Der eiskalte Bär
(Flauschbärentag 2020)
Es war einmal ein Teddybär, der war völlig eiskalt.
Er war eisblau und hart und steif und so kalt, dass niemand ihn berühren wollte. Seine Familie tat alles, was in ihrer Macht stand, um ihn aufzuwärmen. Sie setzten ihn in die Mittagssonne und vor den Kamin, in die heiße Badewanne und wickelten ihn in dicke Decken. Aber alles half nichts, der kleine, eiskalte Teddy bliebt eisig.
Er war als kleiner Teddy sehr allein und traurig. Immerzu war ihm gesagt worden, dass ein Teddy weich und flauschig zu sein habe. Niemand mochte einen kalten, harten Teddy! Im Teddykindergarten wollte keiner mit ihm spielen und in der Teddyschule wollte keiner neben ihm sitzen. Er strahlte nämlich eine bitterkalte Welle aus, in der alle anderen fröstelten und froren.
Er ging alleine von der Schule nach Hause und während die anderen Teddys sich trafen, saß er allein zu Hause und machte seine Teddyhausaufgaben. Er lernte viel und fleißig, um der beste Teddy zu sein, der er sein konnte. Und in vielen Fächern hatte er ausgezeichnete Noten, aber ausgerechnet im wichtigsten Fach, 'Flauschigkeit', konnte er einfach nicht bestehen.
Seine Teddylehrer waren ratlos. Sie sahen ja, dass er sich wirklich anstrengte, aber sie konnten dem kleinen Eisteddy auch keine gute Note geben. Nicht einfach so, wo sich alle anderen Teddys so abmühten, ihr Fell immer mit Flauschspüler zu waschen und ihre Knuddelübungen machten und sich ihre Noten eben verdienten. Das wäre unfair gegenüber den normalen Teddys!
Die Lehrer und Eltern und Oberteddys berieten sich lange und beschlossen, dass man dem kleinen Teddy unbedingt helfen solle, um jeden Preis! So wurde der kleine Frostbär zu den besten Ärzten geschickt, die alle zusagten, nur dann eine Bezahlung zu verlangen, wenn sie den eiskalten Teddy heilen konnten.
Sie versuchten alles: Mittel und Tränke und sogar große, gruselige Spritzen! Sie gaben ihm Tabletten und Pillen. Sie maßen ihn mit allerlei Instrumenten, aber sie fanden nicht heraus, warum er so unsäglich kalt und frostig war. Und keine ihrer Arzneien bewirkte auch nur das allergeringste, winzigste Wunder. Schließlich mussten die Medizinerteddys sich eingestehen, dass sie nichts tun konnten.
Der kleine, eiskalte Teddy war über diese Diagnose sehr traurig. Er ging in ein Wäldchen und suchte einen einsamen See, an dessen Rand setzte er sich. Dort weinte er bitterliche, kleine Tränen, die als Eisklumpen über seine Wange purzelten und klimpernd in das Gras fielen.
Dieses Klimpern hörte aber die Sonne, die gerade hinter einer Wolke hervorkam. Verwundert sah sie auf den kleinen, unglücklichen Teddy herab.
"Was hast du denn?", fragte sie.
Der Teddy schniefte und sah auf. "Das sieht man doch. Ich bin eisig und kalt. Nie werde ich irgendjemandem Freude bereiten können! Dabei ist das doch alles, was wir Teddys tun wollen. Ich kann aber nur Gutes tun, wenn ich mich von allen fernhalte."
"Na, ob wir dem nicht helfen können ...", überlegte die Sonne und kam ganz hinter der Wolke hervor. "Ich will es einmal versuchen, wenn du erlaubst."
"Das kannst du?", fragte der Teddy mit groooßen Augen.
Die Sonne nickte und erhob die Stimme. "Ich werde den kleinen, eiskalten Teddybären heilen!", verkündete sie so laut, dass alle anderen Teddybären es hörten. Dann bündelte sie ihre Strahlen und ihre ganze Kraft und schien mit aller Macht auf den kleinen, eiskalten Teddybären, und alle Liebe und Freundlichkeit, die in ihr war, schickte sie mit dem Licht zu ihm.
Der Teddy stand in einer Säule von goldenem Licht und wartete darauf, dass er taute.
Aber das geschah nicht. Er blieb genauso eisig und kalt wie zuvor. Doch dafür hörte er plötzlich Schreie der anderen Bären:
"Hör auf, Sonne! Es ist zu heiß!"
"Oh nein, das Haus brennt! Holt Wasser!"
"Wir werden ganz krank vor Hitze."
Und dann erklangen neue Rufe: "Das ist alles der eiskalte Teddy schuld!"
Da erschrak der kleine Bär ganz furchtbar. Er rannte in das Dorf zurück und sah, dass das Haus in der Mitte des Dorfes gebrannt hatte. Um es zu löschen, hatten die Teddys alles Wasser daraufgekippt, was noch nicht verdunstet gewesen war. Jetzt lagen die Teddys im spärlichen Schatten und wimmerten leise, weil es viel zu heiß war und sie nichts zu trinken hatten.
"Bitte hör auf, zu scheinen!", bat der kleine Eisteddy die Sonne.
"Ich scheine schon gar nicht mehr", erwiderte die Sonne traurig. "Aber die Hitze ist nun einmal da, und ich kann sie nicht zurückholen. Es tut mir so leid, ich hätte daran denken müssen."
Unglücklich ging der Teddy durch das zerstörte Dorf. Als er aber an einigen Bären vorbeikam, hoben die den Kopf und riefen: "Bleib!"
Erstaunt hielt der Teddy inne.
Bleib? Das hatte noch nie irgendjemand zu ihm gesagt! Alle waren immer nur weggegangen. Denn obwohl sie nichts sagten - Teddybären waren viel zu lieb dafür - waren sie alle nicht gerne in seiner eisigen Nähe.
Aber jetzt baten sie ihn, dass er bei ihnen blieb!
Vorsichtig und ganz schüchtern kam der Teddy näher. Die anderen Teddybären lachten vor Freude, als sie nach der Hitze Abkühlung fanden. Sie sprangen auf und tanzten und umarmten den kleinen Eisteddy, der gar nicht wusste, wie ihm geschah. Dann trug man ihn durch das ganze Dorf und alle wollten unbedingt zu ihm und mit ihm knuddeln. An diesem Tag war er der allerbeliebteste Teddy im ganzen Dorf und wurde so oft geflauscht, dass seine Lehrer ihm ohne Zögern die Bestnote verliehen.
Und im ganzen Dorf einigte man sich, dass es gar nicht so schlecht war, wenn ein Teddybär kalt und hart war, weil auch eiskalte Teddybären ihren Platz finden konnten. Von nun an arbeitete der kleine Teddy in jedem Sommer unermüdlich und hatte dafür Herbst, Winter und Frühling frei, und er lebte glücklich und zufrieden und war überall sehr beliebt.
Und wenn er nicht gestorben ist, dann kühlt er uns noch heute.