Offizier Ked Orston kauerte hinter einer Mauer und versuchte, der brutalen Realität zu entkommen, die sich um ihn herum abspielte. Immer wieder fragte er sich, wie es so weit hatte kommen können. Niemand hatte von der Anlage auf diesem Planeten gewusst, außer natürlich seinen eigenen Leuten. Und dem Imperator.
War das vielleicht der Weg des Imperators, sich jener zu entledigen, die ihn enttäuscht hatten? Oder war das der Einfall dieses Monsters Vader gewesen? Schließlich hatte Ked schon einiger Zeit die Vermutung, dass Vader an der Loyalität des Offiziers zweifelte, jedoch ohne jeden Beweis.
Der Offizier schüttelte den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er war kein Verräter. Er liebte seine Position, war sogar für eine baldige Beförderung vorgesehen. Wieso sollte er das alles aufs Spiel setzen?
Aber wie hatte der Rebellenabschaum dann von der Anlage erfahren? Etliche Möglichkeiten kamen ihm in den Sinn, doch allesamt ließen nur eine einzige Schlussfolgerung zu: Es musste einen Verräter in seinen Reihen geben.
Wie gerne wäre er jetzt lieber in Karbonit eingefroren, als auf diesem Planeten festzustecken?
Das ohrenbetäubende Kreischen der Tie-Jäger, welche über ihn hinwegflogen, riss ihn aus seinen Gedanken. Vorsichtig wagte er einen Blick über die schützende Mauer, bereute dies daraufhin jedoch gleich wieder. Denn was er vor sich sah, ließ seinen Mut nur weiter sinken. Sofern das überhaupt möglich war, schließlich fühlte er sich davor schon wie eine Ratte in der Falle.
Die Stadt vor ihm lag in Schutt und Asche. Jäger und Bomber der Rebellen flogen über die Region und bombardierten die Häuser und Straßen, während die Schiffe des Feindes den Beschuss vom Meer aus fortsetzten, welches sich vom Hafen bis hinter den Horizont erstreckte. Über ihm lieferten sich die Tie-Jäger des Imperiums brutale Verfolgungsjagden mit den X-Flüglern der Rebellen. Grüne und rote Laserstrahlen blitzten auf und zerstörten die anvisierten Ziele, während verirrte Schüsse Löcher in die Häuser und Straßen rissen und die Leben von jenen beendeten, die unglücklich getroffen wurden. Am Boden hatte sich ein Stellungskampf zwischen Sturmtruppen und dem Feind entwickelt. Rauch und Feuer mischten sich in das Schaubild, Explosionen zeigten sich dort, wo Minen und Granaten ausgelöst wurden.
Und ganz allein, zwischen all dem gefangen und mit einem funktionsunfähigem Kommunikator, saß Offizier Ked Orston und versuchte verzweifelt, einen Weg aus dem Chaos zu finden. Die Schüsse und Explosionen knallten in seinen Ohren, ließen sein Herz aus Angst schneller schlagen. Er schwitze und zitterte, während er hinter der Mauer kauerte und weder ein noch aus wusste.
Der Offizier hatte keine Erfahrung mit Kampfeinsätzen. Anders als andere Offiziere hatte er sich nicht vom Rang eines Soldaten hocharbeiten müssen, sondern war wegen seiner Intelligenz und seines Geschicks in der Planung von Projekten aufgefallen. Daraufhin hatte er die imperiale Offiziersakademie besucht und den besten Abschluss seines Jahrgangs erreicht. Lediglich die Grundausbildung der Soldaten hatte er mitgemacht. Doch dieses reichte bei weitem nicht, um heil aus dieser Situation zu entkommen.
Kurz nach seinem Abschluss an der Akademie hatte man ihn damit betraut, eine Anlage zu planen, mit der es möglich war, Energie aus dem Kern eines Planeten zu ziehen, ohne Signaturen auf Scannern zu hinterlassen. Mithilfe dieser gewonnenen Energie sollte die Forschungsabteilung des Imperiums in der Lage sein, mächtigere Waffen zu entwickeln, die im Kampf gegen die Rebellen genutzt werden sollten. Innerhalb von vier Monaten war die Anlage geplant und aufgebaut worden. Während dieser Zeit gab es keine Zwischenfälle. Nur wenige hatten von dem Projekt und dem Standort der Anlage gewusst. Trotzdem hatten die Rebellen es irgendwie herausgefunden und angegriffen.
Der Angriff war so schnell wie unerwartet gekommen. Als erstes waren die Bomber erschienen, die sofort das Feuer auf die Anlage eröffnet hatten. Direkt danach begann der Angriff der Jäger auf die Kommandostelle, in welcher sich Ked zu diesem Zeitpunkt befunden hatte.
Nur knapp war er mit seinem Leben aus der Anlage entkommen, jedoch von den Soldaten, die ihn beschützen sollten, getrennt worden. Ked wusste nicht einmal, ob überhaupt noch jemand lebend davongekommen war.
Während er über diese Vorkommnisse nachdachte, überfiel den Offizier ein kalter Schauer der Angst. Ihm war etwas eingefallen, an das er in der Hitze des Gefechts gar nicht gedacht hatte: Selbst wenn er diesem Schlachtfeld irgendwie entkommen sollte, wo sollte er dann hin? Er konnte dem Imperium nicht mehr weiter dienen. Selbst, wenn dieser Angriff nicht vom Imperator vorhergesehen oder von Darth Vader inszeniert worden war, würde der Anführer des galaktischen Imperiums ihn für das Scheitern des Projekts verantwortlich machen. Wenn nicht aus eigener Intention heraus, dann ganz sicher durch das Wort seines mechanischen Schoßhundes.
Ja, am Ende würde Vader ganz sicher für das vorzeitige Ende von Ked Orstons Karriere sorgen, liebend gerne auch mit eigener Hand.
