Eine gräuliche Schicht Asche bedeckte den Boden wie Schnee. Peters Stiefel hinterließen darin deutliche Spuren, während er mit seinen Freunden durch die verkohlten Überreste des Handelsposten schritt. Die Luft war erfüllt vom beißenden Geruch nach Rauch und verbranntem Fleisch.
Sie waren in den frühen Morgenstunden ins Tal aufgebrochen, um die Ruine zu plündern, bevor andere Wüstenbewohner auf sie aufmerksam wurden. Wie immer führte Thea die Gruppe an. Mit scharfem Auge hatte sie sich aus der Ferne vergewissert dass keine bösen Überraschungen auf sie warteten, dann waren sie durch eine zerstörte Stelle in der Außenmauer in den Handelsposten eingedrungen.
Es war bedrückend still. Selbst in den einsamsten Stunden war die Wüste erfüllt von den Lauten zahlreicher Lebewesen, die in der Einöde um ihr Überleben kämpften. Doch hier schien es als hielte die Welt im Angesicht dieser Gräueltat den Atem an. Sogar die Aasgeier waren bisher vom Rauch ferngehalten worden, doch das würde sich bald ändern.
Der Handelsposten bestand aus mehreren Gebäuden, die sich um die große Wasserpumpe in seinem Zentrum drängten. In den kleineren Behausungen hatten der Besitzer mit seiner Familie und Angestellten gelebt, während der Stall und das große Hauptgebäude immer für Gäste offen gewesen waren. Zwischen der Mauer und den Gebäuden waren verschiedenen Beete und einige Bäume gepflanzt worden.
Thea wies die beiden Männer an sich aufzuteilen. Peter entschloss sich dazu erst die Gemüsebeete auszukundschaften. Er konnte zwar schon von fern erkennen dass alle Pflanzen entweder geplündert oder verbrannt waren, doch er ließ gerne seinen Freunden den Vortritt beim Erkunden der eng zusammen stehenden Gebäude, von denen der seltsam appetitliche Duft nach verbranntem Fleisch herüberwehte.
Mit der Spitze seiner Machete wühlte er durch die Asche, auf der Suche nach darunter verborgenen Schätzen. Erwartungsgemäß fand er außer einem nur zur Hälfte verbrannten Kürbis nichts von Wert. Nachdem er jedoch eine Weile gesucht hatte, viel ihm auf dass die Erde unter der Asche an manchen Stellen seltsam aufgewühlt war. Er legte eine solche Stelle mit den Händen frei und tatsächlich befand sich dort eine Spur, die eindeutig von einem Fahrzeug stammte.
Eilig teilte er diese Neuigkeit seinen Freunden mit. Auch Thea und Ruben fielen zahlreiche Einschusslöcher von Kugeln und zerbrochene Pfeile an den Gebäuden und der Mauer auf.
Offensichtlich waren die Räuber gut ausgerüstet gewesen.
Die Durchsuchung der Nebengebäude war erfolglos. Die Wohngebäude waren anscheinend während des Überfalls verlassen worden und die Einrichtung war vollständig den Flammen zum Opfer gefallen. Im Stall lagen die Kadaver von zwei Eseln und einem halben Dutzend Ziegen unter den verkohlten Balken des eingestürzten Daches begraben.
Thea wies Ruben an zu retten, was von dem Fleisch noch zu retten war, dann wandte sie sich gefolgt von Peter zum Hauptgebäude.
Es überraschte ihn kaum dass die Pumpe vollständig zertrümmert worden war. Die Angreifer hatten es eindeutig darauf abgesehen so viel Verwüstung wie möglich zu hinterlassen.
Die Mauern des großen Bauwerks standen noch, gestützt von seinem steinernen Fundament. Das Tor war mit einm schweren Balken verriegelt worden, doch das Feuer hatte die Bretter geschwächt und so schafften sie es mit Gewalt ins Innere durchzubrechen.
Peters Magen rebellierte bei dem Anblick, der sich ihnen dahinter offenbarte.
Das Dach war bei dem Brand eingestürzt und hatte die große Halle in ein Trümmerfeld verwandelt. Die Nischen, in denen früher zur Abwicklung verschiedenster Geschäfte vorgesehen waren, wirkten nun düster und leer. Der große Steinofen im Zentrum stand noch aufrecht, wie eine mahnende Säule, ein Relikt der Zeit vor dem Überfall.
Doch Peters Aufmerksamkeit wurde auf den Trümmerhaufen im hinteren bereich angezogen. Dort lagen, begraben unter den Dachbalken, die ihnen das Leben gekostet hatten, über ein Dutzend menschliche Körper übereinander getürmt.
Es viel ihm schwer die einzelnen Personen auseinanderzuerkennen, deren Körper verbrannt und auf groteske Art entstellt waren. Manche hielten noch im Tod ihre Liebsten an sich geklammert, während andere scheinbar versucht hatten zu dem Schmalen Fenster in der Rückwand hochzuklettern, jedoch kläglich gescheitert waren.
Die kohlrabenschwarzen Körper, deren Haut von den Flammen verzehrt worden war und so den Blick auf das teilweise bis auf die Knochen verbrannte Fleisch offenbarte, waren zu viel für Peter. Von einer plötzlichen Übelkeit erfasst lief er gekrümmt so schnell wie möglich aus dem Gebäude, um sich auf die mit Asche bedeckte Erde zu übergeben.
Als er sich erschöpft und verstört zurück gegen die Wand lehnte kehrte Ruben mit einem Rucksack voll Fleisch zu ihnen zurück. Mit einem verächtlichen Blick auf den Beweis für Peters schwachen Magen verkündete er: "Ich weiß jetzt, wer dieses Chaos veranstaltet hat. Ihr solltet euch das ansehen."
Durch diese wenig ausführliche Erklärung verunsichert und ein wenig genervt folgten Thea und Peter ihrem Freund zum aufgebrochenen Tor.
Dort ragte in einiger Entfernung ein einsamer Holzpfahl in die Höhe, auf dem eine einzelne Leiche gepfählt worden war. Der unglücksehlige Mann war gehäutet worden und man hatte seine Gliedmaßen abgeschnitten und verkehrt herum wieder angebracht.
Beinahe hätte Peter erneut gekotzt, doch er schaffte es zurückzuhalten.
Um den Anblick nicht länger ertragen zu müssen wandte er sich zu Thea, die nun das Wort ergriff: "Das kann nicht sein. Die sind doch nur eine Geschichte, die sich die Überlebenden nachts am Lagerfeuer erzählen. Nichts weiter. Da will bestimmt jemand für Panik sorgen."
Ruben war anderer Meinung: "Aber du hast die Zerstörung gesehen. Wer sonst würde Vieh, Wasser und was auch immer sonst noch alles vernichtet wurde einfach liegenlassen? Die haben nur den Treibstofftank geleert und das nötigste geschnappt und sind wieder weitergezogen, so wie es erzählt wird."
Peter blieb still. Seine Augen wanderten wieder zurück zu der gepfählten, gehäuteten und geschändeten Leiche. Dem Zeichen der Apokalyptischen Reiter, die der Legende nach geschworen hatten zu beenden was der Virus begonnen hatte und alles menschliche Leben auf dem Planeten auszulöschen.
Er hatte nicht gedacht dass die Wüste noch bedrohlicher wirken konnte.