lebten. Ihr Lachen entschädigte für Jans schwere Verstimmung. Brachte viel Licht in die Dunkelheit, die er mit nach Hause gebracht hatte.
Heute lief David auf Schritt und Tritt bei mir mit, da sein Vater sich schon seit einigen Stunden in der Werkstatt verschanzt hatte. Beinahe täglich hatte sich Jan dorthin zurückgezogen, sein Bewegungsradius beschränkte sich auf unser Grundstück.
Unser Enkelchen hatte sich von Nele zu Kakao und Keksen überreden lassen, aber seine Augen suchten immer wieder unruhig nach mir. Ich fuhr dem Kind durch den blonden Schopf und betrachtete nochmal die Vorhänge. Ich hatte noch Stoff übrig und schlug Nele vor, daraus Kissenbezüge zu nähen.
Auch wir kamen an den massiven Esstisch und kaum dass ich saß, kletterte David auf meinen Schoß.
Nele erzählte begeistert von weiteren Umbauplänen, die Martin mit Onkel Hien und Paul schon vorbereitet hatte. Ein Durchbruch vom Schlafzimmer in den angrenzenden Raum sollte noch im Frühjahr erfolgen. Außerdem schwebte beiden eine Erweiterung der Terrasse vor. Martin wollte dort eine Grillküche realisieren. Sofern finanziell dann machbar, träumte Nele von einem neuen Badezimmer. Sie hatte Prospekte da und ich betrachtete staunend die Duschlandschaften. Auch wir sollten dringend modernisieren, ging mir durch den Kopf. David hielt sein Kuscheltuch im Arm und sah uns stumm zu. Der kleine Kerl war müde, sein Mittagsschlaf längst überfällig. Doch jeder Versuch ihn hinzulegen, hatte in einem Schreianfall geendet. David rieb sich immer wieder die Augen und verlangte leise nach seinem Papa.
Mit David auf den Hüften betrat ich die Werkstatt. Jan kniete auf dem Boden und räumte gerade Werkzeuge in eine Kiste. Fragend sah er auf.
Erstaunt zeigte ich auf das Möbelstück, das vor ihm stand.
"Du hast den Schaukelstuhl repariert."
Er zuckte mit den Achseln, schloss die Kiste und kam auf mich zu. Vorsichtig nahm er mir das Kind ab. David schlang seine Ärmchen um Jans Hals. Flüsternd schob sich Jan den Jungen auf dem Arm zurecht.
"Sorry, ich hab die Zeit vergessen. Ich bring den jungen Man hier rüber und lege mich mit ihm ein bisschen hin.", sagte er. Ich fuhr über die Lehne des Schaukelstuhls. Elli hatte ihn heiß und innig geliebt. Lange hatte er vergessen im alten Stalle gestanden, da nach Jakobs Tod sich niemand mehr um die alten Möbel gekümmert hatte. Überrascht stellte ich fest, dass Jan auch eine alte Kommode aufbereitet hatte. Früher hatte sie im Kotten gestanden und Pauls Eltern als Geschirrschrank gedient. Selbst ich konnte sehen, dass es eine nicht nur gut Arbeit war, die Jan hier gefertigt hatte. Beide Möbelstücke hatte er geduldig und mit Liebe zum Detail in den letzten Tagen restauriert. Egal was unseren Sohn umtrieb, es brachte ihn zurück zur Arbeit mit Holz.
Es stellte sich heraus, dass er den Schaukelstuhl für Martin und Nele auf Vordermann gebracht hatte. Die Kommode hätte er gerne selbst irgendwann, hatte aber derzeit keinen Platz in der Wohnung. Er druckste am Abend ein wenig herum, rückte dann aber damit heraus dass er nicht wusste, ob Isabelle wirklich bleiben würde. Ein paar Dinge waren schon mit ihr eingezogen, aber nun schien alles auf der Kippe zu stehen. Und das obwohl Diana mit einer Entscheidung überrascht hatte.
Unruhig und ein wenig durcheinander erzählte er von den Entwicklungen, die sich in den letzten beiden Wochen ergeben hatten. Paul und ich hörten ihm aufmerksam zu, als er David ins Bett gebracht hatte.
Diana war wieder schwanger. Von Karsten, den sie damit überrumpelt hatte. Es wunderte uns nicht, dass jener davon nichts hatte wissen wollen. Kurzerhand hatte er Diana privat und beruflich vor die Tür gesetzt. Jan vermutete, dass sie schon vor Weihnachten von der Schwangerschaft gewusst und ihm deswegen Avancen gemacht hatte. Über ihre manipulative Vorgehensweise war ich tatsächlich erneut entsetzt. Paul lachte nur bitter. Wieder hatte sie also Jan versucht zu benutzen. In mir stieg Wut hoch. Am Liebsten hätte ich sie zur Rede gestellt. Doch das war noch nicht alles. Um neu anzufangen hatte Jans Exfreundin beschlossen, Deutschland den Rücken zu kehren. Über die Connections ihres Vaters hatte sie ein Praktikum in den Staaten in Aussicht, würde dort versuchen Fuß zu fassen. Ohne uns anzusehen berichtete Jan, dass er und David sich schon von ihr verabschiedet hätten. Das kam plötzlich. Und irgendetwas störte mich sofort.