Dieser Erkenntnis beraubte ihn jeden Mutes. Während der Offizier hinter der Mauer zusammensackte, hörte er, wie sich ihm der Kampflärm immer weiter näherte.
Die unterschiedlichen Gefühle, die er in diesem Moment durchlebte, drohten ihn zu zerreißen. Er konnte keinen Mut mehr aufbringen. Ein ungeheures Gefühl der Gleichgültigkeit überfiel ihn, da das Leben plötzlich keinen Sinn mehr für ihn hatte. Ked hatte sein Leben dem Imperium verschrieben, er kannte nichts anderes. Nur dort hatte er einen Sinn und auch ein Gleichgewicht, welches ihm nun zu entgleiten drohte. Gleichzeitig rief er sich seine Ausbildung in Erinnerung. Das Imperium duldete keine Schwäche.
Doch war er denn noch Teil dieses glorreichen Imperiums? Das Ende, welchem er entgehen sah, war dunkel. Kein Licht am Ende des Tunnels.
Ked schluckte und schaute erneut über die Mauer. In diesem Moment fiel ein Tie-Jäger brennend und mit dem unverkennbar kreischenden Geräusch, welches durch die Antriebe und der Bauart verursacht wurde, vom Himmel. Das Wrack krachte mit hoher Geschwindigkeit in ein nahegelegenes Haus, explodierte und sandte dem Offizier eine Druckwelle aus Trümmern und heißer Luft entgegen. Schützend hielt er sich die Arme vor das Gesicht und senkte sie erst nur vorsichtig wieder. Direkt vor sich sah er zwei Rebellen auf der Straße. Sie tauchten unvermittelt aus dem Rauch auf, der aus dem brennenden Gebäude trat, und hielten direkt auf ihn zu.
Schnell warf der Offizier sich erneut hinter die Mauer. Sein Herz klopfte so stark, dass er beinahe befürchtete, es würde ihm gleich aus der Brust springen. Mit schweißnassen Händen packte er fest seine DH-17 Blasterpistole und wartete auf die Soldaten.
„Sir?“
Die Stimme hinter ihm erschreckte den Offizier so heftig, dass er aufschrie und von der Mauer wegsprang. Unsanft landete er auf dem Hintern, den Arm mit der Pistole hatte er ausgestreckt. Jedoch würde er so, wie er zitterte, nicht einmal einen Porg aus nächster Nähe erwischen.
„Sir, ist alles in Ordnung?“
Langsam senkte er den Arm, das Pochen seines Herzens hörte er laut und deutlich in seinen Ohren. Da erst erkannte er, dass zwei Sturmsoldaten vor ihm standen, keine Rebellen.
„W-Was..?“ Mehr brachte Ked nicht heraus. Dabei schaute er die beiden Soldaten, deren weiße Rüstungen mit Staub und Dreck bedeckt waren, verdutzt an.
„Wir haben gesehen, dass sich zwei dieser Rebellen von ihrer Gruppe getrennt haben“, berichtete einer der beiden Sturmsoldaten. „Wir haben sie abgefangen.“ Er deutet auf die Straße.
Als Ked langsam aufstand und Halt an einem Baum suchte, sah er die beiden Feinde, die sich ihm gerade noch genähert hatten. Sie lagen tot auf der Straße.
„Rebellenabschaum“, spie Ked aus und rang damit, seine Fassung wiederzufinden.
Keiner der beiden Soldaten hatte etwas zu seiner Erscheinung oder dem ungebührlichem Verhalten des Offiziers gesagt. Und das war Ked nur recht.
„Sir, Sie sollten von diesem Planeten verschwinden“, meldete sich der andere Soldat zu Wort. „Die Stellungen am Hafen sind verloren, die Rebellen rücken nach und nach in die Stadt vor.“
„Und wie?“, fragte der Offizier gereizt und nahm Haltung an. So gut, wie es ihm seine zittrigen Beine erlaubten. „Ihr habt selbst gesagt, dass die Straßen unsicher sind.“
„Es gibt ein Shuttle, unten am Rand des Hafens“, antwortete der Soldat und zeigte zum Wasser.
Ked folgte dem Fingerzeig und entdeckte knapp über die Ruinen und Dächer der Stadt hinweg einen Energieschild aufblitzen.
„Unsere Truppen verteidigen es mit allen Mitteln, doch lange halten sie es nicht mehr durch. Das Shuttle wird bald abheben.“
„Wir eskortieren Sie dorthin“, fügte der andere Soldat hinzu.
„Ein Shuttle“, murmelte Ked. Er konnte neue Hoffnung aus dieser Information schöpfen, und ein verwegener Plan nahm in seinen Gedanken Gestalt an. „Gut, bringt mich dorthin.“
„Jawohl, Sir!“
Doch gerade als die Soldaten sich umdrehten und in Bewegung setzten, lösten sich zwei Schüsse aus der Blasterpistole des Offiziers. Beide Sturmsoldaten fielen tot zu Boden.
Ked senkte den Arm und schaute auf die beiden Soldaten herab. Er konnte selbst nicht glauben, was er gerade getan hatte. Doch ungeschehen konnte er es jetzt auch nicht mehr machen.
Eilig schnappte er sich beide Blastergewehre – die Sturmsoldaten würden sie eh nicht mehr brauchen – und machte sich auf den Weg zum Hafen. Dabei schlich er vorsichtig durch die Gassen und stieg über Schutt und Geröll in seinem Weg hinweg.
Sein Ziel war klar: Zum Shuttle gelangen. Danach würde er sich überlegen, wie er den Fängen des Imperiums entkommen konnte.
Und je weniger Zeugen ihm dabei im Weg standen, desto besser war es. Für alle.