Der Immer-Zu-Spät-Bär
(verspätet zum Bärnesstag 2020)
Kommt her, liebe Kinder. Setzt euch ums Feuer und lauscht!
Heute will ich euch vom Immer-Zu-Spät-Bären erzählen. Das war ein lausiger Geselle, der vor vielen, vielen Jahren lebte. Und immerzu kam er zu spät.
Zur Wacht an der Seite der Kinder beispielsweise. Manchmal kam er erst, wenn die Hälfte der Nacht bereits vergangen war, und die armen Kleinen hatten furchtbare Alpträume deswegen. Aber der Immer-Zu-Spät-Bär sagte nur: "Das ist mir doch egal!"
Oder zu den Geburtstagspartys seiner Freunde. Einmal, da kam er, als fast alle schon gegangen waren, und er brachte nicht einmal Geschenke mit! Nein, er beschwerte sich nur, dass es zu wenig zu Essen gab.
Überall und immerzu kam er zu spät. Die große Versammlung der Bären musste oft vertagt werden, weil er in der letzten Minute kam, aber immer wollte, dass andere ihn anhörten.
Es war ja an sich nicht schlimm, dass er zu spät kam. Jeder vergisst mal einen Termin. Oder braucht länger für einen Weg als gedacht. So etwas kann dem besten Bären passieren. Dann sagt man artig 'Entschuldigung' und schon ist die Sache vergessen.
Aber der Immer-Zu-Spät-Bär war nicht artig! Er kam absichtlich zu spät und sagte niemals 'Entschuldigung'. Er hielt die Teddyschule auf und die Teddyversammlung und alle Teddyfeierlichkeiten, und so waren die Teddys damals schließlich sehr zornig auf ihn. Sie sprachen wieder und wieder mit ihm und baten ihn, endlich pünktlich zu sein. Sie flehten ihn an, auch mal an Andere zu denken, doch der Immer-Zu-Spät-Bär weigerte sich.
Es war so: Er wollte sich nicht hetzen für Andere. Er wollte gerne lange schlafen und spielen, in Ruhe essen und feiern, aber er wollte sich nie, nie, nie nach Anderen richten.
Da waren die Teddys ziemlich verzweifelt. Was sollte man mit so einem Bären machen, der nur an sich selbst dachte?
Da hatte der große Sternenbär genug gesehen. Er kam in der Nacht zu dem Immer-Zu-Spät-Bären, der damals übrigens noch einen anderen Namen trug, doch der ist lange vergessen.
"Du!", sprach der Sternenbär grollend. "Du bist kein guter Teddy gewesen."
"Gewesen?", fragte der Immer-Zu-Spät-Bär erschrocken. "Aber ich habe doch noch Zeit!"
"Zeit hättest du gehabt", antwortete der Sternenbär. "Doch du hast zu viel getrödelt. Dein Ende soll nicht sein wie du, und deshalb kommt es überpünktlich."
Da hatte der Immer-Zu-Spät-Bär fürchterliche Angst! Er weinte und schrie und flehte den Sternenbären um mehr Zeit an. Er wollte noch nicht zu den Sternen am Himmelszelt gehen.
"Es gibt Andere, die deine Lebensjahre besser nutzen werden", antwortete der Sternenbär. "Doch ich gewähre deinen Wunsch. Nicht zum Himmel sollst du gehen, sondern hier bleiben. Und wenn du einen Teddy siehst, der wie du ist, der nur an sich denkt und Zeit verstreichen lässt, obwohl er helfen sollte, dann kannst du ihm diese Zeit nehmen! Wenn wieder ein fauler Teddy in diesem Land wandelt, der seine Aufgaben nicht wichtig nimmt, so darfst du seine Stunden haben und damit tun, wie dir beliebt."
So sprach der Sternenbär und es donnerte laut! Seitdem streift der Immer-Zu-Spät-Bär im Nebel über den abendlichen Wiesen und sucht nach unartigen Teddys, die sich nicht um Andere kümmern und ihre Zeit vergeuden. Wenn er diese findet, so klaut er ihnen ihre Zeit. Denn er ist wütend und glaubt, dass der Sternenbär ihn um seine Jahre betrogen hat!
Darum seid immer lieb und höflich. Bemüht euch um Pünktlichkeit und nehmt eure Aufgaben ernst, denn wer seine Arbeit ernstnimmt, der vergisst sie nicht so leicht.
Sonst nämlich holt euch der Immer-Zu-Spät-Bär. Seht nur nach draußen, manchmal sieht man ihn in Dämmerlicht und Nebelhauch, wie er mit zornigem Blick durch die Welt streift und nach kostbaren Lebensstunden sucht.