"Für meinen Teil ist Diana gestorben", ließ Jan verlauten. "Sie ist weg. Raus aus unserem Leben und von mir aus braucht sie nie wieder kommen." Schnell wechselten Paul und ich einen Blick. "Jetzt kann alles wieder gut werden. Nein, es wird alles gut. Und irgendwie bekomme ich das mit Isa auch wieder auf die Reihe." Die ganze Zeit hatte am Ärmel seines Pullis gespielt, immer wieder die Arme verschränkt, sich gekratzt und nervös herumgezupft.
"Aber was ist denn mit Isa?", erkundigte ich mich. Jans Miene gefror für eine Sekunde, er biss sich fest auf Lippe.
"Wir haben uns auf eine Auszeit geeinigt. Das wird schon.", meinte er.
Paul schüttelte den Kopf, sah ihn ernst an. "Hat Diana ihr etwas getan?" Jan verneinte wortlos.
"Diana ist immer noch Davids Mutter, du kannst nicht......", weiter kam ich mit meinem Einwurf nicht. Jan sprang auf und aus seinem Blick sprach grenzenloser Hass.
"Und wie ich kann! Sie ist keine Mutter! Diana ist ein Teufel!", brüllte er los. Erschrocken fuhr ich zusammen. Ehe ich etwas erwidern konnte oder auch Paul reagiert hatte, war Jan hinaus. Er zog die Tür hinter sich lautstark zu. Wir hörten ihn noch die Treppe nach oben eilen, dann wurde eine weitere Tür zugeworfen. Im gleichen Moment begann David zu weinen. Seufzend sah ich zum Babyphone.
"Was war das denn?", fragte ich hilflos. Paul hob die Augenbraue und deutete zum Babyphone.
"Soll ich?", fragte er. Kopfschüttelnd stand ich auf. Ich ließ einen nachdenklichen Paul zurück. Im oberen Geschoss stand die Tür zu Jans Zimmer einen Spalt offen, David hatte die Nächte bei ihm verbracht und nicht alleine geschlafen. Der Junge saß im Bett, die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Von Jan war nichts zu sehen. Ich griff nach Davids Trinkflasche und seinem Kuscheltuch und setzte mich auf die Bettkante. Sofort kuschelte sich der Junge an mich.
Gott sei Dank ließ er sich schnell beruhigen. Sein Teddy und das Kuscheltuch hatte er fest an sich gedrückt, während ich ihm eine Geschichte erzählte. Nach etwas mehr als einer Viertelstunde atmete David ruhig und schien zu schlafen. Ich kontrollierte das Nachtlicht und ließ die Tür einen Spalt offen stehen, so wie er es neuerdings wollte. Im Flur lauschte ich einen Moment. Im Bad lief die Dusche.
Im Nachhinein lagen fast alle Puzzleteile vor uns. Und die, die fehlten, hätten wir gefunden, hätten wir den Rest schonmal zusammengesetzt. Vielleicht nicht in der haargenauen Lösung, aber das grobe Ganze. Und dann hätten wir vielleicht zu verhindern gewusst, dass Jan mit dem Kind alleine nach München fuhr.
Davids Verfassung.
Jans heftige Reaktionen.
Beider Verschlossenheit.
Die Anhänglichkeit des Kleinen.
Die schlaflosen Nächte unseres Sohnes.
Sein Duschzwang.
Die Unruhe, die Jan im Griff hatte.
Jan hatte Diana `Teufel´ genannt, für mich ist sie das personifizierte Böse.
Ein Monster.
Dass Jan sie aus seinem und Davids Leben verbannen wollte, ist verständlich. Ich hätte ihm gewünscht, er hätte sie nie mehr wiedergesehen. Manchmal hatte ich mir später gewünscht, dass er ihr nie begegnet wäre.
Sie hatte ihn tief verletzt, gedemütigt und ihn benutzt. Dabei hatte sie seinen Sohn als Waffe eingesetzt, weil sie wusste, dass Jan für den Jungen sein Leben geben würde. Während sie David in ein Zimmer gesperrt und ihm erklärt hatte, seinem Vater wäre er egal, erpresste sie nebenan Jan. Der hatte kaum eine andere Chance, er hörte das Wichtigste auf der Welt weinen. Diana zerquetschte Jans labile Seele mit dem kleinen Finger. Sie wusste genau, was sie tat. Niemals werde ich ihr das verzeihen. Zu jeder Sekunde war ihr klar, was sie anrichtete. Sie hatte ihn verloren, als sollte auch niemand anders ihn haben.
