Die Teddybärenküche
(Bärnesstag 2021)
In der großen Teddybärenküche herrscht abends immer ein ziemlicher Trubel. Der Abend ist der Morgen der kleinen Bärchen, und das ist die Zeit, da sie nach einem langen, faulen Nachmittagsschläfchen aufstehen und zu ihrer Arbeit eilen.
Die kleinen Teddybären bewachen nämlich die Träume der Kinder, und das machen sie nachts.
Die Teddyküche ist groß, ein riesiger Raum mit Stühlen und Tischen, Öfen und Schränken, und vielen Türen, hinter denen sich Leckereien verbergen. Aber die Türen sind fast alle hoch oben, sodass die kleinen Bärchen nicht daran kommen, nur die große Teddyköchin kann das. Auch dürfen die kleinen Bären nicht an die Öfen fassen, obwohl da so leckere Kekse und Kuchen drin backen und einen köstlichen Duft verströmen! Wenn sie zu nah an die Öfen gehen, dann schwingt die Teddyköchin immer den großen Holzlöffel und sagt: "Na, na, na! Das ist zu heiß für kleine Teddypfoten."
Wenn alle kleinen Bärchen zur Arbeit gehen, heißa, das ist ein Gewimmel! Aus allen Türen strömen sie in die Küche, manche noch tapsig und verschlafen, andere voller Energie. Manche toben so wild, dass die große Teddyköchin sie ermahnen muss: "Na, na, na! Nicht kippeln, Kinder." oder "Na, na, na! Nicht drängeln, Kinder!"
Die Bärchen stellen sich nämlich in einer Reihe auf und dann gibt die große Köchin einem jeden eine kleine Dose mit Butterbroten oder eine Flasche mit Milch oder ähnliche Köstlichkeiten. Die Arbeit als Traumwächter kann nämlich hart sein, da wird ein kleiner Teddy schon mal hungrig, und dann braucht er seine in buntes Papier eingewickelten Brote oder ein schnelles Müsli, oder sogar einen Honigkuchen!
Für jeden Bären macht die große Köchin etwas anderes. Es ist ein herrlicher Anblick, wie sie im Zimmer umherwirbelt mit Marmelade und Cornflakes, und wie sie allen kleinen Bärchen zuhört, die sich etwas wünschen.
"Ich will Kakao!", ruft vielleicht eines, und gleichzeitig ein anderes: "Kann ich heute ein Brötchen haben?" und ein drittes womöglich: "Ich habe gar keinen Hunger."
Nicht immer kriegen die Bärchen, was sie sich wünschen, aber die große Köchin hat immer alles da. Einem traurigen, kleinen Bärchen, das sich nur einige Beeren wünscht, packt sie vielleicht ein Brot ein, in Herzform geschnitten und mit dem liebsten Käse des kleinen Bärchens. Und einem wild tobenden Bärchen schenkt sie Beruhigungstee ein, aber damit muss man sehr vorsichtig sein, denn so eine Nacht ist lang und da kann es vorkommen, dass ein vom Beruhigungstee beruhigtes Bärchen gar einschläft!
•ᴥ•
Heute aber kommt noch ein letztes Bärchen ganz leise in die Küche, als fast alle anderen schon weg sind. Es ist ein besonders kleines Teddybärchen. Obwohl die Köchin noch einige Brote machen muss, bemerkt sie es sofort.
"Was hast du denn, Kleines?"
"Ach", sagt das Bärchen. "Es ist nichts."
"Na, na, na! Sag nicht, es ist nichts, wenn doch etwas ist."
Das Bärchen senkt den Kopf. "Vielleicht bin ich kein guter Traumwächter."
Die Köchin schickt die anderen Bärchen auf ihren Weg und kniet sich dann vor den kleinen Teddy. Das ist eine ernste Sache! Kein Traumwächter sollte an sich zweifeln.
"Erzähl mal, Kleiner. Wieso denkst du das?"
"Ich ... ich ... ich habe solche Angst!" Tränen schimmern im Blick des kleinen Bären. "Mein Kind hat so schreckliche Albträume."
"Was träumt es denn?"
"Ich weiß es gar nicht genau. Ich höre immerzu dieses Knurren und Kratzen, als wenn ein besonders großes Tier hereinwill. Und jede Nacht ist es ein bisschen größer und zorniger!"
"Du hast es noch nie gesehen?", fragt die Teddyköchin erstaunt.
"Ich vertreibe es immer mit meinem Licht und meinem Schwert. Aber es kommt jede Nacht."
"Hm, hm, hm", macht die große Teddybärenköchin. "Das ist eine vertrackte Sache."
"Ich habe solche Angst, dass es irgendwann zu groß wird!", jammert das Bärchen. "Und ich es dann nicht mehr fernhalten kann. Ach, mein armes Kind!"
"Und es ist jede Nacht der gleiche Albtraum?", fragt die Köchin.
Das Bärchen nickt.
Die Köchin tritt an den Herd und rührt im besonderen Topf. In diesem großen, immer blubbernden Topf kocht nämlich der besondere Mutmach-Brei. Er ist immer warm, falls ihn jemand braucht. Sie nimmt eine große Kelle voll und schüttet sie in eine Schüssel und reicht sie dem Bärchen.
"Für mich?" Mit großen Augen sieht der kleine Teddy auf.
"Ich glaube, ich weiß, wo das Problem liegt. Ein Albtraum kommt nicht ohne Grund immer wieder. Er hat eine wichtige Botschaft für dein Kind."
"Ein Albtraum? Eine Botschaft?"
Die Köchin nickt ernst. "Du musst mit ihm sprechen."
"Sp-sprechen?" Schnell nimmt der Teddy einen großen Löffel vom Brei.
"Es ist selten, aber diesmal scheint es sehr wichtig zu sein. Lass den Albtraum herein."
"Ihn he-herein lassen?" Trotz Brei ist das arme Bärchen ganz blass.
"Er wird nur noch größer. Aber noch kannst du ihn beherrschen. Lass ihn herein und pass dann weiter auf dein Kind auf. Das ist viel besser, als wenn der Albtraum zu stark wirst und du dem Kind gar nicht mehr helfen kannst."
Das Bärchen zittert. Die Köchin streicht ihm beruhigend über das Fell. "Na, na, na. Hab keine Angst, Bärchen. Tu, was ich sage, und der Albtraum wird gehen."
Tapfer nickt das Teddybärchen. "Ich werde es versuchen!"
•ᴥ•
Und so geschah es dann auch! Am nächsten Morgen sah die große Teddyköchin den tapferen, kleinen Bären wieder. Er kam diesmal ganz früh, mitten im schlimmsten Gedrängel, und da war wenig Zeit, sich über die letzte Nacht zu unterhalten. Aber er lächelte dankbar und die große Köchin nickte ihm zu, und da wusste sie, dass der Albtraum seine Botschaft abgeliefert hatte und besiegt war.
So und nicht anders geht es jeden Abend in der großen Küche der Teddybären zu, wo es in Töpfen blubbert und Teller klappern, wo die große Köchin Fläschchen und Brotdosen und Thermoskannen verteilt und niemals auch nur ein Bärchen übersieht. Sie schimpft mit denen, die zu wild toben, und ermutigt die, die sich fürchten. Und manchmal, wenn es nötig ist, dann holt sie eine Kelle Mutmach-Brei aus dem großen Breitopf und gibt einem jungen Bären einen ganz besonderen Rat.