Prompt: Schau nie zurück
Es war einmal ein dunkelhäutiges Mädchen und ein blonder Bub. Sie hatten den ganzen Vormittag im Wald verbracht. Ein wunderschöner Tag. Sie hatten so viele Tiere gesehen. An einem klar fließenden Bergbächlein hatten sie gerastet. Aus ihrem Picknickkorb die feinen mitgebrachten Köstlichkeiten gegessen. Die Vögel summten. Die Blätter schienen zu flüstern. Die Welt schien absolut perfekt zu sein.
Der Nachmittag hatte gut angefangen. Fritz und Margrit spazierten immer tiefer in den Wald. Sie sahen wilde Tiere und Fritz sagte plötzlich: „Du, ich kann die Gedanken der Tiere lesen.“ Margrit erwiderte: „Das ist gar nichts, ich kann sie sogar verstehen. Vermutlich mit ihnen sprechen.“ Fritz lachte schallend und brüllte: „Das glaube ich dir nicht.“ Margrit antwortete widerspenstig: „Dann glaube es doch nicht. Ist mir eigentlich egal!“ Wenig später begegneten sie einem Wolf und Fritz klammerte sich an Margrit und flüsterte ihr zu: „Der will uns Böses!“ Margrit sagte ganz aufgeregt: „Warte, ich rede mit ihm.“ Und mutig sprach sie zum Wolf: „Bitte lieber Wolf, mach uns nichts, wir sind zwei ganz brave Kinder.“ Der Wolf heulte zwei, drei Mal und kam in die Nähe von Margrit. Sein Fell berührte ihre Beine und dann wie durch ein Wunder wandte er sich ab.
Die Kinder hatten durch die Ereignisse komplett die Orientierung verloren und sie liefen immer tiefer in den dunklen Wald. Plötzlich standen sie vor einer kleinen Holzfällerhütte. Aus dieser hörten sie kleine Schreie und ein Wimmern. Sie waren eigentlich ängstliche Kinder. Diese Klagelaute ließen ihnen keine Ruhe. Margrit lief um die Hütte herum. Das kleine Haus hatte einen winzigen Kamin und eine Eingangstür. Ein winziges Fenster war durch einen Fensterladen zugedeckt. Sie schüttelte daran und dann ging er auf. Fritz kam hinzu und da er ein Kopf größer war, konnte er hineinschauen.
Drinnen war ein Mädchen gefesselt am Boden. Es war so schrecklich, dass Fritz instinktiv um Hilfe schrie. Margrit schrie auch um Hilfe und der graue Wolf erschien wieder. Vermutlich war es der gleiche wie vor einer halben Stunde. Margrit flüsterte: „Kannst du uns helfen.“ Der Wolf knurrte anfänglich. Schnell fügte Margrit hinzu, da drinnen ist ein Mensch, der braucht dringend unsere Hilfe. Der Wolf nickte mit dem Kopf. Fritz versuchte, die Tür zu öffnen aber sie war abgeschlossen. Lang überlegte er. Dann schüttelte und riss er immer wieder an der Tür. Da war nichts zu machen! Sie war abgeschlossen und blieb in diesem Zustand. Fritz war handwerklich begabt und er hatte schon öfters Türschlösser und andere Schlösser mit seinem Sackmesser geöffnet.
Er holte dieses wunderschöne rote Sackmesser aus seiner Tasche. Klappte die Klinge auf und fing geduldig, mit dieser im Schloss zu wühlen. Es passierte gar nichts. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Ein Blick zurück zum Wolf. Dieser hatte sich rund drei Meter von ihm am Boden niedergelassen. Er blickte fordern in seine Richtung. Schnell noch die Gedanken des Wolfes kontrollieren. Alles in Ordnung! Er war nun auf ihrer Seite. Deshalb wendete er sich wieder dem Schloss zu. Nach einer gefühlten Ewigkeit war ein Knacken zu hören. Hatte es geklappt? Er rüttelte an der Türklinke und sie ging auf. Aus dem Inneren strömte abgestandene stickige Luft heraus. Er betrat den Raum und bewegte sich in Richtung des Stöhnens. Margrit war nun auch in die Hütte hineingegangen. Beide knieten gleichzeitig beim gefesselten Mädchen. Es war sehr blass.
Fritz holte aus seinem Rucksack seine Trinkflasche heraus und gab ihr einen Schluck zu trinken. Sie öffnete die Augen. Diese waren hellblau und blickten die beiden Kinder hoffnungsvoll an. Fritz hatte immer noch das Sackmesser in der Hand und mit diesem fing er an dem Seil zu säbeln. Langsam löste sich dieses und das Mädchen war befreit. Sie stand auf und stürzte zugleich wieder zu Boden. Fritz lächelte ihr zu und meinte: „Nur ganz langsam!“ Sie holte zwei oder drei Mal tief Luft und raffte sich erneut auf. Dieses Mal klappte es.
Sie liefen aus der Hütte raus und sahen einen Mann mit einem Gewehr auf sie zukommen. Sein Gesicht sah bösartig aus. Margrit rief dem Wolf zu: „Pack ihn! Mach ihn fertig!“ Der Wolf machte einen riesigen Satz nach vorne und sein Maul biss sich in das Bein des Mannes fest. Dieser schrie vor Schmerz. Fritz raunte den beiden anderen zu: „Kommt, lass uns weglaufen“, und zum Mädchen flüsterte er: „Schau nie zurück.“
Nach einem mehrminütigen Dauerlauf stoppten sie in einer Waldlichtung. Das Mädchen war außer Atem und hatte Mühe weiterzulaufen. Aber sie war ein Geschenk des Himmels, denn sie hatte eine fantastische Orientierung. So fanden sie den Weg zum Hause ihrer Eltern zurück. Das verletzte Mädchen konnte gepflegt werden.
Wenige Wochen später zeigte sich der Vater des Mädchens erkenntlich und machte der armen Familie ein großzügiges Geschenk.
Ende