Als Jan uns endlich ins Vertrauen zog, war Isabelle aber längst wieder an seiner Seite. Nur ihr war es zu verdanken, dass Jan zu diesem Zeitpunkt noch lebte und uns ins Boot holte.
Misstrauisch wurde ich ein paar Wochen nach der Premiere. Isabelle hatte uns eines Morgens angerufen und vorsichtig erzählt, dass Jan einen kleinen Autounfall gehabt hatte. Es sei ihm nichts passiert, eine Prellung und Stauung, dazu eine leichte Gehirnerschütterung. In diesem Telefonat stellte sich heraus, dass David nicht mehr bei Jan lebte, sondern wieder in Stuttgart. Wegen der vertrauten Umgebung, der Kita und seinen Freunden, seinem Alltag, der in München so nicht möglich gewesen war. Sie deutete aber auch an, dass sie spätestens Pfingsten zu Besuch kommen wollten. Mit Jan direkt sprachen wir kaum. Er rief selten zurück, oft aber meldete sich Isa. Sie versprach immer wieder dafür zu sorgen, dass Jan sich rührte. Bei den wenigen Anrufen täuschte er Fröhlichkeit vor, die nie seine Augen erreichte. Es stimmt etwas nicht, das wusste ich. Ich spürte das Unheil in jeder Faser. Fast schon wollte ich einfach nach München eilen, dann kam alles ganz anders.
Der Albtraum begann mit Jans Geständnis. An einem sonnigen Frühlingstag waren wir auf einen Anruf Alex´ nach Stuttgart gekommen. Zuletzt hatten wir Jan auf der Premiere im April gesehen. Schon da hatte er mir nicht gefallen, obwohl er auf der Bühne grandios gewesen war. Laut Alex hing Jan in einer handfesten Krise fest, aus der er alleine nicht mehr herauskommen würde. Wir sollten kommen, darum bat uns Alex. Jan brauchte unsere Hilfe, aber schaffte den nötigen Schritt nicht. Wir überlegten keine Sekunde. Und dann stand Jan, der nicht mit unserem Kommen gerechnet hatte, vor uns. Isabelle hatte sich dezent zurückgezogen und kümmerte sich um David, der uns aufgeregt begrüßt hatte.
Es fiel ihm schwer. Wir konnten sehen, wie er mit sich kämpfte. Dabei konnte er längst nicht mehr. Er hatte schlimme Wochen hinter sich. Er sah uns nicht an, als er endlich zu sprechen begann.
"Diana....bei unserem letzten Treffen.....nun, David wollte früher nach Hause. Nicht bei ihr bleiben. Er wollte schon nicht mit, aber es war die letzte Gelegenheit. Ich dachte, es sei richtig." Er stockte und atmete tief durch. Fahrig kratzte er sich am Unterarm. Erst später bekamen wir die Striemen und Narben zu Gesicht. Unter anderem eine Brandwunde, die er sich mit einer Zigarette selbst zugefügt hatte.
"Er weinte so. Ich konnte ihn hören. Ihre Fratze dabei. Ihre Erpressung. Der Schlüssel für das Zimmer, aber sie verlangte eine Gegenleistung." Mein Herz blieb mir beinahe stehen, ich traute mich gar nicht, genauer nachzufragen. Einerseits wollte ich alles ganz genau wissen, andererseits wünschte ich mir in diesem Moment, er würde schweigen. Mich lähmten seine Worte regelrecht. Ich sah noch, wie er seinen Mund bewegte, aber mein Gehör spielt mir erst einen Streich. Oder mein Gehirn?
"Sie hat mich gezwungen mit ihr intim zu werden. Ich wollte das nicht. Sie hat mir weh getan. Aber ich hatte doch keine Wahl. David weinte und rief. Er hat uns gehört. Den Streit." Jan zuckte zusammen und hielt sich am Fensterbrett fest. Paul griff nach meiner Hand, mit der anderen wischte er mir Tränen aus dem Gesicht. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich zu weinen begonnen hatte.
"Sie sagte, wenn ich es jemanden erzähle, dann behält sie David. Dass mir sowieso niemand glauben würde. Mit in die Staaten wollte sie ihn nehmen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht will. Aber sie hat einfach.........". Er drehte sich weg und sah zum Fenster hinaus. Erst jetzt bemerkte ich die getigerte Katze, die bewegungslos auf der Fensterbank gesessen hatte. Leo, so hatte mir David schon erzählt. Der Kater hatte sich erhoben und buckelte vor Jan, schmiegte sich an seine Hand.
Jan schluckte und straffte seine Schultern.
"Diana hat mich vergewaltigt."