In einem geheimen Labor, tief unter der Erde hatte man ihn gezüchtet. Hysterisch gackernde Wissenschaftler (und eine -in) hatten Viren-DNS zusammengeschraubt und Kolonien gegen Antibiotika, Desinfektionsmittel und Medikamente immunisiert. Ein ganzes Team hatte begonnen, die Symptome zu modifizieren und neue Infektionswege zu erobern. Das Virus sollte sich rasch vermehren, aber die Wissenschaftler (und -in) wollten es als Schläfer einsetzen. Sollte heißen: Während die hochinfektiösen Nahezulebewesen sich nach und nach in allen Menschen der Welt einnisteten, sich über die Luft, über Tröpfcheninfektion, über leichteste Berührungen verteilten, durften sie noch keinerlei Symptome hervorrufen. Die Infizierten sollten nicht wissen, dass sie die gefährlichen Viren umherschleuderten. Keine Symptome, das bedeutete auch keine Quarantäne, keine Ärzte, die fieberhaft an einem Gegenmittel forschten, keine Gegenwehr.
Wer nicht wusste, dass er krank war, konnte auch nicht nach einer Heilung suchen.
Das Virus würde eine Inkubationszeit von nahezu einem Jahr haben. Das war ausreichend Zeit, um die ganze Welt anzustecken, von einigen sehr abgelegenen Orten einmal abgesehen. Die Wissenschaftler (+ -in) mussten ihren Supervirus nur an einigen strategisch ausgewählten Flughäfen freilassen ...
Die Operation geriet ins Rollen. Überall auf der Welt tauchten Männer in Kitteln auf (die Wissenschaftlerin leitete die gesamte Operation und durfte sich deshalb nicht in Gefahr begeben), die ominös über Flughäfen, normale Häfen und Hauptbahnhöfe wankten. Sie waren äußerst ungeschickt. Immer wieder beobachtete man sie dabei, wie sie eine Glasflasche fallen ließen, sich beim Treppensteigen an das Geländer klammerten, wie sie mitten in der Menge stolperten - dann brauchte es manchmal zehn hilfsbereite Passanten, um sie wieder auf die Füße zu hieven, und der Wissenschaftler gab ihnen allen zum Dank die Hand.
Ein paar Organisationen wurden wegen der seltsamen Häufungen von verwirrten Wissenschaftlern nervös, dann konzentrieren sie sich aber wieder darauf, drohende Atomkatastrophen abzuwenden. Bald war auch wieder Ruhe und nach einem Jahr erinnerte sich niemand mehr an die Vorfälle ...
Bis sich die Symptome zeigten. Doch es war zu spät. Die Viren hatten sich am Stammhirn angesiedelt, sie zu entfernen würde den Tod der Betroffenen nach sich ziehen. Fast jeder war infiziert. Ein paar Leute - überwiegend Introvertierte - hatten Glück gehabt. Einige Individuen waren auch immun.
In der geheimen Untergrundbasis beglückwünschten sich die Wissenschaftler und -in mit breitem Grinsen. Ihr Vernunft-Virus war ein voller Erfolg gewesen! Schon jetzt hatte man einige immune Staatsführer gestürzt, die Infizierten übernahmen die Macht. Das Angesicht der Welt würde sich schon bald ändern.
inspiriert von:
Plague Inc. (Handyspiel)
Alex Frost