Das Erste was ich wahrnahm war ein seltsam dumpfes Piepen.
Im nächsten Augenblick hätten mir die Kopfschmerzen beinahe wieder das Bewusstsein geraubt. Ich wollte schreien, doch irgendetwas blockierte meinen Mund. Es steckte bis in den Rachen und schmeckte nach Plastik.
Panisch versuchte ich meine Augen zu öffnen, doch die Lider gehorchten mir nicht. Auch meine Arme und Beine bewegten sich wie durch Honig. Ich schien von Kopf bis Fuß in einer zähen und unglaublich kalten Flüssigkeit zu stecken. Erst jetzt viel mir auf wie kalt mir war.
Panik und Schmerzen ließen meine Gedanken wie verrückt um sich selbst kreisen. In meinem Kopf existierte nur die dickflüssige Substanz und das Verlangen aus ihr zu entkommen. Ich bekam keine Luft.
Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte zwang ich meinen Körper nach vorne. Oder war das oben? Unten? Eine bisher unentdeckte Richtung durch die schste Dimension? Ich konnte es nicht sagen, hatte jeden Sinn für Orientierung verloren.
Schließlich berührten meine vorgestreckten Hände eine harte Oberfläche. Vielleicht Glas? War ich eingesperrt? Ich musste raus! Woher kam dieses Zischen? Der Druck... er schwand. Ich hatte nicht einmal bemerkt dass er da war. Endlich gab die Substanz meine Augen frei und ich konnte die Lider aufschlagen. Vor mir befand sich tatsächlich eine Glaswand, die noch immer von der glibbrigen Masse bedeckt war die irgendwo bei meinen Füßen abgesaugt wurde. Dahinter konnte ich nur verschwommen die Decke eines weiß angestrichenen Raumes erkennen. Zitternd atmete ich auf, der Schlauch in meinem Mund versorgte mich zuverlässig mit Sauerstoff. Ich musste in der Panik einfach vergessen haben zu atmen.
Wo war ich? Warum fiel es mir so schwer mich zu erinnern? Diese Fragen kreisten in meinem Kopf herum während ich darauf wartete vollständig von dem Glibber befreit zu werden. Die tosenden Kopfschmerzen machten das Denken nicht unbedingt leichter.
Im nächsten Moment stockte mir wieder die Atmung. Durch das Glas blickte nun ein Wesen, das ich nur als Alien bezeichnen konnte.
Der beigefarbene Kopf hatte die Größe eines Halloweenkürbis, mit dunkelgrünen Augen, deren Größe eine Barbypuppe vor Neid erblassen lassen hätten und einem kleinen, aber irrsinnig breitlippigen Mund. Dieses bizarre Konstrukt ruhte auf einem so dünnen Hals dass ich mich nur wundern konnte wie er nicht unter der Last abknickte, gefolgt von zwei so dürren Schultern dass die Knochen wie Stacheln herausstanden. Am gesamten Körper war kein einziges Haar zu erkennen. Das Wesen trug eine graue Uniform mit einem Namensschild, auf dem Ceta-0058218 zu lesen stand.
Die Glasscheibe wurde geöffnet und die fremde Lebensform zog mir den Schlauch aus dem Mund. Während ich noch entgeistert zu dem Alien aufstarrte begann es zu reden: "Willkommen zurück, Sie befinden sich im Cetadistrict Heilzentrum für mindere Erkrankungen."
Ich verstand kein Wort. In meiner geisigen umnebelung antwortete ich nur: "Ich komme in Frieden."
"Was?", nun war auch das Alien verwirrt. Fasziniert beobachtete ich wie in seinem Auge auf einmal Textzeilen auftauchten, wie auf einem Display. "Oh, ich verstehe. Du kommst aus dem 21. Jahrhundert. Diese veraltete Technologie verursacht oft Probleme."
Ich starrte weiter verständnislos bis das Wesen fortfuhr: "Deine Erinnerungen sollten mit der Zeit zurückkehren, fürs Erste reicht es zu wissen dass du eingefroren wurdest um auf eine Heilung für deine zu deiner Zeit unheilbare Krankheit zu warten. Du hattest einen Hirntumor."
"Glioblastom", antwortete ich automatisch. Tatsächlich kehrten langsam die Erinnerungen zurück: Die Schmerzen, die Anfälle, die Ärzte, die mir einer nach dem anderen erklärten dass sie nichts tun konnten. Ich entspannte mich ein wenig. "Dann sind wir also einfach nur in der Zukunft und Sie sind kein Alien."
"Was?"
"Nicht so wichtig. Konnten Sie den Tumor entfernen?", fragte ich schnell.
"Nun, nachdem dein Guthaben bei der Kryonikfirma aufgebraucht war, mussten wir dich wieder warmstellen- ..."
"Also gibt es keine Heilung?", ich war entsetzt. Mein ganzes Vermögen umsonst verballert. Dieser grotesk aussehende Zukunftsmensch war nichts anderes als ein weiterer Arzt der nichts tun konnte.
"Doch, schon seit drei Jahrhunderten. Deine Akte muss einfach im bürokratischen Chaos untergegangen sein."
"Warum sagen Sie das dann nicht gleich?", doch die Antwort interessierte mich nicht mehr. Ich konnte geheilt werden! "Wann können Sie die Operation durchführen? Muss ich etwas unterschreiben?"
"Wir haben die Operation schon an deinem eingefrorenen Körper durchgeführt. Außerdem mussten wir ein paar kleinere Anpassungen durchführen um deinen Körper auf den neuesten Stand zu bringen. Die historische Fakultät der Betauniversität hat dir das modernste Modell gesponsort."
"Was bedeutet das?", es war erstaunlich dass in der Zukunft (Gegenwart?) solche Eingriffe ohne meine Zustimmung möglich waren, aber es konnte bestimmt nichts allzu schlimmes sein.
"Wir haben dich mit den nötigsten cybernetischen Updates versehen, um mit der fortgeschrittenen Technologisierung mitzuhalten. Sieh es dir einfach selbst an!"
Er hielt mir einen Spiegel vor die Nase, aber er musste kaputt sein, ich konnte nämlich direkt hindurchsehen. Nur langsam dämmerte mir dass die exakte Kopie des Kürbiskopfes meines Arztes tatsächlich mein eigenes Gesicht war.
Ich begann erneut zu schreien.