En David erhob sich ungerührt und schlenderte über den Hof, immer noch nicht ganz schlüssig, was er von der bevorstehenden Reise halten wollte. Omoktoplon erhob sich seinerseits. Er war sich bewusst, dass es seine Weisheit überstieg, En David von seiner Gleichgültigkeit gegen das Schicksal zu befreien, geschweigedenn von seinen Ängsten davor, sich zu dem aufzuschwingen, der er wirklich war. Es schlummerte doch die alte Kraft in ihm und Omoktoplon hätte viel darum gegeben, hätte er vermocht sie zu wecken. Doch En David war noch nicht bereit und Omoktoplon war zu jung, um diesen harten Willen brechen zu können. Zumindest war das seine Meinung – er mag sich in dieser Hinsicht unterschätzt haben.
Als En David nun bei Valtivu eintraf, sah sie ihn unverwandt an: "Ich verstehe dich nicht, Liebling. Du warst gestern noch dran und drauf, du wolltest schnell aufbrechen. Nun ist dieser Mann gekommen und du verlierst all deinen Antrieb, wirst wie ein nasser Sack, der nirgends mehr hin gehen will und sich auch nicht tragen lässt. Du hast 17 Jahre lang auf diesen Mann gewartet und nun willst du nicht mit ihm gehen, weil du gestern gerne auf eigene Faust losgezogen wärst?" – im nächsten Moment viel sie ihm um den Hals und begann bitterlich zu weinen: "Ach David, ich will doch auch nicht, dass du weg gehst. Mir tut es im Herzen weh daran zu denken, dass unser Kind zur Welt kommt, wenn du weg bist. Wie soll ich es überhaupt nennen? Oh, Aber wenn du schon gehst, dann geh wenigstens mit Freude. Gehe und schau nicht zurück. Ich sehe doch wie es dich wurmt, dass Omoktoplon sich auf deine Stufe stellt. Was stört es dich? Lass ihn doch zu deinem Freund werden. Du wirst ihn brauchen auf dieser Reise. Und wenn du gehst, dann sei ihm doch kein Klotz am Bein, sondern sei sein Partner, so gut du kannst. Ich liebe dich und deshalb will ich, dass du dein Herz nicht auf der Strecke lässt, sondern von ganzem Herzen in dieses Abenteuer aufbrichst."
Sie schluchzte nicht mehr, aber sie lag immer noch in En Davids Armen und er war völlig entwaffnet. Was sollte er dazu sagen? Hatte sie nicht völlig Recht. Er fühlte sich dumm, aber irgendetwas in ihm wollte nicht klein beigeben. Irgendwie wollte er es sich nicht nehmen lassen, unzufrieden zu sein.
Hier stolperte er über seine Gedanken und rang sich dazu durch, wenigstens aus Liebe zu seiner Frau, diese kindische Selbstverliebtheit zur Seite zu legen.
Er erwiderte ihre Umarmung, küsste ihre Stirn und sagte: "Du hast Recht, Valtivu", oh, welch eine Überwindung es kostete, das zu sagen: "ich werde mich nicht länger darum kümmern, dass meine Pläne andere waren, als die der Vorsehung. Ich werde mit Freuden ausziehen. Erwarte mich mit noch größerer Freude zurück. Denn auch ich vermisse dich jetzt schon."
Die nächsten Stunden vergingen viel zu schnell. Sowohl En David als auch Valtivu hingen dieser Zeit in Gedanken noch lange nach. Nachdem sie sich aus der Umarmung gelöst hatten, herrschte erst einmal rege Geschäftigkeit zuerst nur in ihrem Haus und dann in der ganzen Siedlung. Jeder wollte sich noch verabschieden und etwas mehr oder weniger nützliches zur Reise beisteuern. Nicht alles konnte En David mitnehmen, obwohl der Urenark als Lastentier ein beträchtliches Gewicht tragen konnte.
Mariol gab En David seinen eigenen besten Mantel, Koloj wollte ihm sogar seinen Bogen übergeben, doch En David lehnte dankend ab, konnte er doch nur mehr schlecht als recht damit umgehen. Außerdem war es eine sperrige Waffe im Gegensatz zu einem Wurfeisen. Die Frauen überschütteten ihn förmlich mit Proviant, aus dem er weise wählen musste, denn er konnte beim besten willen nicht alles davon transportieren. Diese Geschenke nahm er dennoch an und gab später das, was nicht in seine Taschen passte, Valtivu zur Verwahrung. Mochten sich seine Kinder an dem getrockneten Fleisch freuen oder an den Rosinen. Einen gefüllten Weinschlauch bekam er von Pataro, eine Gabe, die Symbolcharakter hatte, man verschenkte Wein nur, wenn man jemandem eine Ehre erweisen wollte.
Von Konji Koj, seinem besten Freund, erhielt er eine herzliche Umarmung und einen Ratschlag, den er ihm ins Ohr flüsterte. Diese Freundschaft war über materielle Geschenke erhaben, hatten sie sich doch schon so viel mehr geschenkt.
Koj hatte sich in der letzten Zeit zurückgehalten, weil selbst er En David nicht recht zu helfen wusste, in seinem inneren Zwiespalt, doch die Jahre zuvor, ja seit David denken konnte, war er sein bester Freund und Ratgeber gewesen. Vielleicht war es einfach die Tatsache gewesen, dass Koj sich getraut hatte, ihm Ratschläge zu geben, während alle anderen En David wie einen unfehlbaren Thronfolger behandelt hatten, der er gewiss nicht war. Nun musste En David weinen, als ihm klar wurde, wie wenig Liebe er Koj in den letzten Wochen gegeben hatte, ja wie sein Herz schon seit Jahren immer härter geworden war. Es war traurig, zu erkennen, dass er so fehlerhaft war, aber es war befreiend, zu wissen, dass er dennoch geliebt war. In dieser Umarmung durfte er es sich eingestehen. Dieser Freund wusste um seine geheimen Jugendsünden.
Und sein Rat war das Beste, was man ihm für diese Reise mitgeben konnte. So kam es, dass En David tatsächlich mit Freuden aufbrach, beschwingt und von seinen Kindern und seiner Frau beweint, aber auch mit einem ungekannten Glanz in den Augen, der nicht die Freude allein war, sondern das Abenteuer, etwas Schönes, aber etwas sehr Ernstes.