negare
Ruby. Wach auf, Ruby.
„Ich möchte nicht.“
Du kannst nicht ewig liegen bleiben.
„Lass mich!“
Ruby, steht auf!
„Wozu denn?“
Es kam keine Antwort. Die siebenjährige Ruby legte sich einen Arm über das Gesicht.
„Lass mich einfach hier liegen, Yb. Ich will nicht mehr aufstehen.“
Lass mich dir helfen, Ruby.
Ruby drehte sich auf die andere Seite und hielt sich die Ohren zu. „Ich rede nicht mehr mit dir!“
Du redest mit niemandem mehr!
„Ich werde nur mit Lumin reden!“
Luminor ist fort.
„Ich weiß“ Ruby atmete in ihr Kissen. Es war warm und stickig. Sie klammerte sich an den Stoff.
Nach einer Weile hatte Yb nachgedacht:
Was, wenn Lumin nicht zurückkommt?
Ruby bog das Kissen hoch, bis es ihre Ohren bedeckte.
Vielleicht ist er gefangen. Und niemand kann ihn befreien. So etwas geschieht im Krieg, weißt du?
Ruby rollte sich eng zusammen, ganz eng, bis zwischen ihren Knien und ihrem Bauch mit mehr genug Platz war, um zu atmen.
„Er muss sich eben befreien!“, sagte sie in ihr Kissen. Ihre Stimme klang gedämpft.
Vielleicht braucht er dazu Hilfe?
Etwas an Ybs Stimme veranlasste Ruby dazu, aus ihrem Kissen aufzutauchen. „Du meinst, ich sollte losziehen, um ihn zu retten?“, fragte sie entsetzt.
Willst du das etwa nicht?
„Doch“, Ruby zog schniefend die Nase hoch. „Aber Ma und Pa lassen mich sicher nicht. Ich bin doch nur ein Mädchen, und es herrscht Krieg!“
Du bist die Prinzessin! Du könntest doch sicherlich einen Weg finden, unbemerkt aus dem Schloss zu entkommen.
Ruby schwieg eine ganze Weile und dachte nach. Eigentlich hatte Yb ja Recht. Sie könnte sich durch das Loch im Gartenzaun hinaus schleichen, um Lumin zu retten. Sie könnte Mutters große Schere mitnehmen, um sich zu verteidigen. Und ihren Teddy, damit sie nicht allein wäre.
Und ich bin ja auch noch bei dir. Ich passe auf dich auf.
Ruby nickte entschlossen. Sie setzte sich auf und schwang die nackten Füße aus dem Bett. Der Raum war dunkel, gerade ging die Sonne unter.
Zuerst schlich sie sich in Mutters Arbeitszimmer, dort, wo die Königin ihre Näharbeiten aufbewahrte. Mit einem furchtbar schlechten Gewissen nahm Ruby die große Schere, so lang wie ihr Unterarm, und versteckte sie in der großen Tasche vorne an ihrem Kleid. Dann nahm sie sich den Teddy aus ihrem Regal und drückte ihn eng an sich.
Vor der großen Tür, die in den Garten führte, blieb sie stehen.
Bist du auch ganz sicher, dass du mutig genug bist?
„Ja, Yb. Ich bin ja schon fast acht.“
Und ich bin ja auch noch bei dir. Yb klang zufrieden.
„Aber bist du auch die ganze Zeit da, Yb?“
Ich bin da, um mit dir deinen Bruder zu retten. Ich passe auf dich auf und ich sage dir, was richtig ist.
Dann atmete Ruby einmal tief durch – und noch einmal, weil sie sehr ängstlich war – und huschte durch die Tür hinaus in den Hintergarten, um zu dem kleinen Loch im Zaun zu laufen.